Mallorca Zeitung

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Ein Paradies für Fotografie-Fans: In einer ehemaligen Werkstatt auf Mallorca lagern Hunderte Kameras

Für Sammler ist es ein Schatz, für die Erbin vor allem Arbeit. Besuch bei Pat Aguiló und ihrer Wohnung in Palma, die voller Fotoapparate ist

Die aufgeräumte Variante: Schreibtische mit Kameras in der ehemaligen Werkstatt in Pere Garau. | FOTO: NELE BENDGENS

Es fällt schwer zu glauben, aber das, was sich in dieser von außen unscheinbar wirkenden Wohnung in Palmas Stadtteil Pere Garau findet, ist weder das Werk eines passionierten Sammlers noch das eines Messies. Seit den 60er-Jahren befand sich hier die Fotokamera-Reparatur „AIC Micromecánica“ von Fernándo Aguiló und Carlos Campins, die ab 2010 unter dem Namen Digital Repair von José Pazos weitergeführt wurde. Dieser ging im Dezember in Rente. Als er die Schlüssel an Pat Aguiló, die Tochter des Gründers, übergab, sagte er: „Du hast hier noch einiges zu sortieren.“

Wenn man sich hier so umblickt, wirkt das wie eine Untertreibung. Auf den Tischen, in den Regalen finden sich Kameras, Objektive, Zubehör. Auf dem Boden stehen Kisten, die ebenfalls bis oben mit Fotoapparaten gefüllt sind. Öffnet man eine Tür in der eng wirkenden, aber nicht gerade kleinen Wohnung, findet man: Kisten mit Kameras. Die meisten analog, einige von ihnen digital.

Hunderte Kilo an Abfällen zum Wertstoffhof gebracht

Aber Pat Aguiló versichert: „Was ihr hier seht, ist die aufgeräumte Version dieser Räume.“ Die Erbin, die als Schauspielerin unter anderem in der HBO-Serie „30 Monedas“ zu sehen ist, hat sich im Januar in ihren freien Minuten dran gemacht, das Chaos zu bändigen. Hunderte Kilo an Abfällen und unbrauchbaren Dingen habe sie schon zum Wertstoffhof gebracht, erzählt sie. Auch seien schon Dutzende Fotografen und Sammler vorbeigekommen und hätten ihr Apparate und Ersatzteile abgekauft. Und doch: Von den geschätzten 2.000 Geräten haben bislang gerade mal 80 den Besitzer gewechselt.

l Erbin Pat Aguiló mit einer Kamera aus der Sammlung. Nele Bendgens

98 Prozent der Geräte, die hier nun gerade wiederentdeckt werden, gehörten Kunden. Es sind Kameras, die mal zur Reparatur gebracht und nie abgeholt worden. Manche von ihnen sind in einwandfreiem Zustand, andere sind nicht mehr zu retten. Warum sie nie abgeholt wurden, lässt sich heute nicht mehr herausfinden. Die übrigen zwei Prozent sind Werbeexemplare, die von den Herstellern an die Werkstatt geschickt wurden. Teilweise sind sie noch originalverpackt.

In der Kindheit Werkstattluft geschnuppert

Aguiló sagt, sie habe zwar schon in ihrer Kindheit Werkstattluft geschnuppert. Wirklich Ahnung von Fotoapparaten habe sie aber nicht. Insofern seien die vergangenen Wochen ein ereignisreicher Lernprozess gewesen. Vor allem, wenn es darum ging, einzuschätzen, was für ein Gerät sie gerade vor sich habe. Viel davon laufe über Vertrauen. Aguiló sagt, sie habe von den Menschen, die sie in diesem unfreiwilligen Archiv besucht haben, hilfreiche Tipps bekommen. Nicht nur was die Bedienung der Kameras angeht, sondern auch bei der Einschätzung, wie viel Geld das jeweilige Gerät wert sein kann.

Im Gegenzug ist Aguiló nicht darauf aus abzukassieren. „Mir geht es ja vor allem darum, dass diese Fotoapparate ein zweites Leben bekommen.“ Manche Geräte gibt es für zehn Euro, andere wie eine restaurierte und voll funktionsfähige Hasselblad soll mindestens 900 Euro bringen. „Das ist immer noch ein sehr guter Preis.“

Eine Miniaturkamera der Firma Mycro. Nele Bendgens

Metzger mit Mechanik-Faible

Dass ausgerechnet Kameras vom Lebenswerk des Aguiló Senior übrig geblieben sind, ist zumindest kurios. Denn seine Leidenschaft, so erzählt es die Tochter, galt nicht in erster Linie der Fotografie. Tatsächlich war er gelernter Metzger, führte zeit seines Lebens vormittags einen Fleischerstand im Mercat de s’Olivar im Stadtzentrum.

Am Nachmittag ging es dann in die Werkstatt, die er mit seinem Geschäftspartner gegründet hatte. Dort widmete er sich aber vor allem der Drehbank, mit der er Ersatzteile herstellte. „Sein Interesse galt mehr der Mikromechanik“, erzählt die Tochter. Als sich Aguiló im Jahr 2005 aus dem Betrieb zurückzog, nahm er seine Drehbank nach Hause mit. Dort werkelte er weiter. Die Kameras derweil blieben größtenteils vergessen zurück.

Experten über Facebook gefunden

Mittlerweile habe sich die Kunde von der Existenz dieses Schatzes – vor allem infolge von Posts in verschiedenen Facebook-Gruppen – weit über die Küsten der Insel hinaus verbreitet, erzählt die Nachlassverwalterin, die neben ihrem Schauspiel-Job auch als Übersetzerin tätig ist. Sie habe bereits mit Menschen aus Großbritannien, sogar aus den USA Kontakt gehabt. Mittlerweile habe sie ein kleines Netz aus Experten aufgebaut, die sie im Zweifel kontaktieren kann.

Aguiló sagt, ewig wolle sie sich nicht mit den Kameras beschäftigen. Rund ein halbes Jahr habe sie sich dafür Zeit gegeben. In diesen Monaten wolle sie das Inventar deutlich reduzieren. Danach müsse man eben schauen, was mit den übrig gebliebenen Geräten passiert. Zur Not gebe es in Finnland ein Unternehmen, dass ihr wahrscheinlich alles unbesehen abnehmen würde.

Ganz so schnell will sie die Schätze aber nicht loswerden. Auf ihrem Instagram-Profil postet sie Videos von Fundstücken aus dem Kamera-Haufen, zu denen es interessante Geschichten zu erzählen gibt. Und man bekommt das Gefühl, dass Aguiló zwar kein leichtes Erbe zu verwalten hat, dass sie aber durchaus Spaß an ihrer neuen Aufgabe hat.

Terminabsprachen über Instagram: Pat Aguiló

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