Mallorca Zeitung

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MZ-Redakteurin berichtet: Wie es sich anfühlt, mit Sant Antoni auf Mallorca aufzuwachsen

Jasmin Riera wuchs mit dem Fest im Inselosten auf. Ihre Furcht vor den „dimonis“ hat sie schon lange verloren. Was blieb, ist Leidenschaft

Der Auftakt: die Menschenmenge im Carrer Sorteta in Artà 2023 in freudiger Erwartung des ersten Auftritts der „dimonis“. B. Ramon

„Tataxin, tataxin, tataxin …“, ertönt es in den Köpfen der Bewohner Artàs, wenn der Kalender den 1. Januar anzeigt. Noch 16 Tage bis zum größten Fest des Inselostens. Lagerfeuer, gloses (Spottgedichte) und der Kampf zwischen Sant Antoni und den dimonis (den Teufeln). Mir läuft schon jetzt ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, dass am Dienstag (16.1.) ganz Artà aus voller Kehle „Assistiu a lo elogi“ (Nehmt am Lobgesang teil) singen wird. Der Boden bebt, wenn die Banda de Música zur Eröffnung des Festes aufspielt und alle artanencs einstimmig singen: „I ara per començar, digau visca Sant Antoni!“ (Und nun zu Beginn: Es lebe Sant Antoni!). Auch während ich diese Zeilen schreibe, summe ich die Melodie in meinem Kopf.

Vom Teufel gejagt

Heute genieße ich das Volksfest in vollen Zügen, aber als Grundschülerin fürchtete ich mich vor diesem Tag. Kein Wunder, denn die furchterregenden dimonis kamen, um uns mit ihren gruseligen Masken und garrots (Knüppeln) zu erschrecken. Der Schulhof von Sant Llorenç des Cardassar war plötzlich voller Teufel, die uns verfolgten. Obwohl es die Jugendlichen des Dorfes waren, die sich verkleideten, verwandelte meine kindliche Fantasie sie in Monster, die mir Böses antun wollten. Ich erinnere mich sogar noch vage daran, dass mein Vater mich, das schreiende Kind, an den Schultern packen musste, um mich zu retten. Man stelle sich vor, man ist sieben Jahre alt und wird von einem Ungeheuer gejagt, das versucht, einen mit einer Keule zu treffen. Die Mutigsten hingegen jagten den dimonis hinterher, um an ihrem Schwanz zu ziehen.

In der Schule haben wir schon früh angefangen, alles für den großen Tag vorzubereiten. Wir malten Masken, schrieben Spottgedichte und bereiteten ein großes Lagerfeuer vor. Dafür musste jede Klasse alte Kleidung und Schuhe mitbringen, die wir dann mit zerknülltem Papier ausstopften, um so lebensgroßen Figuren von Sant Antoni und den Teufeln zu basteln, die wir dann verbrannten. Sogar wenn die dimonis um das Feuer tanzten, versteckte ich mich unter den Tischen im Klassenzimmer, falls sie es sich anders überlegten.

Weißes Hemd und rotes Halstuch

Als ich in Artà in die weiterführende Schule kam, änderte sich meine Wahrnehmung des Festes völlig. Morgens roch es am 16. Januar nach Ensaimada und heißer Schokolade, nachmittags nach dem Gin-Getränk pomada und dem Kräuterschnaps herbes und abends nach botifarró und llonganissa. Schon Tage vor der revetlla, dem Vorabend des Festes, läutete die Klingel zum Klassenwechsel mit der traditionellen Musik. Sogar aus den Lautsprechern der Gemeinde tönen einige Minuten lang die Festlieder. Die artanencs und artanenques erleben Sant Antoni mit purer Leidenschaft. Es ist die Tradition selbst, der Zusammenhalt, der einmal im Jahr unter den Mallorquinern zutage tritt. Und das Gefühl der Gemeinschaft, wenn Hunderte in die Lieder einfallen.

Auch wie man sich in Artà zu Sant Antoni anzieht, ist wichtig. Schwarz zu tragen, ist tabu. Noch schlimmer sind nur Sweatshirts mit einem dimoni aus einem anderen Dorf. Es gibt eine Art Uniform: weißes Hemd, rotes Halstuch und Jeans. Und als Accessoire eine Gürteltasche für die Schnapsflasche. Wer sich anders kleidet, muss mit empörten Blicken rechnen.

Pass auf deine zehen auf!

Um 7 Uhr klingelt der Wecker. Zuerst ziehen wir unsere „Uniform“ an und bereiten das traditionelle Frühstück vor: Ensaimada und viel heiße Schokolade, um Energie zu tanken. Andere ziehen es vor, ihre Kräfte mit dem ersten herbes dolces zu stärken. Um 9 Uhr müssen wir alle auf unseren Plätzen sein. Denn dann beginnt der erste Tanz der dimonis (dieses Jahr von der Plaça del Mercat aus). Das kann eine große Herausforderung darstellen. Kinder und Erwachsene laufen um die Wette. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, sagt man. Ich erinnere mich an mein erstes Mal in der Menge. Damals kamen die Teufel aus der Straße Sorteta, einer engen Gasse. Wir waren wie Sardinen in einer Dose. Ich wäre fast erstickt zwischen den Hunderten von Menschen, die versuchten, den besten Platz zu ergattern. Viele waren so von Euphorie erfasst, dass sie nicht einmal merkten, wenn sie anderen auf die Füße traten. Tipp: Trage festes Schuhwerk.

Pomada und herbes Moyà

Sobald die Banda de Música das Fest eröffnet, ziehen der Dimoni Gros (Großer Teufel) und der Dimoni Petit (Kleiner Teufel) durch die Straßen von Artà. Wir folgen ihnen und singen die Spottgedichte. Trotz des Refrains „Volem vi, volem vi, volem vi …“ (Wir wollen Wein), sind die örtlichen herbes Moyà und die pomada die traditionellen alkoholischen Getränke. Ausgepresste Zitronen, Gin und viel Zucker – das Mischverhältnis lernt man früh genug.

Ich will nicht behaupten, dass alle Jugendlichen das tun, aber wenn man einmal das Alter von 15 Jahren erreicht hat, ist es nicht ungewöhnlich, ein bisschen – und vielleicht auch ein wenig mehr – daran zu nippen. Wer Sant Antoni als macrobotellón (Massenbesäufnis) bezeichnet, hat nicht ganz unrecht. Die Polizei greift nicht ein, wenn „Kinder“ (sagen wir zwischen 15 und 18 Jahren) mit Alkoholflaschen herumlaufen. Auch nicht, wenn sie sich vor ihren Augen betrinken.

Kampf der Dörfer

Sant Antoni bringt auch eine gewisse Rivalität mit sich. „Wir haben das beste Sant-Antoni-Fest“ ist ein typisch mallorquinischer Spruch, der schon im Kindergarten geübt wird. Ob Artà, Capdepera, Manacor oder Son Servera, alle kämpfen um den Titel. Und die Gelegenheit, sich über die Nachbardörfer lustig zu machen, sollte man sich nicht entgehen lassen. „Boti, boti, gabellí qui no boti“, heißt es in Artà (Gabellí, wer nicht mitspringt). Mit gabellins sind in diesem Sinne die Leute aus Cala Ratjada und Capdepera gemeint.

Eine Fülle von Emotionen

Nachdem die dimonis ihren ersten Umzug angeführt haben, begeben sich die artanencs zum Mittagessen, gefolgt von einer Siesta. Doch die revetlla von Sant Antoni ist noch lange nicht vorbei. Die Lagerfeuer stehen noch bevor, und die completes, der Gottesdienst. Das ist keine gewöhnliche Messe. Vielmehr verwandelt sich die Kirche in einen Festsaal. Die Banda de Música und das gesamte Dorf erschüttern die heiligen Mauern mit dem Gesang der gloses.

Am 17. Januar, am Mittwoch, stehen dann noch die Tiersegnungen und ein letzter Tanz der dimonis an. Erst dann werden wir alle gemeinsam ein letztes Mal die leicht abgewandelte glosa anstimmen: „I ara per acabar, digau visca Sant Antoni“ (Und nun zum Schluss: Es lebe Sant Antoni!). Es ist mehr als ein Fest, es ist ein Gefühl.

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