Mallorca Zeitung

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MZ-Serie „Die anderen Auswanderer“: Warum eine Marokkanerin in einer der besten Bäckereien Mallorcas arbeitet

Assiya Emhandi war 22 Jahre alt, als sie nach Mallorca zog. Ihren Ehemann kannte sie da kaum

Assiya Emhandi El Baruodi arbeitet seit 2011 bei der namhaften mallorquinischen Bäckerei Fornet de la Soca. | FOTO: NELE BENDGENS

Wer in der vielfach ausgezeichneten Bäckerei Fornet de la Soca eine Coca de Trampó, eine Ensaimada oder andere typisch mallorquinischen Backwaren kauft, könnte das Werk von Assiya Emhandi El Baruodi in Händen halten. Die Marokkanerin arbeitet nun schon seit 2011 beim Fornet de la Soca. Erst als Putzkraft, inzwischen als Bäckerin und rechte Hand des Betreibers Tomeu Arbona. Der bezeichnet Emhandi als „Teil der Familie“.

Emhandi wurde 1972 in einem kleinen Dorf der Provinz Tanger in Marokko geboren. Dort herrschten zu jener Zeit ganz andere Lebensumstände als in Europa. „Wir hatten weder fließendes Wasser noch Strom“, erinnert sich Emhandi. Obwohl sie ein wissbegieriges Kind war, ging sie nur vier Jahre in die Schule, mehr wurde im Ort nicht angeboten. „Ich hatte gute Noten, deswegen bot der Schuldirektor an, dass ich in die Mädchenschule in Tanger gehen könnte“, erzählt die Marokkanerin.

Doch die öffentlichen Verkehrsmittel waren nicht gut ausgebaut und teuer, die Elfjährige hätte in Tanger bei Fremden wohnen müssen. Zwar bot sich eine dortige Familie an, doch Emhandis Vater lehnte ab. „Er meinte: Das Mädchen kann seinen Namen und seine Adresse schreiben, das reicht “, sagt Emhandi ohne Bitterkeit. Sie könne ihren Vater verstehen, schließlich sei sie sehr klein gewesen. Stattdessen arbeitete Emhandi mit ihrer Mutter und ihren Schwestern zusammen an Näharbeiten und versuchte, sich mit Fernsehprogrammen selbst Dinge beizubringen.

Hochzeit mit einem Unbekannten

Emhandis Leben verlief zunächst in ruhigen Bahnen. Als sie 20 Jahre war, fragte eine Freundin ihrer Tante sie, ob Emhandi nicht ihren Bruder heiraten wolle. Die Freundin gab Emhandi ein Foto des Bruders. Der habe bereits ein Bild von ihr gesehen und sei interessiert. „Ich habe ihr gesagt, dass ich es mir überlege“, erzählt Emhandi. Was konnte sie überlegen? Bei einem Mann, den sie nie gesehen hatte? Emhandi spricht sehr reflektiert. Sie weiß, dass Menschen, die in Europa aufgewachsen sind, die Geschichte nur schwer verstehen können.

Mit einem fast belustigten Lächeln versucht sie es also zu erklären: „Als ich bereit war zu heiraten, habe ich überlegt, welche Eigenschaften mir an meinem zukünftigen Mann wichtig waren.“ Sie habe einen fleißigen Mann mit gutem Herzen gewollt. Er sollte nicht zu jung sein, weil Männer in ihrem Alter ihr noch zu unreif waren. Sie wollte einen Mann, dem sie vertrauen und auf den sie sich verlassen konnte. Also holte sie Informationen über ihren Bewerber ein. Einige Familienmitglieder kannten ihn, ihr Onkel war mit ihm befreundet. So fand Emhandi heraus, dass der Mann zwölf Jahre älter war als sie, auf Mallorca als Maurer arbeitete, seiner Familie Geld schickte und ein guter Freund war. „Was ich gehört habe, hat mir gefallen und das Bild auch, also habe ich zugestimmt.“

Erst danach lernte sie ihren Verlobten kennen, als dieser zum Teetrinken kam. Sie habe sich in den Mann verliebt. Mit nur einem Treffen? Auch das erklärt sie geduldig. Sie sei nicht viel rausgekommen, ohne Auswahl und ständig neue Eindrücke verliebe man sich schnell. Außerdem sei es nach der Entscheidung besser, sich zu verlieben. „Es ist wie mit der Arbeit: Wenn du etwas ohne Liebe machst, ist die Arbeit viel schwerer. Eine Ehe ist auch viel einfacher, wenn man verliebt ist“, sagt Emhandi. Bis zur Hochzeit brauchte es wegen Problemen mit Aufenthaltsgenehmigungen zwei Jahre. In dieser Zeit schrieben sich die Verlobten Briefe, ein Telefon gab es in Emhandis Elternhaus nicht.

Ohne Familie und Sprachkenntnisse auf Mallorca

1995 zog die Marokkanerin dann in das Viertel s’Hostalot am Rande von Palma. Hier war sie zum ersten Mal getrennt von der Familie, allein in einem Land, dessen Sprache sie noch nicht konnte. Und nach kurzer Zeit schwanger. „Am Anfang habe ich viel geweint“, sagt Emhandi. Doch eine Nachbarin und ihre mallorquinische Vermieterin nahmen sich der jungen Frau an. Sie gingen mit ihr zum Arzt, die Vermieterin begleitete Emhandi und ihren Mann sogar zur Geburtsstation ins Krankenhaus. „Sie hat gesagt, ruf mich zu jeder Uhrzeit an“, erzählt Emhandi dankbar.

Wissbegierig wie eh und je, lernte die Marokkanerin schnell Spanisch, indem sie versuchte zu verstehen, was im Fernsehen gesagt wurde. Inzwischen beherrscht die 51-Jährige die Sprache fast fehlerfrei. Mit ihrem Mann ist sie bis heute glücklich. „Er ist fleißig, ordentlich und hat ein gutes Herz“, sagt sie.

Sie könnte damit auch sich selbst beschreiben, denn Emhandi arbeitet gerne und hat eine positive Grundausstrahlung. Es fällt nicht schwer, ihr zu vertrauen. Das Ehepaar hat drei Töchter und einen Sohn im Alter von 18 bis 26 Jahren. Die beiden älteren Töchter sind bereits in den Endphasen ihres Studiums, Architektur und Biochemie. Die anderen beiden sind noch auf der Schule. Emhandi ist es wichtig, dass ihre Kinder etwas in der Hand haben. „Es muss kein Studium sein, aber man sollte irgendeine Ausbildung abgeschlossen haben“, sagt sie. Die vier sprechen kaum Arabisch, aber dafür umso besser Spanisch. Auf dem Arbeitsmarkt, so hofft Emhandi, sollten sie also keine Schwierigkeiten haben.

Von der Putzfrau zur Bäckerin

Arbeit, das merkt man schnell, ist Emhandi wichtig. „Einfach nur daheim sitzen und Zeit verschwenden oder sich auf der Straße herumtreiben geht nicht. Man muss etwas tun“, sagt die 51-Jährige. Sie hat viele Jahre lang als Reinigungskraft gearbeitet. Anfangs bekam sie Hilfe vom Sozialamt, um ihre Kinder während ihrer Arbeitszeit in der Krippe unterzubringen. Dort lernte sie Tomeu Arbona kennen, der damals noch Sozialarbeiter war.

Als Arbona Jahre später die Bäckerei eröffnete, brachte Emhandi ihm einen Teller voller marokkanischer Gebäckstücke von ihr mit. Weil er in der Anfangszeit noch keine weitere Bäckerin brauchte, stellte Arbona Emhandi erst als Putzhilfe für ein paar Stunden die Woche ein. Ein halbes Jahr später durfte sie dann mitbacken. Emhandi schwärmt geradezu, wenn sie von ihrer Arbeit spricht. Sie habe gerne geputzt, sie möge es, wenn alles sauber ist. „Aber ich backe noch viel lieber.“ Die 51-Jährige hofft, hier noch lange Cocarrois und Empanadas zu backen. Ihren Platz putzt sie bis heute selbst. Wo sie arbeitet, soll alles seine Ordnung haben.

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