Dolmetscher erleichtern den Residenten und Urlaubern auf Mallorca das Leben. Die MZ stellt fünf von ihnen vor.

Komplizierte Fragen verständlich machen

Maíta Martorell Thümmler (51) ist öffentlich bestellte und beeidigte Übersetzerin und Konferenzdolmetscherin.

„Das erträumte Haus, Illusionen und viel Geld. Bei den Zivilrechtsprozessen, bei denen ich dolmetsche, geht es um einiges, etwa Baumängelklagen. Daher sind alle Parteien meistens sehr nervös. Dass ich sowohl die Aussagen der Kläger als auch die der Verklagten und die ihrer Anwälte übersetze, nimmt allen ein großes Stück Anspannung, zumal ich auch komplizierte Fragen verständlich mache.

Auch die vielen Fälle, in denen ich fürs Jugendamt gedolmetscht habe, waren schon für mich als sprachliche Vermittlerin sehr emotional und aufreibend. Wenn ich etwa Eltern, die nicht in der Lage waren, ihre Kinder richtig zu versorgen, Arbeitspläne erklärt habe, war das schon Mediation und nicht mehr nur Dolmetschen. Das ist ein ganz anderes Arbeiten, viel zwischenmenschlicher, als wenn man eine Eigentümerversammlung, einen Termin beim Notar oder von der schalldichten Kabine aus eine Konferenz dolmetscht.

An Konferenzen liebe ich dafür die Abwechslung und die interessanten Themen. Früher war das Konferenz-Dolmetschen allerdings noch deutlich leichter, man hatte mehr Zeit. Mittlerweile wird der ganze zu vermittelnde Stoff oft gerafft und auf wenige Tage komprimiert. Da es meistens um sehr komplexe Themen geht, bitte ich im Vorfeld um die Präsentationen der Redner. Dann kommt vieles auf deren persönliche Vortragsweise an. Es gibt wunderbare Redner, die viele Pausen machen und sich sehr eloquent ausdrücken. Schwierig wird es, wenn ich die verschiedenen Akzente des Englischen nachahmen oder für asiatische Redner dolmetschen muss, die meinen, gut Englisch sprechen zu können. Auch wenn in einem Vortrag überdurchschnittlich viele Zahlen vorkommen, ist das für einen Dolmetscher sehr anstrengend. Meistens sitzt dann ein zweiter Kollege dabei und notiert die Zahlen sicherheitshalber mit. Studien haben gezeigt, dass die Konzentration nach einer halben Stunde rapide sinkt, daher dolmetscht man dann im Wechsel. Wenn man drei Tage mit den Vortragenden und dem Publikum zusammen ist, bekommt man am Ende des Kongresses auch als Dolmetscher mal einen Applaus.

Dolmetschen ist viel Technik, aber eine Gabe dafür muss man schon haben. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Mallorquiner. Für Freunde oder Handwerker habe ich schon als Kind gedolmetscht. Daneben übersetze ich als öffentlich bestellte und beeidigte Übersetzerin auch schriftliche Dokumente fürs Handelsregister oder Notare."

Bei Mord eine Vernehmung nach der anderen

Juana C. (48) arbeitet seit elf Jahren bei der Guardia Civil in Palma als Übersetzerin und Dolmetscherin.

„Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an den Deutschen denke, der 2012 auf der Insel seine Frau ermordet hat und noch in derselben Nacht auf Dating-Plattformen nach neuen weiblichen Bekanntschaften gesucht hat. Ich musste seine Nachrichten für die Beamten der Guardia Civil übersetzen und habe mich seither noch oft gefragt, wie ein Mensch so kalt sein kann. In Mord­fällen zu dolmetschen, ist überaus anstrengend. Die Zeugen müssen so schnell wie möglich vernommen werden. Das bedeutet für mich oft einen Übersetzungs-Marathon von mehreren direkt aufeinander folgenden Vernehmungen. In jedem Fall bekommen sowohl der Festgenommene als auch das Opfer und die Zeugen zu Beginn jeweils eine Rechtsbelehrung von mir, auf Deutsch, Englisch oder Französisch. Das Gesetz sieht vor, dass sie für jeden Beteiligten verständlich sein muss. Die meisten sind sehr dankbar, dass ich in der Situation dabei bin, müssen zu mir aber auch erst einmal Vertrauen aufbauen.

Auch wenn wir Familienmitglieder von Opfern, zum Beispiel die Mutter eines bei einem Schiffsunglück verbrannten Mannes, nach Spanien holen müssen, damit sie eine DNA-Probe abgeben, sind diese sichtlich erleichtert, wenn ich ihnen in ihrer Muttersprache alle Abläufe erkläre. Die DNA-Probe brauchen wir, um das Opfer identifizieren zu können.

Fragen zu gefälschten Führerscheinen, chemische Inhaltsstoffe von Drogen oder die Beschaffenheit von Waffen sind mir ebenfalls vertraut. Oft überbringe ich aber auch gute Nachrichten, etwa wenn eine geklaute teure Uhr eines deutschen Residenten oder auch andere Wertsachen wieder aufgetaucht sind und zuvor Anzeige erstattet wurde."

Durch die harte Ausbildung gut vorbereitet

Silvana Ek (47) dolmetscht neben Konferenzen auch Kulturveranstaltungen.

„Ich wusste schon mit 16 Jahren, dass ich später als Dolmetscherin arbeiten möchte. Meine Mutter ist Mallorquinerin, mein Vater Norweger, untereinander haben die beiden Englisch gesprochen. Schon bevor ich mit drei Jahren nach Mallorca kam, konnte ich auch schon Mallorquinisch. Unter meinen Freunden war ich die Einzige, die schon früh mehrere Sprachen beherrschte und habe oft ausgeholfen, etwa wenn wir beim Feiern neue Leute kennengelernt haben. Meinen Berufswunsch habe ich konkretisiert und in Barcelona „Übersetzen und Dolmetschen" studiert, mit Spanisch und Katalanisch als Haupt- und Englisch und Französisch als Fremdsprachen. Daran habe ich dort ein Aufbaustudium und einen Master zum Konferenzdolmetschen an der Westminster Uni in London angehängt. Die Zulassungsbedingungen waren sehr streng. Auch später wurden die Studenten durch schwere Prüfungen regelrecht ausgesiebt. Jeder hatte während der Zeit einen Nervenzusammenbruch. Dafür fühle ich mich jetzt gut vorbereitet. Auf Mallorca bieten mittlerweile sehr viele nicht ausgebildete Dolmetscher ihre Dienste an. Professionell ausgebildete Kabinen-Dolmetscher gibt es nur sechs. Wir arbeiten nicht jeden Tag, aber verdienen gut. Die Honorare, die der Internationale Verein der Konferenzdolmetscher (Aiic) vorsieht, liegen bei 550 Euro netto für einen sieben bis acht Stundentag, wobei Pausen miteinberechnet sind. Für einen halben Tag berechnen wir 450 Euro, eine Stunde schlägt mit 350 Euro zu Buche. Wir versuchen die Preise innerhalb der Branche so zu halten. Neben Konferenzen dolmetsche ich auch Eröffnungen, Rundgänge und Pressekonferenzen im Caixaforum, den Literaturpreis von Formentor oder die Nit de l'Art."

Sich bei Krebsdiagnosen zusammenreißen

Kathleen Müller (54) hat sechs Jahre lang im Krankenhaus Manacor gedolmetscht, derzeit pausiert sie.

„Wenn ich einem Patienten im Beisein des Arztes die Diagnose ,Krebs' oder die einer anderen schweren Krankheit übersetzen muss, fällt es mir sehr schwer, mir nicht anmerken zu lassen, wie ich mich in dem Moment fühle. Ich erinnere mich etwa noch an einen meiner ersten Tage, an dem gleich viele schwere Fälle zusammenkamen. Zum einen musste ich einer Frau sagen, dass ihr Mann nur noch wenige Stunden zu leben hat, zum anderen den Angehörigen einer Patientin, die versucht hatte, sich umzubringen, mitteilen, dass sie im Koma liegt. Als Übersetzer bekommen wir immer nur Auszüge aus der Krankengeschichte der Patienten mit. Oft weiß ich gar nicht, was aus den Menschen geworden ist.

Für mich ist der Dolmetscher-Job im Krankenhaus die perfekte Kombination aus dem, was ich immer studieren wollte (Medizin), wegen des hohen Numerus Clausus aber nicht konnte, und dem, was ich letztlich Ende der 80er-Jahre studiert habe (Sprachen, Dolmetschen). Meine Muttersprache ist Deutsch, Englisch kann ich aber fast genauso gut. Ich mag an der Arbeit das ständige Brodeln im Kopf und die Herausforderung, weil es zudem schnell gehen muss. Auf der Notaufnahme spüre ich die Dankbarkeit der deutschsprachigen und britischen Patienten besonders. Sobald sie auch nur ein paar Worte in der ihr vertrauten Sprache hören, sind sie sichtlich erleichtert. „Ein Glück, dass Sie da sind", höre ich oft.

Auch bei den oft mindestens 30 Minuten dauernden, tiefgründigen Arzt-Patienten-Gesprächen in der psychiatrischen Abteilung wird meine Hilfe sowohl von den Patienten als auch von den Ärzten dankend angenommen. Wenn ich dort bin, schalte ich auch mein Walkie-Talkie aus, damit wir völlig ungestört sind. Im Krankenhaus Manacor wechseln sich während der Woche zwei Übersetzer ab. Falls einer nicht da ist, können die Ärzte auf einen externen, telefonischen Übersetzerdienst zurückgreifen. Das machen sie allerdings nicht gern - auch, weil man immer umständlich das Telefon zwischen Patient und Arzt hin- und herreichen muss."

Trotz Fauxpas schon für 2020 gebucht

Vicky Pienìazeck (62) moderiert seit 1991 Sportevents in mehreren Sprachen und dolmetscht die Briefings und Pressekonferenzen dazu.

„Wo führt die Strecke entlang, welches Material benötigen die Trail-Läufer, wo lauern Gefahrenstellen. Unter anderem solche Informationen dolmetsche ich für Teilnehmer bei einem Briefing im Vorfeld. Auch Interviews mit Sportlern während einer Pressekonferenz oder nach einem Lauf übersetze ich. Während der Wettkämpfe selbst moderiere ich eher, aber direkt in mehreren Sprachen. Es ist keine Eins-zu-eins-Übersetzung, denn ich gebe etwa deutschen Teilnehmern des Palma-Marathons andere Informationen als den spanischen, etwa die Anzahl deutscher Teilnehmer am Lauf. Pro Jahr bin ich etwa bei 50 Sportevents in sieben verschiedenen Ländern im Einsatz und wechsle dabei nicht selten zwischen fünf verschiedenen Sprachen hin und her: Französisch, Spanisch, Katalanisch, Englisch und Italienisch. Meine Mutter ist Französin, mein Vater Nordamerikaner, mit Katalanisch und Spanisch bin ich direkt nach meiner Ankunft auf Mallorca 1978 in Kontakt gekommen. Ich bin es also schon von klein auf gewohnt, in mehreren Sprachen zu denken. Trotzdem komme ich manchmal bei der Arbeit durcheinander. Beim Ultra-Trail Mont Blanc etwa sollte ich vor den Live-Kameras die Aussagen des französischsprachigen Gewinners im Ziel übersetzen. Alle Kameras waren auf mich gerichtet. Da ich zuvor ins Englische und Spanische gedolmetscht hatte, habe ich seine Aussagen versehentlich auf Französisch wiederholt. Erst ein paar Sekunden später habe ich es gemerkt. Obwohl das viele im Fernsehen gesehen haben, scheint es für die Veranstalter kein zu großer Fauxpas gewesen zu sein, denn fürs Jahr 2020 haben sie mich schon gebucht. Ich habe schon beim Radio gearbeitet und bei Kultur-events. Mein Herz schlägt aber für Sportveranstaltungen, da ich selbst schon viele Sportarten ausprobiert habe."