Wilfred. Ein Name, der auf Spanisch so leicht von der Zunge geht wie Sauerkraut in einem Restaurant in Hanoi. Ganz zu schweigen von Boemeleit. Dennoch war Wilfred oder „Wilfredo" Boemeleit insbesondere auf Mallorca über Jahre hinweg in aller Munde. Der 1943 in Caracas (Venezuela) geborene und Anfang Februar im Alter von 77 Jahren in Bayern verstorbene Deutsch-Südamerikaner legte auf der Insel nicht nur den Grundstein für eine beispiellose Karriere als internationaler Tauchreise-Veranstalter, sondern hinterließ hier aufgrund seiner weltoffenen und umtriebigen Art sowohl unter Einheimischen als auch unter ausländischen Residenten einen unvergesslichen Eindruck.

Ihren Anfang nahm die außergewöhnliche Geschichte möglicherweise an einem Frühjahrstag 1966 im Abflugterminal von Palmas Flughafen. Rund sechs Jahre zuvor war der blondhaarige Sonnyboy mit seinen Eltern aus Südamerika nach Deutschland zurückgekehrt, hatte dort studiert und drei Monate beim Glühbirnen-Fabrikanten Osram in einem Büro gesessen. „Da konntest du noch nicht mal in Ruhe in der Nase bohren", beschrieb Boemeleit in einem Interview mit der MZ einen der Gründe, dem Establishment von da an den Rücken zu kehren und stattdessen dem Ruf nach Abenteuer und Freiheit zu folgen.

Unter anderem in Form eines befreundeten Reiseveranstalters, der ihn nach Mallorca einlud. Und das hatte ungeahnte Folgen. Am Rückflugtag lief ihm die große Liebe über den Weg. „Wir warteten beide auf den gleichen Flug nach München. Ich habe sie irgendwann an die Hand genommen und zu einem Kaffee eingeladen", erinnerte sich Boemeleit damals im Interview. Es war der Beginn einer mehr als 50 Jahre dauernden Lovestory.

Auf Mallorca lernte Boemeleit aber nicht nur seine spätere Ehefrau Katrin kennen, sondern entdeckte dort auch eine weitgehend unerschlossene Nische im touristischen Komplementärangebot: das Tauchen. Im Urlaub unter Wasser zu gehen, war bis dahin nämlich nur möglich, wenn man die Ausrüstung selbst mitgeschleppt hatte. Doch genau dieses Manko brachte Boemeleit auf den Plan. In Cala Figueraeröffnete er 1967 unter dem Namen „Club Nautilus" eine der ersten Tauchzentren Europas, in dem Zubehör wie Sauerstoffflaschen, Neoprenanzüge, Masken oder Handschuhe sowohl Schülern als auch erfahrenen Urlaubstauchern gegen Leihgebühr zur Verfügung stand.

Eine Geschäftsidee, die im Laufe der Jahrzehnte nicht nur zur Eröffnung von drei weiteren Zentren auf Mallorca führte, sondern letztendlich zu insgesamt 17 „Club Nautilus"-Schulen weltweit, darunter auch auf den Malediven, Barbados oder Kuba. Boemeleits Flossen-vor-Ort-Konzept erfreute sich in den 70er- und 80er-Jahren einer derart steigenden Nachfrage, dass der Deutsche schließlich beschloss, eine eigene Reiseagentur zu gründen, um Tauchreisen weltweit zu organisieren. Anerkennung in der internationalen Unterwassersportszene erntete Boemeleit zudem durch den Vertrieb selbst gestalteter, professioneller „Nautilus"-Taucheruhren.

Boemeleits ruhmreiches Leben einzig auf seine Geschäftserfolge zu reduzieren, wäre aber falsch. „Bei allem, was er tat, ging es weniger ums Geld als darum, sich und dem Rest der Welt zu beweisen, dass selbst Unmögliches möglich ist, wenn man es einfach nur will", sagt Jutta Maschlanka, die mehr als zwei Jahrzehnte lang als Haushälterin für Katrin und Wilfred Boemeleit tätig war. Beispiele dafür gibt es einige. So lernte die 2003 verstorbene und wegen ihrer engen Kontakte zum Nazi-Regime umstrittene deutsche Schauspielerin Leni Riefenstahl mit 65 Jahren erst unter den Fittichen von Boemeleit das Tauchen auf der Insel. Und auch Chanson-Sänger Max Raabe hätte 2005 kein Konzert auf der Insel gegeben, wenn Boemeleit sich dafür nicht stark gemacht, beziehungsweise gleich eine ganz Musikkonzertreihe unter dem Namen „Mallorca Concerts" auf die Beine gestellt hätte.

Nach dem Verkauf der Tauchschulen und der Reiseagentur zogen Katrin und Wilfred Boemeleit 2018 aus gesundheitlichen Gründen von Santanyí zurück nach Deutschland. Katrin Boemeleit starb Ende Dezember 2020. Wilfred nur wenige Wochen später. Seine Urnen-Seebestattung soll in den kommenden Wochen in Cala Ratjada stattfinden.