Wer von Fotos nicht wüsste, wie Toni Gomila aussieht, würde ihn trotz seiner markanten Nase auf der Straße mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übersehen. Der Mann ist eher klein, kleidet sich unauffällig, fährt einen fast schäbigen Renault und bewegt sich nicht wie andere im Künstler-Metier allerorten mit raumgreifenden Schritten, um möglichst von jedem auf Anhieb erkannt zu werden. Toni Gomila gibt nicht im Mindesten zu erkennen, dass er ein Großer seiner Zunft ist, ein bekannter monologista, einer, mit dem fast jeder autochthone Einwohner der Balearen und Kataloniens spontan etwas anzufangen weiß.

Im Zwiegespräch verstärkt sich dieser Eindruck. Gomila gibt sich leise und nachdenklich und wirkt sogar ein wenig unsicher, womit er vielleicht kokettiert. Jedenfalls unterscheidet sich dieses Verhalten grundlegend von dem Gebaren auf den Brettern, die die Welt bedeuten, wo er sich gestikulierend und laut in Hochform redet und es vermag, die im normalen Leben eher langmütig-introvertierten Mallorquiner mit Witzen und Zoten zunächst aus der Reserve zu locken und dann wundersamerweise zuweilen in einen Zustand laut artikulierter Lockerheit zu versetzen.

Derzeit tut der 38-Jährige genau dies mal wieder, und zwar mit seinem Werk „Acorar", das er in insgesamt acht Monaten – zwei Monate Schreibarbeit, vier Monate Korrekturarbeit und zwei Monate tägliche Proben – aufführungsfertig gemacht hat.

Acorar bedeutet zu Deutsch, Brandzeichen auf toten Schweinen anzubringen, um das Eindringen von bösen Geistern ins Fleisch zu verhindern. Der Monolog, bei dem er, Gomila, ohne jegliche Requisiten ganz allein auf einer Bühne steht und auf Teufel komm raus deklamiert, ist denn auch atmosphärisch auf einer der inselweit so beliebten matances (Schlachtfeste) verortet. Diese Festivität ist, wie zu hören ist, genauso Teil der mallorquinischen Volksseele wie das Ziegen-Einfangen mit dem Lasso oder der Gang zur Trabrennbahn an den Wochenenden.

Wie schafft es dieser eher scheue Mann, immer wieder die Säle gerammelt voll zu kriegen? „Zunächst einmal bin ich Mallorquiner, und ich wende mich in der Inselsprache an die Zuschauer", sagt der Schauspieler. Und mit einem ihm ob seiner Herkunft logischerweise innewohnenden Gefühl für das offensichtlich ganz eigentümliche Humorempfinden der von anderen Spaniern als verschlossen eingeschätzten Insulaner trifft er einen Nerv.

„Der Mallorquiner als solcher ist generell in der Lage, über sich selbst zu lachen", sagt Gomila. „Aber nur dann, wenn ein Mallorquiner den Witz macht." Er verstehe sich auf der Bühne darauf, mit halben Wahrheiten und Ironie den introvertierten Humor der Mallorquiner zu wecken. Er sorge dafür, dass die Zuschauer sich selbst in ihm, Toni Gomila, wiedererkennen. Das bewirke, dass sie überraschenderweise aus sich herauskämen, was im Alltag eher selten passiere.

Versteige sich allerdings ein Bewohner der spanischen Halbinsel auf Katalanisch oder gar auf Spanisch dazu, sich in Anwesenheit von Mallorquinern über Mallorquiner lustig zu machen, könne er sicher sein, auf eine Mauer des Schweigens zu stoßen.

Der Mallorquiner sei nun einmal wegen all dem, was in der Geschichte an unangenehmen Dingen auf der Insel geschehen sei, so geworden, wie er heute ist, sagt Gomila. Da man angesichts des vereinnahmenden Vorgehens der Spanier aus Kastilien jahrhundertelang die eigene Identität habe verbergen müssen, lebe man sein Wesen zwangsläufig alles andere als enthemmt aus. Fakt sei, dass man ganz tief im Innern eine ständige bohrende Angst verspüre, die Sprache zu verlieren und ganz durch die Kultur Festland-Spaniens verdrängt zu werden. Und deswegen verstehe man sich humortechnisch insbesondere auf Feinheiten. „Der Mallorquiner entdeckt dort Ironie, wo andere dies niemals finden würden", sagt Gomila. „Wir sind vorsichtig, reserviert und misstrauisch, aber zugleich extrem großzügig."

Diese Großzügigkeit sei oft genug völlig ungeniert ausgenutzt worden, nicht zuletzt von einigen Deutschen. „Auf der einen Seite gibt es Mallorquiner, die das große Aufkaufen von Ländereien durch Deutsche vor allem in den 90ern als raubtierhaftes Verhalten empfunden haben", sagt Gomila. Und wenn von diesen Landbesitzern dann noch öffentliche Wege versperrt würden, schaffe dies böses Blut.

Auch sehr selbstbewusstes Auftreten wie etwa das eines Utz Claassen bei Real Mallorca sei alles andere als sympathisch. Anderen Insulanern wäre das massive Anrücken der Deutschen dagegen relativ egal gewesen, sie hätten die sich bietenden Chancen bauernschlau genutzt, um endlich mal Geld zu verdienen, was ihnen in den vergangenen Jahrhunderten quasi niemals vergönnt gewesen sei.

„Die befürchtete kulturelle und wirtschaftliche Invasion ist allerdings ausgeblieben", konstatiert der Schauspieler. Und es gebe zunehmend „Deutsche auf der Insel, die zurückhaltend und neugierig sind, denen es gefällt, unsere Welt zu entdecken". Und wenn Mallorquiner herausfänden, dass solche Menschen genauso in die Insel vernarrt seien wie sie selbst und vielleicht sogar mehr als nur ein paar Wörter mallorquí beherrschten, könne zwischen den Angehörigen beider Seiten nicht nur Zuneigung, sondern geradezu so etwas wie Liebe entstehen. Diese potenzielle Fähigkeit zur gefühlsmäßigen Verschmelzung mit den Inselbewohnern attestiert Gomila allerdings nur einer Minderheit der Zugereisten.

Sein großer Traum sei es, dass immer mehr Insel-Deutsche wie er dafür kämpften, das mallorquinische Kulturgut zu verteidigen. „Ich gestehe, dass ich ein Kultur-Nationalist bin", sagt Toni Gomila, der aus Manacor stammt, der zweitgrößten mallorquinischen Stadt, wo man auf den Straßen anders als in der multikulturellen Kapitale Palma kaum ein Wort Spanisch, dafür umso mehr mallorquí zu Ohren bekommt.

Diese Haltung dürfe aber nicht mit Fanatismus oder Separatismus verwechselt werden. Allerdings gehe es ihm sehr auf den Geist, wenn im balearischen Regionalsender IB3 plötzlich Spanisch gesprochen werde, was jetzt auf Anweisung der konservativen Volkspartei-Regierung geschehe. „Das ist für mich eine Attacke." Es könne nicht angehen, dass nationalistische Spanier auf Mallorca machen könnten, was sie wollen.

Er, Gomila, stehe der spanischen Sprache nichtsdestotrotz genauso aufgeschlossen gegenüber wie dem Englischen oder Deutschen. Seinen neuen monólogo habe er im spanischsprachigen Buenos Aires ersonnen. „Aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass wir immer weniger sind, die mallorquí sprechen." Und man wisse, dass immer mehr Minderheitensprachen vom Verschwinden bedroht seien.

Und deswegen wird sich Toni Gomila auch weiterhin nach Kräften bemühen, die Fahne des Mallorquiner-Seins künstlerisch hoch zu halten, demnächst an folgenden Orten auf und jenseits der Insel:

14. und 15. Januar: Auditorium Alcúdia; 20. Januar: Theater Mar y Tierra, Palma; 22. Januar: Theater Manacor; 29. Januar: Theater Lloseta; 3. Februar: Sala „La Planeta", Girona, Katalonien.