Mallorca Zeitung

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„Sie haben ihn verschwinden lassen“: Mord aus Eifersucht auf Mallorca?

Said Hourmati wurde zuletzt am 15. Juni 2019 gesehen. Zuvor hatte er eine Affäre mit einer verheirateten Mallorquinerin. Seine Verwandten gehen von einer Gewalttat aus

Der Marokkaner Said Hourmati gilt inzwischen seit mehr als drei Jahren als verschwunden. | FOTO: DM

Es fehlten nur noch zwei Monate bis zur Hochzeit. Said Hourmati war aufgeregt, freute sich auf seinen Festtag und arbeitete hart, um davor möglichst viel Geld zusammenzubringen. Doch von einem Tag auf den anderen war der glückliche Bräutigam einfach weg. Und ist nun seit mehr als drei Jahren verschwunden. Seine Familie vermutet, dass er auch nicht mehr wiederkommen wird. „Sie haben ihn verschwinden lassen“, sagt seine Schwester Bouchra, die seit 15 Jahren in Spanien lebt. Sie denkt, dass Hourmati am 15. Juni 2019 in Palma ermordet wurde. Und sie hat auch einen Verdacht, wer es war.

Denn einige Jahre vor seinem Verschwinden hatte Hourmati eine Affäre mit einer verheirateten Frau. Der Marokkaner lebte seit 2008 in Spanien und arbeitete, wo er einen Job fand. Eigentlich ausgebildeter Koch, hatte er sich beispielsweise eine Zeit lang um eine ältere Dame gekümmert. Mehrere Jahre lang übernahm er auf einer Finca auf Mallorca alle möglichen Arbeiten. Er fütterte beispielsweise das Vieh und erntete Mandeln. Mit seiner damaligen Chefin hatte er eine Affäre. „Scheinbar wussten sehr viele Menschen davon“, erzählt Hourmatis Schwester. Spätestens als die Frau dem Marokkaner einen Mercedes schenken wollte, verstand auch der Ehemann, was los war, und es kam zu einem großen Streit zwischen dem verheirateten Paar. Hourmati hörte daher auf, dort zu arbeiten.

Mit einem Schießgewehr in der Hand begrüßt

Als der junge Mann 2018 für einen Handwerksjob auf die Finca gerufen wurde, ging er in dem Glauben hin, dass der Ehemann nicht da sein würde. Doch der Mallorquiner begrüßte Hourmati mit einem Schießgewehr in der Hand. Der gehörnte Ehemann beschimpfte den Marokkaner rassistisch und schwörte bei seinen Kindern, ihn früher oder später zu ermorden. „Ich bin Mallorquiner und du bist hier auf meinem Land“, sagte er. „Ich zähle bis fünf, und wenn du bis dahin nicht weg bist, bringe ich dich um!“ So schilderte Hourmati später Freunden die Szene.

Der Marokkaner beschloss danach, für einige Zeit Mallorca zu verlassen. Er verbrachte eine lange Zeit bei seiner Familie in Marokko, wechselte zwei Mal seine Handynummer. Seiner Familie erzählte er nichts von der Affäre und den Drohungen. „Ich habe erst später erfahren, dass er auf der Flucht war“, sagt seine Schwester Bouchra. Während seines Heimataufenthaltes verliebte er sich in eine junge Frau und verlobte sich. Im Mai 2019 ging er zurück nach Mallorca, um Geld zu verdienen. Und hier nahm das Unglück seinen Lauf.

Es heißt, dass seine ehemalige Affäre ihn suchte und zu Orten ging, an denen er früher oft war. Bei einer Befragung sagte die Mallorquinerin, sie habe Hourmati seit seiner Rückkehr sogar einmal getroffen. Seine Freunde sagen, sie habe ihn verfolgt, aber er habe den Kontakt nicht wieder aufnehmen wollen. Der junge Mann lebte bei seiner Schwester und arbeitete als Bauarbeiter. „Said hatte kein Auto, deswegen hat sein Chef ihn jeden Tag in der Nähe von meiner Wohnung abgesetzt“, erzählt Bouchra.

Nachts ging das Handy aus

So auch an jenem 15. Juni, an dem Hourmati verschwand. Obwohl es ein Samstag war, hatte der 33-Jährige gearbeitet. Es war 18.30 Uhr, als er aus dem Wagen seines Chefs stieg. „Meine Schwester ist noch nicht zu Hause, ich werde in einer Bar auf sie warten“, sagte Hourmati dem Mann. Denn er hatte keinen Schlüssel zur Wohnung von Bouchra. Der Marokkaner verabschiedete sich bis Montag von seinem Chef. „Er kam nie zu Hause an“, erzählt Bouchra drei Jahre später. „Wir haben ihn nie wieder gesehen.“

Bouchra versuchte an jenem Abend mehrmals, ihren Bruder zu erreichen. Ohne Erfolg. Nachts wurde das Handy ausgeschaltet und nicht mehr angemacht. Seine Verlobte, mit der er sonst jeden Tag per Video telefoniert hatte, hörte ebenfalls nichts von ihm. „Am Sonntag ging ich zur Polizei“, erinnert sich Bouchra. „Aber sie sagten mir, dass ich warten muss.“ Sie versuchte den Beamten zu erklären, dass ihr Bruder sonst nie verschwand und dass er immer erreichbar war. Sie erzählte auch von der bevorstehenden Hochzeit. „Aber sie meinten, dass er vielleicht kalte Füße bekommen hat“, sagt sie.

Am Montag kehrte Bouchra zum Präsidium zurück und konnte dieses Mal eine Vermisstenanzeige aufgeben. Doch die Polizei vermutete kein Verbrechen. „Sie sagten mir, dass er vielleicht in ein anderes Land gefahren war“, sagt sie. Am 15. August war in Rabat in Marokko alles für die große Hochzeit vorbereitet. Doch der Bräutigam erschien nicht. Ende August fand Bouchra dann in einer Mappe in ihrem Wohnzimmer den Pass ihres Bruders. „Als ich ihn sah, war mir klar: Er konnte nicht verreisen. Ich war mir sicher, dass mein Bruder nicht mehr da war“, erzählt sie.

Mann leugnet Drohungen

Als auch die Geschichte von der Affäre bekannt wurde, war die Polizei alarmiert, die Mordkommission begann zu ermitteln. Die Beamten versuchten erfolglos, das verschwundene Handy von Hourmati zu orten, und sahen sich die Liste der Anrufe von dem Tag an, an dem der Marokkaner verschwand. Der Verdacht von Hourmatis Freunden und Verwandten schien sich zu bestätigen: Von 20.39 Uhr bis 22.52 Uhr hatte es einen Anruf zwischen Hourmati und der Frau gegeben, mit der er Jahre zuvor eine Affäre gehabt hatte. Danach hatte die Frau mehrmals angerufen, allerdings hatte er nicht abgehoben.

Das Ehepaar wurde von der Polizei zu einer Zeugenbefragung ins Präsidium geladen. Die Frau gab zu, mit ihm am fraglichen Abend telefoniert zu haben. Er soll betrunken gewesen sein und ihr gesagt haben, dass er mit Freunden nach Felanitx wolle. Aus Bouchras Sicht ergibt diese Geschichte nur wenig Sinn. Keiner seiner Freunde hat ihn an jenem Abend gesehen. „Außerdem hatte er kein Auto, irgendwer hätte ihn ja nach Felanitx und zurück fahren müssen.“ Der gehörnte Ehemann leugnete, Hourmati jemals beleidigt oder bedroht zu haben, und sagte aus, von der Affäre nichts gewusst zu haben.

Der Fall ist inzwischen zu den Akten gelegt worden. „Die Polizei hat uns gesagt, dass es nicht genügend Anhaltspunkte gibt, um weiter zu ermitteln“, sagt Bouchra.

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