Francisco Franco, so hieß es in den Statuten der faschistischen Falange, war eigentlich nur Gott und der Geschichte zur Rechenschaft verpflichtet. Eigentlich. Der Journalist Miguel Ángel Aguilar machte daraus noch zu Zeiten der Diktatur (1939-1975) einen Running-Gag, „Gott, der Geschichte – und der Auslandspresse", pflegte er zu vervollständigen.

Die Auslandspresse – das war damals, neben einer Handvoll anderer Kollegen, gewissermaßen personifiziert, ein stämmiger Deutscher mit markanter Kinnpartie: Walter Haubrich, Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Madrid. Der MZ-Autor feierte vergangene Woche im Goethe-Institut in Madrid mit knapp 300 Freunden, Verwandten und Weggefährten seinen 75. Geburtstag.

Unter den Festrednern war auch Felipe González, spanischer Ministerpräsident zwischen 1982 und 1996. Haubrich hatte den jungen Sozialistenführer 1974 im Untergrund kennengelernt und ihn danach in die Journalistenkreise der Hauptstadt eingeführt. „Einen Teil des Sauerstoffs, den wir benötigten, lieferte uns die Auslandspresse", erinnerte sich Felipe González an die Jahre der Diktatur. Die spanische Presse war zensiert, lediglich die Korrespondenten konnten halbwegs frei berichten.

Nach Francos Tod gestaltete der eine, González, den Übergang zur Demokratie mit und führte Spa­nien in die EU, während der andere, Haubrich, diesen Prozess in Hunderten, ja Tausenden von Artikeln beobachtete. „Opinaba con cabezonería e informaba con objetividad", beschrieb Felipe González im Goethe-Institut die Arbeit des meinungsfreudigen, aber objektiv berichtenden Deutschen.

Von „Leidenschaft mit einer Prise Parteilichkeit, manchmal auch ein wenig mehr", sprach auch Klaus-Dieter Frankenberger, Auslandschef der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", eines Blattes, das auf dem politischen Spektrum gemeinhin einige Zentimeter rechts von Walter Haubrich anzusiedeln ist – und doch stets wusste, was sie an diesem homme de lettres hatte. Über viele Jahre hinweg waren es Haubrichs Berichte, die dem Spanienbild der politischen Elite in Deutschland zugrunde lagen.

Das Ende der Diktatur und die Jahre der transición, des Übergangs zur Demokratie, dieser gesellschaftliche und politische Umbruch sollte nicht nur Walter Haubrich, sondern eine ganze Generation von Politikern, Intellek-tuellen und Journalisten zutiefst prägen. Ein beachtlicher Teil davon hatte sich im Goethe-Institut eingefunden, um einen der ihren zu ehren. Wie der immerhin sieben Jahre jüngere Felipe González erklärte: „Gemeinsame Lebenserfahrung verbindet – ganz unabhängig vom Alter."

Mittlerweile fühlt sich diese Generation manchmal unverstanden. Überraschend deutlich, ja geradezu dünnhäutig wandte sich Felipe González – immer noch der rhetorisch versierteste und wohl auch brillanteste Politiker Spaniens – gegen den „Revisionismus der transición". Er meinte damit wohl die in jüngster Zeit lauter gewordene Kritik an der damals im Gegenzug für die politische Öffnung akzeptierten Straffreiheit für die Täter der Diktatur. „Schon blöd von uns zu verhindern, dass wir uns die Köpfe einschlugen wie in all den Jahrhunderten zuvor", spottete Felipe González. Um dann, auch mit Blick auf den Journalisten Walter Haubrich zu schließen: „Lasst uns noch eine Weile durchhalten und den Leuten sagen, dass die transición so schlecht nicht war.

In der Printausgabe vom 16. September (Nummer 541) lesen Sie außerdem im Ressort Gesellschaft:

- Im Gespräch: Cristina Piaget, Model und Mimin

- Zu Tisch mit Madame Bettenccourt

- Im Interview: Mentaltrainerin Heidrun Kerstin Goihl

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