Mallorca Zeitung

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Wahre Kriminalfälle auf Mallorca: Wie ein Mörder eine Mörderin ermordete

Das „Friedhofs-Verbrechen“ ist einer der bekanntesten Mordfälle der Insel. Nicht zuletzt, weil der Mörder Journalisten noch vor der Festnahme ein Interview gab. Erste Folge des True-Crime-Podcasts „Mörderisches Mallorca“.

Bartolomé Clar bei seinem Interview mit dem „Diario de Mallorca“. | FOTO: LORENZO

Ein Mörder ruft bei Journalisten an, um seine Geschichte zu erzählen, ein deutscher Arzt tötet im Urlaub seine beiden Kinder, eine Frau vergiftet nach und nach ihre ganze Familie. In „Mörderisches Mallorca“ beschäftigen wir uns mit wahren Kriminalfällen auf der Insel.

26. Dezember 1996: Bei der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ klingelt das Telefon. Die Kollegen werden zu einem äußerst ungewöhnlichen Interview eingeladen. Ein Mann, der wenige Tage zuvor seine Freundin erstochen auf dem Friedhof zurückgelassen hatte, will seine Geschichte erzählen. Bartolomé Clar ist zu diesem Zeitpunkt der wohl meistgesuchte Mann Mallorcas. Die Medien gaben dem Fall den Spitznamen el crimen del cementerio, das Friedhofsverbrechen, doch um die Geschichte von Bartolomé Clar zu erzählen, muss man weit zurückgehen. Es geht um vier Morde, zwei Mörder und eine Liebesgeschichte.

True Crime Mallorca: Mord an der Schwiegermutter

Im Januar 1989 heiratet Bartolomé Clar seine damalige Freundin, nur wenige Monate später wird eine gemeinsame Tochter geboren. Das junge Paar lebt bei der Mutter der Frau, zusammen mit dem Bruder der Braut, der noch ein Teenager ist. Die Ehe ist alles andere als harmonisch. Seine Frau zeigt Clar mehrmals wegen häuslicher Gewalt an, am Ende wird er aus der Wohnung geschmissen und darf weder seine Frau noch seine Tochter sehen. In seinem Kopf ist daran nicht sein eigenes Verhalten schuld, sondern die Schwiegermutter.

In den frühen Morgenstunden des 1. November 1989 schleicht Clar um das Haus herum, in dem die Schwiegermutter lebt. Er klettert an Rohren und Regenrinnen entlang bis in den dritten Stock. Mit dabei hat er ein Küchenmesser. Er geht in das Zimmer, in dem seine Schwiegermutter schläft und ersticht die 42-jährige Frau. Weil der 13-jährige Sohn der Schwiegermutter ebenfalls in diesem Raum schläft und seiner Mutter zur Hilfe eilt, ersticht Clar auch den Jugendlichen. Seine Frau versucht die Polizei zu rufen, doch Clar reißt die Telefonkabel aus der Wand. Daraufhin fesselt er seine Frau und bedroht sie mit dem blutigen Messer. Er will sie überreden, wieder mit ihm zusammenzukommen. Nach zwei Stunden sieht er ein, dass das nicht mehr passieren wird und verlässt die Wohnung, ohne seine Frau oder seine vier Monate alte Tochter zu verletzen. Clar steigt in ein Taxi und lässt sich direkt zur Polizeiwache fahren.

Vor Gericht wird er wegen der beiden Morde und dem Festhalten seiner Frau zu 59 Jahren Haft verurteilt. In Spanien werden verschiedene Straftaten zusammengerechnet. Am Ende sitzen aber selbst Mörder „nur“ 20 bis 25 Jahre ab. So wäre das auch bei Clar verlaufen, allerdings lernt er bereits im Gefängnis sein nächstes Mordopfer kennen: Ana Belén Gil.

True Crime Mallorca: Die Vatermörderin

Gil war nur 16 Jahre alt, als sie ihren Vater ermordete. Er galt als gewalttätiger Mann, der seine Familie körperlich und psychisch misshandelte. Ana Belén Gil litt sehr darunter. Im März 1995 eskaliert die Situation dann komplett. Die Jugendliche kommt zu spät nach Hause, ihr Vater hat sämtliche Türen und Fenster abgeschlossen. Wenn sie nicht wie abgemacht kommt, soll sie die Wohnung gar nicht betreten können. Gils Mutter öffnet das Fenster ihres Schlafzimmer, um die Tochter in die Wohnung zu lassen, die Jugendliche klettert hinein. Der Vater bekommt das allerdings mit und schreit sowohl die 16-Jährige als auch ihre Mutter an. Daraufhin setzt er sich vor den Fernseher und schläft ein.

Gil hat genug. Sie nimmt das Jagdgewehr ihres Vaters und bringt den schlafenden Mann mit einem Schuss aus nächster Nähe in den Kopf um. Weil Gil so jung ist und ihr Vater gewalttätig war, wird die Jugendliche im November 1995 zu nur sechs Jahren Haft verurteilt.

In den Gefängniswerkstätten lernt sie Bartolomé Clar kennen. Die beiden werden ein Paar. Im Dezember 1996 bekommen sie gemeinsam Freigang. Gil kehrt nicht mehr daraus zurück. Der Leichnam der 18-Jährigen wird am 23. Dezember 1996 mit Stichwunden und einem Grabstein auf dem Gesicht auf dem Friedhof von Palma gefunden.

True Crime Mallorca: Der Friedhofs-Mord

„Wenn etwas in einer Flasche ist und weiß ist, handelt es sich normalerweise um Milch“, sagt der pensionierte Polizist Juan Serra, der damals in der Mordkommission im Mord an Ana Belén Gil ermittelte. Und wenn eine Frau erstochen aufgefunden wird, deren Partner bereits zwei Menschen erstochen hat, dann sei der Mann der Mörder. „Wir mussten ihn nur noch finden“, fasst Serra zusammen. Das erledigte sich jedoch schnell. Am 26. Dezember sucht Clar bei einer Kirche in Palma Unterschlupf, erzählt dem Pfarrer seine Geschichte und gibt im Pfarrheim das Interview. Danach begleiten die Journalisten ihn zur Polizeiwache. Im Interview und auch später noch in seiner Verteidigung vor Gericht erzählt Clar seine Version davon, was an jenem Nachmittag auf dem Friedhof geschah.

Ana Belén Gil und er waren, so erzählt er, auf den Friedhof gegangen, weil sie das Grab ihres Vaters besuchen wollte, und er die Gräber seiner Großeltern, die gestorben waren, während er in Haft war. Das Paar verwechselte das Grab von Gils Vater und dachte deswegen fälschlicherweise, es sei unbeschriftet. Das habe Gil sehr bedrückt, erzählt Clar im damaligen Interview. „Sie fing an zu weinen und sagte, dass sie zu 20 Jahren verurteilt hätte werden müssen oder dass sie sich selbst statt ihren Vater hätte erschießen müssen“, erzählt er den Journalisten. Das Paar ritzte daher in den leeren Grabstein die Worte „Te quiero Papa“, übersetzt „Ich liebe dich Papa“ und setzten ihre beiden Namen darunter.

True Crime Mallorca: Ana Belén Gil wurde ermordet auf dem Friedhof von Palma gefunden. DM

Dann kippte die Stimmung, zumal sie unter Zeitdruck standen. „Ich wusste, dass ich zurück ins Gefängnis musste und fühlte mich deswegen schlecht“, sagt Clar. Der 27-Jährige behauptete, dass er dann einen Zettel in Gils Handtasche fand, in dem ein anderer Mann sich mit ihr verabreden wollte. Diesen Zettel konnte Clar zwar vorweisen, aber es wurde nie geklärt, ob er ihn vielleicht selbst erstellt hatte, um auf Totschlag im Affekt zu plädieren.

Der Mörder behauptete vor den Journalisten und auch vor Gericht einige Dinge, die nachweislich nicht stimmen konnten. So sagte er, dass er das Messer nur in der Hand gehabt habe, seine Freundin habe es ihm aus der Hand gerissen und damit gedroht. „Blödsinn“, sagt Polizist Serra. „Er hatte keine Verletzungen außer einem kleinen Schnitt am Finger, der nicht zu seiner Geschichte passte.“ Auch die Beweise sprechen gegen Notwehr. Ana Belén Gil wurde mit mehr als 20 Messerstichen gefunden, viele davon im Rücken. Zuletzt hatte Clar auch noch ihr Gesicht mit einem Grabstein zerquetscht. „Die einzelnen Verletzungen waren nicht tödlich, sie ist verblutet“, sagt der ehemalige Polizist Serra.

Bartolomé Clar floh nach dem Mord. Wo er genau die drei Tage zwischen dem Verbrechen und seinem Anruf beim „Diario de Mallorca“ verbrachte, wollte er nicht sagen. Er sei ziellos durch die Insel gestreift, ohne zu essen, zu trinken oder zu schlafen. „Er war wahrscheinlich bei einem Freund untergekommen, den er später nicht verpfeifen wollte“, vermutet Juan Serra. Das sei aber für die Ermittlung nicht weiter wichtig gewesen. Serra hält es sogar für plausibel, dass Clar den Unterschlupf verlassen musste, als in den Medien von dem Mord berichtet wurde. „Auch die Menschen der Unterwelt, wie Diebe, Betrüger und Dealer haben Respekt vor dem Leben“, sagt er.

Clar wurde wegen des Mordes zu zusätzlichen 23 Jahren Haft verurteilt und sitzt noch heute im Gefängnis – ein erneuter Antrag auf Freigang wurde zuletzt 2020 verwehrt. Auf dem Weg zum Gerichtsverfahren richtete er sich noch einmal an die Presse und sagte den umstehenden Journalisten: „Nur damit das klar ist, ich habe nichts gegen Frauen.“

Mehr zu dem Fall erzählen wir im Podcast „Mörderisches Mallorca“ auf folgenden Plattformen:

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