Das berühmteste spanische Gericht ist zugleich auch das umkämpfteste. Denn über die Herkunft der Paella gehen die Meinungen weit auseinander, und es wird heiß darüber diskutiert, was eine echte Paella nun tatsächlich ausmacht und welche Zutaten hineingehören. So richtig einig scheinen sich die Paella-Begeisterten in Spanien nur in einer Sache zu sein: Das gelbe Reisgericht, das weltweit in spanischen Restaurants mit Paprika, gefrorenen Meeresfrüchten und Zitronenschnitzen serviert wird, hat mit einer richtigen Paella absolut nichts mehr zu tun. Die klassische Paella valenciana ist - wie fast alle Gerichte der einfachen Bauern - aus dem entstanden, was gerade zur Hand war.

In der Region Valencia war der Boden von je her ergiebig und fruchtbar, er bot somit die perfekten Voraussetzungen für den Anbau von Gemüse. So waren auch Schnecken und Kaninchen nicht weit, um an den Blättern der Gemüsepflanzen herumzuknabbern, und das führte unweigerlich dazu, dass sie irgendwann in den Kochtöpfen landeten. Dazu noch die Lage der Reisfelder von Albufera, und der bescheidene Anfang der Paella war gemacht. Ihren Namen verdacht sie der paellera, einer großen, kreisrunden flachen Pfanne, in der die Paella traditionell zubereitet wird.

Ich hatte das große Glück, vor einigen Jahren an einer Meisterklasse von Rafael Vidal, dem Paella-König, teilzunehmen. Er bereitet seine Paella immer im Freien über einem Holzfeuer zu, wobei die Paellera auf einem Dreifuß (tripote) ruht, der direkt im Feuer steht. In seinem Restaurant Benissano am Stadtrand von Valencia kocht er teilweise 50 riesige Portionen Paella und bewirtet an einem Sonntagmittag bis zu 500 Personen.

Vidal ist Traditionalist und hält sich strikt an die klassischen bäuerlichen Vorbilder, aus denen das Gericht entstanden ist. Keine Paprika oder extravaganten Meeresfrüchte für Rafael. Sein Rezept besteht aus 30 Prozent Kaninchen und 70 Prozent Huhn, das in Olivenöl für 10 bis 15 Minuten angebraten wird, bis es fast durch und gut gebräunt ist. Dann fügt er garrofón (große, flache weiße Bohnen), klein geschnittene Tomaten, Safran, Paprikapulver (pimenton dulce) und Wasser hinzu.

Als nächstes bringt er alles zum Kochen, gibt noch einen großen Rosmarin-Zweig hinzu und lässt es weitere sechs bis acht Minuten köcheln. Der Rosmarin wird wieder entfernt. Dann fügt Rafael seinen Reis hinzu, den er mit einem Holzlöffel gleichmäßig ­verteilt. Sobald der alte Junge entschieden hat, dass der Reis fast fertig ist, verteilt er das Feuer, um die Hitze zu reduzieren, und lässt die Paella über gerade noch glimmender Asche ziehen, bis sie fertig ist.

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Seit über 30 Jahren ist Señor Vidal seinen Idealen treu geblieben und hat nichts an der Art der Zubereitung verändert. Die wenigen Stunden, die ich in seiner Gesellschaft verbringen konnte, haben mich von der Bedeutung und Verehrung, die dieses ­rustikale Gericht in der spanischen Küche erlangt hat, überzeugt.

Valencia produziert nahezu den gesamten Reis, der in Spanien angebaut wird. In der Region Albufera wird er seit Beginn des 19. Jahrhunderts kultiviert. Die Produktion hat sich im Norden entlang der Mittelmeerküste bis zum Ebro-Delta und im Süden bis in die Extremadura sowie nach Mallorca ausgeweitet. Der Reis, der üblicherweise für eine Paella verwendet wird, wächst in stillen Gewässern und erstreckt sich kilometerweit auf riesigen Feldern.

Allerdings wird jedes Jahr eine winzige Menge des besten spanischen Reises in einem Dorf namens Calasparra in der benachbarten Region Murcia angebaut. Es handelt sich dabei um die zwei alten Sorten Calasparra und Arroz Bomba. Der Arroz Bomba war fast ausgestorben, als Gourmetköche kürzlich seine herausragende Qualität wiederentdeckten, und nun ist er heiß begehrt.

Die beiden Sorten werden per Hand in Reisfeldern entlang des Segura-Flussufers angebaut. 400 Meter über dem Meeresspiegel verlangsamt der kontinuierliche Strom von kaltem, frischem Gebirgswasser den Reifeprozess - anders als in den ruhigen Sandbänken an der Küste. Das Ergebnis ist ein härteres Korn mit weniger Feuchtigkeit, das ein Drittel mehr Brühe aufnehmen kann, ohne dabei seine Beschaffenheit einzubüßen. Einfacher gesagt: Es nimmt mehr Geschmack auf.