Mallorca Zeitung

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Diese beiden Mallorca-Auswanderinnen produzieren Lederware, die ein Leben lang hält

MZ-Serie: "Die anderen Auswanderer" Ein holländisches Ehepaar stellt hochwertige handgefertigte Artikel her, nach vielen Jahren in New York inzwischen auf Mallorca. Und langsam fühlen sich Sabine Spanjer und Kika Vliegenthart hier auch zu Hause

Genießen am Wochenende die Idylle auf ihrer Finca: Sabine Spanjer und Kika Vliegenthart. Nele Bendgens

Sechs Buchstaben hat ihr Label: KikaNY. Zu lesen am Ladenlokal in Palmas Carrer Indústria, 17. Aber kaum wer, der heute hinter den Mühlen dort vorbeigeht, hat den geringsten Schimmer, was sich wirklich dahinter verbirgt: ein Business edler Lederwaren, das sich in Brooklyn, New York, vor zwölf Jahren etablierte, hier aber noch ein Geheimtipp ist. Dahinter stecken zwei Frauen, die einander so ähnlich sehen, dass viele sie zunächst für Schwestern halten: das holländische Ehepaar Sabine Spanjer und Kika Vliegenthart.

„Wir sind Lederschmiedinnen“, sagt die 55-jährige Vliegenthart. „Wir produzieren nach alter Tradition Waren, die ein Leben lang halten.“ Ihr Atelier haben sie aus dem angesagten Viertel Williamsburg in Brooklyn verlegt nach Santa Catalina, wo man sie unter der Woche bei der Herstellung der hochwertigen Stücke beobachten kann. Die Wochenenden verbringen sie auf ihrer Finca in Campanet. Alle Produkte werden von ihnen entworfen und in kleiner Stückzahl handgefertigt: Ledertaschen, Rucksäcke, Sandalen, Gürtel, Portemonnaies und andere kleine Gegenstände aus Leder.

Prüfender Blick: Lederschmiedin Sabine Spanjer in ihrer Werkstatt in Santa Catalina. Bendgens

So viel kosten die Rucksäcke

Das hat seinen Preis. Die Rucksäcke zum Beispiel kosten zwischen 365 und 1.495 US-Dollar. Für die New Yorker Klientel kein Problem. Und so läuft der Verkauf auch weiterhin dorthin, übers Internet. Für die Website ist die 53-jährige Sabine Spanjer zuständig, sie ist gelernte Multimedia-Designerin.

Brachte ihre Maschinen aus Brooklyn mit nach Mallorca: Kika Vliegenthart Bendgens

Inspiriert von den Rucksäcken der Sherpas im Himalaja: „X-Backpack“ (865 US-Dollar). Bendgens

Erfolgreiche TV-Journalistin

Auch Kika Vliegenthart hatte früher zusätzlich einen anderen Beruf. „Ich war viele Jahre TV-Journalistin in New York, zum Teil auch in ganz Amerika“, erzählt die gebürtige Groningerin. Aufgewachsen ist sie aber auf Burg Anholt in Nordrhein-Westfalen und in Apeldoorn, da ihr Vater Kunsthistoriker war und historische Gebäude in Museen umgestaltete. Nach Abschluss ihres Wirtschaftsstudiums in Amsterdam zog sie nach New York, um an der New School Dokumentarfilm zu studieren. Mit 25 Jahren arbeitete sie für das Lokalfernsehen der niederländischen Hauptstadt, ab 1994 hauptsächlich für RTL Holland.

Eigene TV-Serie

Sie lebte im East Village in Manhattan, hatte eine eigene TV-Serie und auch diese hieß KikaNY – Kika New York. Als erste Frau in der Branche übernahm sie die ganze Produktion allein: Interviews, Kamera, Ton und Schnitt. Ihre Themen: Subkulturen aller Art – Hacker, Breakdancer, Gangs. Dazu tauchte sie tief in die verschiedenen Welten ein, lebte oft drei bis vier Wochen mit ihren Protagonisten zusammen. „Das war nicht immer ungefährlich“, erinnert sie sich. Manchmal auch bedrückend, wie bei ihrer Berichterstattung über Jugendliche in einem Gefängnis in Texas, die zur Todesstrafe verurteilt waren. Sie kam viel rum, es war aufregend, und sie verdiente gut. 2005 konnte sie ein Apartment in Brooklyn kaufen. „Aber irgendwann war ich das anstrengende Journalistenleben leid“, resümiert Kika, „immer nur Druck, Deadlines, und all die Jetlags. Ich konnte gar nicht so viel Yoga machen, wie ich Stress hatte.“

Leidenschaft entdeckt

Dabei hatte sie schon viel früher ihre wahre Leidenschaft gefunden. Bereits 1993 entdeckte sie im East Village den Laden der Lederschmiedin Barbara Shaum. „Mir war sofort klar: Das will ich machen“, sagt Vliegenthart. Doch es war gar nicht so leicht, die inzwischen verstorbene Dame dazu zu überreden, sie dieses alte Handwerk zu lehren. Denn ihre lukrativere Arbeit fürs Fernsehen wollte sie nicht aufgeben. „Und das fand Barbara nicht so gut. So wurden es letztendlich 15 Jahre, die ich nebenbei für sie gearbeitet habe.“ Dann zog der RTL-Moderator, für den Kika tätig war, zurück nach Amsterdam. „Da hatte ich keinen TV-Job mehr in New York, also ging ich mit ihm.“

„Das ist deine zukünftige Ehefrau“

Und das war in privater Hinsicht ihr großes Glück. Denn dort traf sie Sabine. „Ohne sie ist mein Leben nicht interessant“, sagt Kika Vliegenthart heute. Kennengelernt haben sie sich in einem Café in Amsterdam. Sabine Spanjer erzählt, wie es zu der Begegnung kam: „Es war Opening Party für ein Lesben-Magazin, und ich stand dort mit einer guten Freundin herum. Als Kika den Laden betrat, sagte meine Freundin zu mir: Das ist deine zukünftige Ehefrau.“ Und sie selbst habe das auch gewusst. „Aber ich fühlte, dass sie über mir stand, weil sie beruflich schon so weit gekommen war. Ich war noch nicht bereit.“ Sabine Spanjer wollte sich erst noch weiter etablieren.

Mit 16 war die in Soest bei Utrecht geborene Tochter eines Luftwaffenobersts Friseurin geworden – genau wie einst ihre Mutter –, und sie hatte bis dahin immer in diesem Beruf gearbeitet. Auch, als sie im Alter von 27 ihren Schulabschluss nachholte und danach ihre Multimedia-Ausbildung absolvierte. Danach nahm sie sich eine Auszeit, studierte ein Jahr Philosophie. „Das war mehr eine Selbstsuche, nach einer Nische für mich im Leben“, sagt die nachdenkliche Frau. „Doch das Studium war nicht sehr heilsam.“ 2008 machte ihr eine ihrer Kundinnen im Friseursalon ein Jobangebot und sie zögerte nicht lang: Es war die Besitzerin des holländischen Auktionshauses AAG. Die damals 39-jährige Sabine Spanjer begann, für sie zu arbeiten.

Wiedersehen am Queen's Day

„Aber am Queen’s Day 2009 sahen Kika und ich uns dann wieder“, erinnert sie sich. „Ganz Amsterdam war eine Party. Und danach, am Ende der Nacht, haben wir angefangen zu reden.“ Kurz darauf wurden sie ein Paar, gut ein Jahr später heirateten sie mit einer symbolischen Zeremonie in Amsterdam.

Kika Vliegenthart in New York: mit selbst angefertigtem Rucksack in der Subway. FOTO: NELE BENDGENS Nadia Bassa

Das harte Brot des Handwerks

Doch die beiden wollten auch beruflich zusammenarbeiten, am besten in New York. „Als Sabine 2010 mitkam, habe ich meinen Fernsehjob hingeschmissen und nur noch für Barbara Shaum gearbeitet“, erzählt Kika. „In der Zeit waren wir arm“, fügt Sabine hinzu, „wir lebten von Brot.“ Damals entstand die Idee, zusammen ein Leder-Business auf die Beine zu stellen. Was in Brooklyn dann auch gelang, nachdem Kika Vliegenthart ihrer Partnerin das Handwerk gelehrt hatte. Die Geschäfte liefen gut, aber New York ist teuer, und sie hatten auch extrem viele Ausgaben. „Zur Ruhe gekommen sind wir nicht“, sagen beide. „Wir hatten kaum Freizeit.“

Langsam hatten sie genug vom Big Apple. „Wir suchten nach einer Alternative, wollten mehr Ruhe und auch näher bei unseren Familien sein“, sagt Kika Vliegenthart. „Dann meinte eine deutsche Freundin in New York, die auch Immobilien in Berlin und Andratx besitzt: Wieso geht ihr nicht nach Mallorca?“ Nach einem Monat Urlaub in Mancor de la Vall stand die Entscheidung fest: Die beiden wollten auf die Insel ziehen. Sie verkauften das Apartment in Brooklyn und kauften vor vier Jahren in der Nähe der Höhlen von Campanet eine Finca, in die sich beide sofort verliebt hatten. Obwohl es dort damals weder Strom noch Wasser gab, schien alles perfekt.

„Urban spirit“ in Barcelona

Doch der break war zu groß. „Im Kopf war uns klar, dass wir hier sein wollten“, erklärt Kika Vliegenthart, „aber unsere Körper waren noch im New-York-Modus. Wir konnten die Stille nicht richtig genießen, hatten ständig Angst, etwas zu verpassen.“ Deshalb kauften sie ein 50-Quadratmeter-Apartment in Barcelona – „für den urban spirit.“ Dann kam die Pandemie und machte ihnen einen Strich durch ihre Pläne. Sabine drückt es noch drastischer aus: „Wir saßen fest im Paradies. Wir waren ja total isoliert.“ Zu allem Unglück drangen im Lockdown auch noch Hausbesetzer in die Wohnung in Barcelona ein: eine zehnköpfige Drogengang. „Ich wäre fast durchgedreht“, erzählt Sabine Spanjer. Ihr Anwalt riet ihnen, keine Polizei einzuschalten, sondern den okupas Geld zu geben. Und so flog Kika heimlich hin und zahlte.

Angekommen auf der Insel

„Das war eine schwierige Zeit. Wir brauchten lange, um hier glücklich zu werden“, sagt Sabine Spanjer, die mit den Mallorquinern zunächst ihre Probleme hatte. „Sie fragen einen, ob man Kinder hat oder Familie. Das empfinde ich als übergriffig“, sagt sie. „Das Bewusstsein, das in New York herrscht, ist hier einfach noch nicht angekommen.“ Doch immer öfter, wenn sie mal auf Reisen war, habe sie gemerkt, dass sie die Insel vermisse. „Wir haben wirklich sehr nette mallorquinische Nachbarn“, sagt sie. „Und seitdem die Entscheidung gefallen ist, auch wirklich hierzubleiben, ändern sich endlich die Dinge zum Guten.“

KikaNY: Carrer Indústria, 17, 07013 Palma (Werkstatt). Verkauf nur im Internet: kikany.com 

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