"Der Erzherzog war körperlich abstoßend", sagt José María Sevilla. "Er litt an Akromegalie (Spitzenwuchs), einer Erbkrankheit, die im Habsburger Haus verbreitet war." Zu diesen Einsichten gelangte der pensionierte Kinder- und Betriebsarzt aus Palma/Valldemossa durch die Analyse des Autopsieberichtes der Leiche vor einigen Jahren. Der Bericht aus dem Todesjahr 1915 gebe eindeutige Hinweise auf die Erkrankung, die sehr selten ist und Anfang des 20. Jahrhundert kaum bekannt war (s. Spalte rechts): Als der 68-Jährige starb, wusste er nicht, woran er litt. Er hatte unter anderem einen stark vergrößerten Leibesumfang, auffallend große Extremitäten und verhärtete, entzündete Haut an Unterbeinen und Füßen. In seinen letzten Lebensjahren war Ludwig Salvator so gut wie unbeweglich, litt unter seinem Körpergewicht und an Gelenkschmerzen. Die ersten Jahre seines Lebens hatte er dagegen wie ein Getriebener verbracht und einen unglaublichen Aktivismus an den Tag gelegt. 70 Bücher hat er hinterlassen, er verbrachte mehr Zeit auf seinen Schiffen "Nixe I" und "Nixe II" als an Land.

Der 73-jährige Arzt Sevilla ist der Schwiegersohn von Luisa Vives Ripoll "Luigina", jüngstes von vier Kindern des Sekretärs und langjährigen Begleiters von Ludwig Salvator, Antonio Vives. Vives wurde von dem ledig und kinderlos gestorbenen Habsburger als Alleinerbe eingesetzt. Dessen Kinder und Enkel sind nun mehrheitlich im Besitz der Anwesen, die vom Erzherzog zwischen 1872 und 1901 auf Mallorca gekauft worden sind. Das kleine Imperium des kranken Romantikers besteht aus elf Liegenschaften, es umfasst einen Küstenstreifen von etwa 16 Kilometern Länge.

Rund 90 Jahre nach Ludwig Salvators Tod auf Schloss Brandeis bei Prag sollte eigentlich seine Figur neu interpretiert werden. Denn Sevillas Forschungen, die er im vergangenen Jahr der balearischen Ärztekammer vortrug, lassen nicht nur auf die körperliche Konstitution des berühmten Romantikers und Naturforschers rückschließen, Sevilla hat auch eine psychologische Analyse erstellt. "Die Krankheit hat den Erzherzog in allen Lebenslagen und -altern geprägt", sagt Sevilla. Sein gesamter Lebensstil und viele seiner Eigenheiten seien mit der Erbkrankheit und ihren Begleiterscheinungen (s. Spalte rechts) zu erklären - und natürlich auch sein ausgeprägtes Gefühlsleben. Ludwig Salvator hegte zeitlebens großen Respekt vor der Schönheit, sei es in Form einer Landschaft, einer Pflanze, eines Mannes oder einer Frau. "Die platonische Liebe, die nichtkörperliche, ist eine Grundachse in Salvators Liebesleben", sagt Sevilla. Der Weltumsegler, Sammler, Forscher, Maler und Schwärmer war zudem stark religiös. "Alles Schöne erhob er zu etwas Heiligem", sagt Sevilla, "auch dann, wenn es sich um verborgene oder innere Schönheit handelte. Verliebt war er dabei nie."

In diesem Zusammenhang interpretiert Sevilla das viel zitierte Liebesverhältnis zwischen dem Erzherzog und der um elf Jahre jüngeren Tischlerstochter Catalina Homar neu. "Beide verband eine Liebe zum Schönen, zum Heiligen", sagt er, "die Bande waren spiritueller Art, wohl kaum körperlicher." Platonische Liebe und religiöser Eifer verband die beiden, Dinge, die in der heutigen Zeit aus der Mode sind und zur Legendenbildung wenig taugen.