ýEin Fotograf zu sein, war Anfang des 20. Jahrhunderts etwas Besonderes. Mein Vater übte diesen Beruf mit Leib und Seele aus", sagt seine Tochter Magdalena Ferrer Ensenyat. Gelernt habe ihr Vater sein Handwerk von der Pike auf bei einem Fotografen in Palma. Doch sei es ihm nicht nur darauf angekommen, Menschen, Momente und Landschaften abzulichten. ýSeine Sichtweise war die eines Künstlers", sagt Magdalena. Überhaupt war die Arbeit eines Fotografen damals sehr viel umfangreicher als heute. Er musste ja nicht nur Fotos schießen, sondern anschließend die Negative im eigenen Labor entwickeln, Bilder vergrößern und retouchieren, später oftmals auch nachkolorieren. In der Eingangshalle des Hauses an der Hauptstraße von Andratx, in dem heute noch seine Tochter mit ihrer Familie wohnt, stellte Ferrer regelmäßig seine besten Bilder aus. Hier hatte sich der Fotograf auch ein elegantes Studio eingerichtet, dessen Einrichtung häufig wechselte. So wurden Vorhänge, Bilder und Möbel immer passend zum aktuellen Modetrend dekoriert. Noch mehr als auf eine passende Deko legte Ferrer jedoch Wert auf die richtige Beleuchtung. Tochter Magdalena erinnert sich, dass ihr Vater meistens mit Tageslicht arbeitete. ýIn seinem Studio waren große Fenster mit Vorhängen, durch die er je nach Bedarf durch das Öffnen und Schließen der Gardinen das Licht hereinließ", sagt sie. Magdalena war das einzige Kind des Fotografen. Sie begleitete den Vater oft bei seiner Arbeitet und lernte so ebenfalls das Handwerk von ihm. Während er in seinem Studio damit beschäftigt war, Fotos von Familien, Hochzeiten, Taufen und Kommunionen sowie Passbilder aufzunehmen, wartete auch unter freiem Himmel jede Menge Arbeit auf Ferrer. So begleitete er mit Kamera und Stativ das Geschehen in der Gemeinde, den Alltag und die Feste. Vieler seiner Fotos wurden damals in den Lokalzeitungen abgedruckt. ýEr war immer und überall zur Stelle", sagt seine Tochter. Um Politik habe er sich nie geschert, sei dafür lieber zu jedem Fest und auch zu jeder Beerdigung gegangen. Er sei wegen seiner umgänglichen und lebensfrohen Art beliebt gewesen, und weil er für jeden Dorfbewohner, egal welchen sozialen Standes, stets ein Wort übrig gehabt habe. Auch habe er sich bei Fotos von einfachen Dorfbewohnern genauso ins Zeug gelegt wie bei Arbeiten für noble Gutsbesitzer der Gemeinde. Sein berühmtester Kunde aber war wohl der spanische Schriftsteller Jacinto Benavente aus Madrid, der 1922 den Literaturnobelpreis gewonnen hatte. Das Bild des prominenten Zeitgenossen, der Andratx einst einen Besuch abstattete, wird derzeit neu gerahmt. Ferrers größte ýRenner" zur damaligen Zeit waren zweifellos seine Panorama-Postkarten. Dafür sei ihr Vater oftmals auf die Berghöhen hinter dem Dorf geklettert, erzählt Magdalena. Von dort aus habe er das Tal von Andratx in verschiedenen Abschnitten fotografiert und die Teile anschließend zu einem Foto zusammengefügt. Die Postkarten seien nicht nur bei den Dorfbewohnern beliebt gewesen, sondern wurden vor allem in den Hotels verkauft, die sich mit dem aufkommenden Tourismusboom an den Küsten der Gemeinden Andratx und Peguera auszubreiten begannen. Der Fotoband von Rafel Ferrer, den es in den meisten Kiosken im Dorf sowie im Rathaus zu kaufen gibt, bietet derzeit reichlich Gesprächsstoff im Dorf. Viele Einwohner finden auf den alten Fotos Angehörige oder Bekannte wieder. Ausländischen Zusiedlern erlaubt das Buch dagegen einen interessanten Blick in die Vergangenheit von Andratx. Es zeigt, in welchem Ausmaß sich die einst bäuerliche Gemeinde in einen kosmopolitischen, dicht besiedelten Wohnort wandelte - und wie sich der Alltag und die Lebensgewohnheiten ihrer Einwohner im Laufe weniger Jahrzehnte radikal veränderten. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Weinschau in Establiments: Deutsche sind die treuesten Kunden

Serie Dorfgasthäuser: La Miranda - Lauschiger geht´s nicht

Ausgehen! Speisen in der alten Schmiede

Immer wieder sonntags: Hotelbrunch mit Jazz-Musik

Hotelgarten mit Fahrstuhl zum Strand

Wandern: Auf den Spuren von Schmugglern und Köhlern

Golfplatz Son Gual, das ökologische Vorzeigeprojekt

Nur ein bisschen Spaß - Die Anfänge des Superyacht Cups