Mallorca Zeitung

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Gärten für Gourmets - die Spitzenköche auf Mallorca und ihr Obst und Gemüse Marke Eigenanbau

Immer mehr Spitzenköche auf der Insel produzieren selbst die Zutaten für ihre Restaurants

Maria Solivellas. Nele Bendgens

Es gibt Modeerscheinungen in der Gastronomie, die sind überflüssig oder erledigen sich bald wieder von selbst. Aber es gibt auch solche, die wichtig sind und beibehalten werden sollten. Genau dies trifft auf die Nutzgärten zu, die mittlerweile viele Restaurants ihr Eigen nennen – auch in Deutschland und anderen Ländern. Gemüse, Obst und Kräuter aus eigener Anpflanzung verschaffen Sicherheit in Bezug auf die Herkunft und die Qualität des Produkts und machen unabhängiger von Lieferanten. Besonders wichtig ist das bei hochwertigen Restaurants. Nachhaltiges Arbeiten in Kombination mit eigenem Anbau kann sogar mit einem „Grünen Stern“ des Gastroführers Guide Michelin belohnt werden, wie auf Mallorca bei Maca de Castro und Andreu Genestra der Fall.

Wir haben einige Köche besucht, die sich aus stattlichen Gärten bedienen können, mit dessen Erträgen sie einen beträchtlichen Teil der benötigten Produkte in ihrer Küche abdecken. Und eins ist allen gemeinsam: Die hier vorgestellten fünf Nutzgärten werden alle biologisch bewirtschaftet.

Maria Solivellas. Nele Bendgens

Maria Solivellas, Ca na Toneta

Maria Solivellas war in Sachen Eigenanbau Pionierin auf der Insel. Als sie sich 2001 entschloss, ihren Job als Kultur- und Eventmanagerin an den Nagel zu hängen, um im Restaurant ihrer Familie, dem Ca Na Toneta in Caimari, als Köchin einzusteigen, begann sie parallel dazu, hinter dem Haus ihrer Mutter, zwischen Selva und Moscari, einen Garten zu bewirtschaften. Heute sind es rund 250 Quadratmeter plus einiger Areale auf benachbarten Grundstücken ihrer Schwestern Catalina und Teresa. Um die tägliche Pflege kümmert sich ein Angestellter. „Die Ernten im Frühjahr, Sommer und Herbst nutzen wir für das Lokal – das, was im Winter wächst, isst quasi unsere Familie, da das Lokal dann in der Winterpause ist“, sagt Solivellas. „Oder wir nutzen die alten Techniken wie Einkochen, Einmachen oder Einlegen.“

Für die beliebte Köchin geht es nicht alleine um die erzielten Ernten, sondern auch darum, dass sie sich dadurch permanent mit der Natur beschäftigt. Solivellas erntet selbst die Tomaten – davon hat sie alleine acht bis zehn verschiedene Sorten –, die Paprika, Bohnen oder Auberginen und nimmt sie mit ins Lokal. „Ich realisiere dadurch sehr unmittelbar die verschiedenen Jahreszeiten und weiß, was wann reif ist. Zudem wertschätzt man so viel eher die harte Arbeit der Landwirte.“ Gemüse sei auch die Basis ihrer Gerichte, somit sei ihr von Anfang an klar gewesen, dass sie sich möglichst intensiv um den Garten kümmern muss, um nicht von Lieferanten abhängig zu sein. „Damals gab es ja auch noch nicht so viele Biobauern“, sagt Solivellas.

canatoneta.com

Maca de Castro

Maca de Castro. Grupo de Castro.

Sterneköchin Maca de Castro ist kein Fan von halben Sachen, daher betreibt sie aktuell gleich fünf große Nutzgärten rund um Sa Pobla, insgesamt mit etwa 7,5 Hektar. Rührige Mitarbeiter kümmern sich dort gemeinsam mit der Landwirtin Margalida um Anbau, Hege und Pflege der Pflanzen. „Es sind wohl um die 50 verschiedene Produkte, inklusive Reis, Kartoffeln und Erdnüsse“, sagt Maca de Castro. Dazu gehören auch in Vergessenheit geratene alte einheimische Sorten, die damit sozusagen wiederbelebt werden. Der Anbau rotiert, um den Boden nicht auszulaugen.

„Alleine in diesem Jahr haben wir 16 Tonnen Kartoffeln geerntet, elf davon haben wir genutzt und den Rest verkauft“, sagt de Castro. Begonnen hat sie mit dem Anbau 2015, mittlerweile kann sie mit den Erzeugnissen ihre drei Lokale (Maca de Castro, Jardín Bistro und Andana) und den Catering-Bereich bestücken. Nur wenig muss zugekauft werden. „Ich liebe diese Unabhängigkeit, vor allem aber die hohe Qualität unserer eigenen Produkte, die wir – bis auf wenige alte Obstbäume – vom Aussäen bis zur Ernte begleiten. Wir nutzen alle Produkte so lange, wie es sie gibt. Wenn sie abgeerntet sind, ändern wir die Speisekarten.“

De Castro kann aufgrund ihrer vielen Arbeit nur am Wochenende selbst zu den Gärten fahren, aber sie ist täglich in Kontakt mit Margalida und auf dem aktuellen Stand. Nicht zuletzt wegen ihrer intensiven nachhaltigen Arbeit wurde ihr seit der Michelin-Ausgabe 2022 zusätzlich zu ihrem normalen Stern ein grüner Stern verliehen. Apropos: Auch in der Pandemiezeit lagen die Gärten trotz geschlossener Lokale nicht brach. Das Gemüse wurde an Familie, Bekannte und bedürftige Familien verteilt.

macadecastro.com

Andreu Genestra. Nele Bendgens

Andreu Genestra

Andreu Genestras großes Gartenareal mit Gemüse, Kräutern, Obst- und Olivenbäumen rund um das Hotel Predi Son Jaumell bleibt auch nach dem Umzug ins Zoëtry Hotel in reduzierter Form bestehen, denn immerhin ist dort noch sein Restaurant Senzill Bistro beheimatet. „Und wir nutzen weiterhin vor allem die Olivenbäume für unser eigenes Öl und die Weinberge für unseren Wein“, sagt Genestra. Aber auch rund ums Zoëtry hat er ein anderthalb Hektar großes Areal anlegen lassen. Im nächsten Frühjahr will er auf vier Hektar aufstocken, „um die Philosophie der Nachhaltigkeit nahtlos weiterzuführen“. Auch ihm hat sie seit der Ausgabe 2021 zusätzlich einen grünen Michelin-Stern eingebracht. Dass er all das, was er nicht aktuell verbrauchen kann, anderweitig verarbeitet, sieht man schon im blauen Kettenrondell am Eingang des Zoëtry, wo volle Einmachgläser mit eingelegtem Gemüse und Obst positioniert sind.

Im neuen Garten sind es rund 50 bis 60 verschiedene Produkte, darunter alleine sieben Aubergine-, sechs Basilikum- und 12 Chili-Sorten. Darum kümmert sich – wie auch schon in Capdepera – Genestras Vater, der sich das auch mit 70 nicht nehmen lässt. 20 Bienenstöcke ergänzen das Projekt. Trotzdem reichten die Erträge gerade einmal für 15 bis 20 Prozent der im Restaurant benötigten Produkte, so Genestra. Der Rest müsse zugekauft werden. „Viele behaupten, dass der eigene Garten ausreichen würde, aber das ist oft Marketing“, sagt er. Der Garten erlaube es ihm auch, mit den ganzen Pflanzen zu experimentieren, etwa den Blättern oder dem Strunk. Und überhaupt: Etwas Neues sei dies alles ja nicht, schon früher hätten viele große Köche ihre eigenen Gärten gehabt, nur wäre das damals noch nicht so wichtig wie heute gewesen.

andreugenestra.com

Javier Hoebeeck Nando Esteva

Javier Hoebeeck, Fusión 19

Er bekam erst letzten November seinen Michelin-Stern: Javier Hoebeeck vom Restaurant Fusion 19 an der Playa de Muro. „Aber das Thema Nachhaltigkeit spielt schon seit Längerem eine Rolle bei uns. Für unser ‚Projecte Zero‘ vermeiden wir Plastik- und Papiergebrauch, nutzen Solarenergie und haben unser eigenes Wasser. Unser neues Geschirr stammt von mallorquinischen und spanischen Keramik-Kunsthandwerkern und wir verarbeiten von Tieren alles komplett – da wird nichts verschwendet.“ Zu alldem gehört auch ein eigener Garten. Anfang des Jahres wurde ausgesät, seit April wird geerntet.

Das Gelände befindet sich nahe Alcúdia auf einem Grundstück des Fusion-19-Besitzers Juan Ávila. Dessen Grupo Bulevard gehören noch mehrere Restaurants, die ebenfalls davon profitieren. Neben Gemüse, Kräutern und essbaren Blumen gibt es dort auch schon seit Langem Bäume mit Feigen, Zitronen, Orangen, Granatäpfeln, Quitten und anderen Obstsorten. „Wir haben alleine zehn verschiedene Feigensorten, deren Reife sich zeitlich ein wenig verteilt, sodass wir eigentlich fast immer Feigen zur Verfügung haben.“ Mit Paco, dem Bauern, der sich um die etwa 450 Quadratmeter Garten und die Bäume kümmert, bespricht sich Hoebeeck auch über das von ihm benötigte Gemüse, insgesamt sind es etwa 30 verschiedene Varianten.

Nahezu alles wird vom Fusion 19, dem Gaikan und den anderen Lokalen der Gruppe direkt genutzt, der Rest wird eingemacht zu Konfitüren oder Chutneys. Auch die Karte des Fusion 19 ist nun auf die saisonalen Ernten abgestimmt, ein Gericht heißt etwa huerto (Gemüsegarten) und kombiniert Tomaten, Aubergine und Möhren. Hoebeeck holt die Gemüsekisten persönlich ab, weil er dann noch eine Zeit im Garten verbringen kann. Das entspanne ihn, sagt er.

fusion19.com

Jordi Cantó. Nele Bendgens

Jordi Cantó, Restaurants im Castell de Son Claret

Auch im Luxushotel Castell Son Claret bei Es Capdellà machte man sich schon lange Gedanken um Nachhaltigkeit, einen eigenen Nutzgarten und soziale Verantwortung. Die Lösung: Um die Bewirtschaftung kümmert sich die Stiftung Esment (früher Amadip Esment), die Menschen mit geistiger Behinderung unterstützt und auf Mallorca auch Ausbildungsprogramme, Cafés, eine Druckerei sowie andere Projekte betreibt. Die Mitarbeiter kümmern sich um die Anlage und Pflege des hoteleigenen, fast 5.000 Quadratmeter großen Nutzgartens und um die Erzeugnisse der schon existierenden Bäume, wie etwa Oliven, Feigen, Zitronen oder Orangen.

Im Februar diesen Jahres startete die Stiftung mit dem Anwachsen der Samen, die jungen Pflänzchen kamen dann Ende März auf dem Areal des Hotels in die Erde. „Es ist ein wunderbares Gefühl, mit den eigenen Produkten Gerichte zu entwickeln“, sagt Jordi Cantó, der Chefkoch des Restaurants Sa Clastra und Executive Chefkoch des Olivera. „Und wir können noch individueller arbeiten. So nutzen wir speziell bei Tomaten und Paprika je nach Gericht unterschiedliche Sorten.“ Natürlich liege der Eigenanbau im Trend, aber jenseits von Moden sei er eigentlich unumgänglich. „Um in der Küche Bioprodukte aus nächster Nähe verarbeiten zu können, ist das die beste Lösung.“ Die Überschüsse gingen in den Verkauf, manche Produkte verarbeite Esment im Auftrag von Castell Son Claret zu Chutneys oder Marmeladen. „Die Zitronen beispielsweise können wir in der Menge zu ihrer Reifezeit gar nicht nutzen, also pressen wir sie aus und frieren den Saft ein, um ihn je nach Bedarf für unsere Limonade, Zitronenkuchen oder zum Kochen zu verwenden. Und aus den Feigen macht Esment etwa Feigeneis.“ Auch hier wird verkauft, was in der Winterpause von Hotel und Restaurants erntereif ist, wie Brokkoli, Kohlsorten oder Bohnen.

castellsonclaret.com

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