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„Viel mehr Leichtsinn unter den Wanderern“

Was hat sich in den vergangenen zehn Jahren in der Gebirgslandschaft verändert? MZ-Autor Roland Otto über seine persönliche Welterbe-Bilanz

„Viel mehr Leichtsinn unter den Wanderern“

Roland Otto kennt die Serra de Tramuntana bestens. Seit September 2000 hat der MZ-Autor mit seinen Bergstiefeln auf den Wegen und Pfaden des Gebirges etwa zehntausend Kilometer zurückgelegt. Schritt für Schritt ist der heute 70-Jährige aus Alaró die Touren gewandert, deren Beschreibungen in bislang insgesamt 750 Artikeln in der Mallorca Zeitung erschienen sind. Inklusive Fotos und Karten. Deshalb darf ein Gespräch mit ihm zum zehnten Jahrestag der Erklärung der Tramuntana zum Weltkulturerbe nicht fehlen.

Wie hat sich der Gebirgszug in den vergangenen zehn Jahren verändert? Zum Guten, zum Schlechten?

Mein Eindruck ist, dass durchaus das Positive überwiegt. So wurde im Laufe der vergangenen zehn Jahre das Streckennetz des Langwanderwegs GR 221, der Ruta de Pedra en Sec, mit sechs Nebenstrecken ergänzt und dadurch erheblich erweitert. Das kommt natürlich auch den Gemeinden zugute, die an diesen neuen Strecken liegen.

Läuft man bei Wanderungen mehr Besuchern und anderen Besuchern als vor zehn Jahren über den Weg?

Der Andrang auf den Wanderwegen in der Serra de Tramuntana war schon vor Corona-Zeiten ein großes Problem. Mallorquinische Wanderführer haben deshalb schon seit Jahren vor einer „Massifizierung“ der Serra gewarnt. Im vergangenen Jahr und im ersten Halbjahr 2021 konnte ich sehen, dass während der Pandemie viele junge Mallorquiner in der Serra gewandert sind, viele von ihnen nach der Kindheit vielleicht wieder zum ersten Mal.

Wo kann man das vor allem beobachten?

Auf dem Reitweg von Erzherzog Ludwig Salvator bei Valldemossa waren und sind immer sehr viele Wanderer unterwegs. Auch die Tausender Puig de Galatzó, Puig de l’Ofre und Puig de Massanella werden an Wochenenden von Hunderten als Wanderziel angesteuert.

Wie sieht es mit der Instandhaltung und Restaurierung von ethnologischen Elementen wie zum Beispiel Köhlerplätzen, Schneehäusern aus?

Auf der Kernstrecke des GR 221 wurden einige Kulturgüter inzwischen restauriert. So sind zum Beispiel die Mühle Molí de Lluc und das Schneehaus Cases de Son Massip komplett instand gesetzt worden. In vielen Gegenden der Serra wurden auch Wanderwege und Natursteinmauern ausgebessert. Es gibt aber weiterhin noch viel zu tun.

Ist zu beobachten, dass mancherorts in der Tramuntana wieder Landwirtschaft reaktiviert wird? Oder wurden noch mehr Fincas sich selbst überlassen?

Wenn in der Serra Landwirtschaft reaktiviert wird, dann handelt es sich meist um den Anbau von Weinreben an den Abhängen und in Tälern des Gebirges. Es gibt aber einige Kooperativen, die sich dem Anbau und der Pflege von Oliven, Zitrusfrüchten, Mandeln und Johannisbrot gewidmet haben. Die Anzahl der verlassenen Fincas ist nach meiner Beobachtung eher rückläufig.

Nur wenige Wege außerhalb des Fernwanderwegs GR 221 sind verlässlich ausgeschildert – was hat sich in der Hinsicht getan? Sollte es überhaupt mehr Wegweiser geben?

Auch viele Nebenrouten in der Serra de Tramuntana wurden in den vergangenen Jahren mit Wegweisern wie Steinmännchen und Farbmarkierungen gekennzeichnet. Diese Aufgabe übernehmen meist nicht die Behörden, sondern mallorquinische Wandergruppen. Man sollte aber beachten, dass diese Wegweiser wetter- und witterungsbedingt manchmal auch abhandenkommen. Gibt es an wichtigen Stellen keine Wegweiser, sollte eine Markierung erfolgen. Zur eigenen Sicherheit sollte man stes auch eine gute Wanderkarte im Gepäck haben und sich nicht auf die teils dubiosen Wegbeschreibungen im Internet verlassen. Es gibt viel mehr Leichtsinn unter den Wanderern, die Bergrettung auf Mallorca arbeitet deshalb am Limit.

Hat der Ärger mit Wegen, die Fincabesitzer versperren, auf den Touren zugenommen? Und bei Wegen durch Schutzgebiete des Mönchsgeiers?

Dass die Sperrung von Wegen zugenommen hat, kann ich nicht bestätigen. Es gibt aber nach wie vor Fincabesitzer, die öffentliche Wege gesperrt haben, wie zum Beispiel die Bergfinca S’Arrom oberhalb von Sóller und das Anwesen Es Rafals bei Mancor de la Vall. Wenn in ausgewiesenen Schutzgebieten Wege zu Recht gesperrt sind, dann sollte man dieses Verbot auch beachten.

Wo gibt es vor allem Handlungsbedarf in Sachen Welterbe?

Sofern es nach der Corona-Krise wieder die viel beschworene „Normalität“ gibt, sollte mit dem Schatz „Welterbe“ mehr denn je sehr sorgsam umgegangen werden. Vor einem Jahr wurde bei Fornalutx ein olivo zum schönsten Olivenbaum Spaniens gewählt. Diese Wahl ist bedeutend, denn schließlich hat sich der Baum gegen gewiss sehr imposante Ölbäume aus Andalusien und Katalonien durchgesetzt. Das Alter des Baumes bei Fornalutx wird mit über 1.100 Jahren angegeben. Die Besitzer des Geländes, auf dem der Methusalem steht, haben schon seit vielen Generationen den Baum gepflegt. So eine Erfolgsgeschichte wird man nicht beliebig fortschreiben können; aber sie sollte Orientierung und Ansporn sein, das Welterbe der Serra de Tramuntana zu schützen und zu erhalten.

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