Die Ankunft der Heiligen Drei Könige am 5. und 6. Januar ist für Mallorquiner so bedeutend wie für Deutsche der Heiligabend. In Spanien wird deren Ankunft aus den damals bekannten Erdteilen mit einem Umzug inszeniert: Caspar kommt aus Asien, Balthasar aus Afrika und Melchior aus Europa. Sie bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe, vor allem aber die Geschenke der Kinder. Das ganze Jahr über haben sie über ihr Benehmen gewacht. Wenn daran etwas auszusetzen ist, gibt es keine Geschenke, sondern carbón, „Kohle“. In Palma fährt dafür eigens eine „Kohlenfabrik“ im Tross der Könige mit.
Was hat es damit auf sich? Die Geschichte mit der Kohle ist von Generation zu Generation weitergegeben worden. Die Mallorquiner Sebastià Riera und Toni Galmés sind ihr auf den Grund gegangen und haben in Manacor eine ganz eigene Form des „Kohlekönigs“ geschaffen. „Vor etwa 20 Jahren wurde ich gefragt, ob ich an einem Dreikönigsumzug teilnehmen wolle“, erzählt Sebastià Riera. „Ich sollte mit einem Karren voller Kohle unterwegs sein, der von einem Esel gezogen wird.“ Der gelernte Bildhauer und Kulturschaffende absolvierte zu dieser Zeit einen Clown-Theaterkurs. „Weil die Parade so bunt und leuchtend ist, gefiel mir die Idee, den Köhler als mürrischen und wütenden Clown darzustellen, weil er der letzte in der Grube sein muss.“
Die neue Figur kam gut an
Die Kinder liebten den neuen König. Von da an nahm Sebastià Riera jedes Jahr an der Parade teil, feilte immer weiter an seiner Figur und deren Darstellung: Er könne böse Menschen meilenweit riechen, erzählt er den Kleinen, und esse Zuckerkohle, weshalb seine Zähne so schwarz und spitz seien. „Ich mochte die Figur so sehr, dass ich beschloss, eine Geschichte über sie zu schreiben“, sagt Riera. Mit seinem Kindheitsfreund und Zeichner Toni Galmés aus Manacor entstand ein Storyboard und das Buch „El Rei Carboner“ (Der Kohlekönig). Es geht darin um einen Köhler, der nichts hatte und das Wenige, das er hatte, verschenkte, um sich in verschiedenen Phasen seines Lebens zu verändern, bis er korrupt und schließlich zu einer Art „Monster“ wurde.
Guter Verkauf um Weihnachten
Das Ende November erschienene Buch verkauft sich gut, spricht offenbar jede Altersstufe an. „Diese Geschichte erkundet den Zwiespalt der menschlichen Natur“, sagt der 38-jährige Autor. „Die Charaktere stellen die Komplexität des Menschen dar und zeigen, dass der Schein trügen kann: Die Guten sind nicht immer so gut und die Bösen nicht immer böse.“ Auch um das Thema Konsum gehe es darin. Der Köhler, anfangs ein bescheidener Arbeiter, wird von dem Drang nach materiellem Besitz erfasst, was sein Leben und die Beziehungen zu den anderen grundlegend verändert. „Wir wollen zum Nachdenken darüber anregen, welche Dinge im Leben wirklich wichtig sind, also inmitten der gesellschaftlichen Erwartungen und des Drucks, das Wesentliche zu erkennen und zu schätzen. Dinge wie Liebe, Großzügigkeit und Verständnis.“
Auch die Lehrer und Kinder der Grundschulen in Manacor würden auf die Geschichte des Rei Carboner mittlerweile Bezug nehmen, erzählt Riera stolz. Als seine Figur verkleidet und dem Buch im Gepäck will er die Geschichte über die Insel hinaus nun weiter bekannt machen. Für die Zukunft könne er sich auch einen Animationsfilm oder einen Soundtrack zur Geschichte vorstellen. Wer sich schon mal selbst ein Bild von ihm machen will: Sebastiá Riera wird am 5. Januar ab 18 Uhr beim Umzug in Manacor als Rei Carboner zu sehen sein.
Rückkehr zum Glauben in Palma
Auch beim Umzug in Palma, der sich am Freitag (5.1.) zur selben Zeit in Bewegung setzt, wird die Kohle wieder ein Thema sein. In diesem Jahr soll die Parade noch größer ausfallen. Dafür wurden die Konzepte einiger Wagen überarbeitet. Auf Wunsch des neuen Stadtrates wolle man den traditionellen Charakter wieder mehr hervorheben, wie es in einer offiziellen Information aus dem Rathaus heißt. Zu sehen sein wird deshalb auch eine Nachbildung der Krippenfiguren von La Sang, die Maria und Jesus zeigt.
Unter den 14 Wagen, einer mehr als im vergangenen Jahr, wird es aber auch Klassiker geben wie den Geschenkewagen oder den mit den Kinderbriefen. Bis zum 3. Januar konnten die Kinder ihre selbst geschriebenen Briefe mit ihren Wünschen beim Rathaus abgeben, die dann von den Pagen der Könige dort eingesammelt wurden.
Premiere bei der Ankunft der Könige
Der Umzug beginnt um 18 Uhr am Hafen an der Marina Moll Vell und hält noch eine weitere Premiere bereit. Die Könige werden im Hafen mit einem traditionellen mallorquinischen Llaüt, dem „La Balear“, ankommen. Das Schiff ist unlängst hundert Jahre alt geworden und wird als Kulturgut gehegt und gepflegt. Die Parade soll laut Plan gegen 21 Uhr an der Plaça Cort enden (siehe Karte), wo die Heiligen Drei Könige vom Rathausbalkon die Menge noch einmal begrüßen werden. Die Route wurde damit im Vergleich zu 2023 leicht geändert. Sie führt vom Hafen über die Avenida Antoni Maura, Plaça de la Reina, Plaça Joan Carles I, Carrer Unió, Teatre Principal und die Rambla, wo sie im Gegensatz zu früheren Ausgaben in Richtung Avenidas abbiegt und zum Passeig Mallorca führt. Einige der eingesetzten Traktoren sollen erstmalig Hybridmotoren haben.
Besser mit Regenschirm
Rund 450 Mitglieder von Gruppen und Vereine werden teilnehmen. Zu sehen sind Tänzer, Schauspieler, Sänger, Musiker, Stelzenläufer, Zirkusartisten und Trommler. Schneider, Maler, Bildhauer, Tischler und Künstler der ganzen Insel sind seit Monaten an den Vorbereitungen beteiligt. Nun muss nur das Wetter mitspielen. Aufgrund der regenreichen Wettervorhersage sollten Besucher besser einen Schirm dabeihaben. Das gilt auch für die anderen Umzüge auf der Insel: Die Anfangszeiten finden Sie in der aktuellen Ausgabe (4.1. bis 10.1.) unserer Zeitung auf Seite 36 in unserem Veranstaltungskalender.
Das Buch "El Rei Carboner" ist bei Triangle Postals erschienen und in den Buchhandlungen der Insel für 18 Euro erhältlich.
