Über eine Auszeichnung freuen können sich dieser Tage drei Biologie-Studenten der Balearen-Universität (UIB) auf Mallorca. Gemeinsam haben sie die Vermehrung von drei Orchideenarten ­erforscht und dann ein Resümee ihrer wissenschaftlichen Daten auf einem Poster vorgestellt. Dabei handelt es sich um ihre Abschlussarbeiten für den Bachelor. Die Sociedad de ­Historia Natural de Baleares hat sie dafür mit dem Biobal-Preis für Umweltforschung aus­gezeichnet. „Wir freuen uns sehr, denn es ist eine offizielle Wertschätzung unserer Arbeit", sagt ­Joshua Borrás, einer der drei Studenten.

SEXUELLE TRICKS

Der Botanikstudent beobachtete jeweils zwischen März und Juni 2017 und 2018 die Blüten des endemischen Balearen-Ragwurz (Ophrys balearica bot., borinot kat.). Aus der Literatur war bereits bekannt, dass dieser nur von einer einzigen wilden Bienenart besucht wird: der Blattschneiderbiene (Megachile sicula). Auf die Visite dieses Insekts bereitet sich der Ragwurz aufwendig vor. Er öffnet seine Blüte kurz vor dem Zeitpunkt, an dem die weibliche Wild­biene zur Paarung bereit ist. Farbe und Form der Blüte ähneln dabei verblüffend dem Plüschhinterteil der weiblichen Wildbiene. Obendrein verströmt die Pflanze einen mit Pheromonen geschwängerten Duft. Angesichts dieser Verführungskünste ist sich der Wildbienen-Macho sicher, dass er sich mit ­einem Weibchen seiner Art paart.

Dabei gibt sich das Insektenmännchen, ohne es zu wissen, mit einer sogenannten Pseudokopulation zufrieden. Als Folge bleibt Blütenstaub an seiner Körperbehaarung kleben. Und weil - kurze Zeit später - wieder der gleiche Duft lockt, fliegt er die Blüte eines weiteren Balearen-Ragwurz an und streift dabei die Pollen ab. Diese versinken in den weiblichen Ovarien der Blüte. Der Balearen-Ragwurz zählt zu den Hermaphroditen, es handelt sich also um einen Zwitter mit männlichen und weiblichen Blütenanteilen.

Borrás erklärt, warum die Orchideen so trickreich vorgehen: Pflanzen und Tiere verfolgen bei der Bestäubung jeweils eigene Interessen. Deshalb besteht meistens ein Austausch mit Gegenleistung. Die Pflanze wird bestäubt, dafür gibt sie dem Tier Nahrung in Form von Nektar. Dessen Produktion kostet die Pflanze jedoch Energie, die sie besser in die Entwicklung von Samen investieren kann. Und so kommt es, dass Pflanzen energiesparend Farbe und Duft von anderen Spezies imitieren und Insekten anziehen, ohne ihnen eine Gegenleistung anzubieten. Etwa 40 verschiedene Orchideen wachsen auf den Balearen, acht von ihnen operieren mit sexuellen Tricks.

DIE FELDFORSCHUNG

Der aus Palma de Mallorca stammende Borrás verfolgte den Verlauf der Blüte der Ophrys balearica, wie schon erwähnt, in zwei aufeinanderfolgenden Zyklen in Habitaten, die für das Vorkommen von Wildorchideen bekannt sind: im Naturpark Mondragó bei Santanyí, in der Umgebung von Capdepera, im Park des Castell de Bellver sowie in Na Burguesa. Nur ein einziges Mal konnte er in all den Monaten dabei zusehen, wie die Blattschneiderbiene mit der Blüte der endemischen Orchidee kopulierte. „Ich habe mehrmals Exemplare dieser Wildbienenart auf dem Boden krabbeln sehen, dort legen sie ihre Eier und ziehen ihre Brut auf. Nur ein einziges Mal konnte ich Macho und Blüte mit Sicherheit bestimmen", sagt der Botaniker. Danach stillte das Insekt seinen Hunger an den Blüten von Zistrosen und Margariten in der Nähe, diese Stauden wachsen häufig unweit wilder Orchideen.

IM LABORATORIUM

Außerhalb der Blühzeit konzentrierte sich Borrás auf die Samen des Balearen-Ragwurz. Einen Einblick in seine Arbeit gibt eine Makroaufnahme, die er im Labor der UIB zeigt. Weil die Samen mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, liegen sie unter einer Lupe.

Einige von ihnen sind transparent, es handelt sich um leere Samenhüllen, wiederum andere sind gefüllt, sie enthalten Embryos. Das Fazit seiner Untersuchungen: Weil die Pflanze nur wenig Besuche von einer einzigen Insektenart erhält, gestaltet sie die Samenbildung besonders effizient.

In seiner Arbeit nutzte er vergleichende Beobachtungen. Sein Studienkollege Miquel Capó konzentrierte sich auf das Langspornige Knabenkraut (Anacamptis longicornu). Auch diese Orchideenart bietet seinen Besuchern keine Gegenleistung. Die Samenproduktion ist jedoch von hoher Qualität. Sebastià Perelló beschäftigte sich im gleichen Zeitraum mit dem Wanzenknabenkraut (Anacamptis coriophora). Diese Orchidee bietet mehreren Insektenarten Nektar an, bildet jedoch weniger fruchtbare Samen.

Die drei Botaniker markierten die Horste der Orchideen mit GPS und konnten dadurch zwei Jahre lang beobachten, dass Pflanzen, die an Rändern von Pflanzengruppierungen wachsen, häufiger von Insekten besucht werden als diejenigen in der Mitte eines Areals. Von Blüten umringt, fühlen sich Wildbienen nämlich bedrängt, sie machen kehrt und fliegen zu einer anderen Gruppe. Das erhöht die Samenqualität. Wenn Pollen von Pflanzen aus direkter Nachbarschaft stammen, enthalten sie weniger genetische Vielfalt, als diejenigen von Pflanzen, die entfernt wachsen.

„Nach der Blüte sterben diese Arten nicht ab", sagt Borrás. Das Wort Orchidee ginge auf das griechische orchis für Hoden zurück. Die Nährstoffe würden in zwei Taschen gespeichert, eine davon ist ein Ersatzlager. Im Herbst bilden die Orchideen bereits am Boden Blätter. Zur Stängel- und Blütenbildung kommt es dann im kommenden Frühjahr nach ausreichenden Niederschlägen.

Die Forscher säten die untersuchten Samen am ursprünglichen Standort der Pflanzen wieder aus. Denn im Labor lassen sich diese Orchideenarten nicht züchten. Die wilden Einheimischen können nur dann erfolgreich gedeihen, wenn ihr Samen auf dem Geflecht eines Bodenpilzes landet, mit dem sie in Symbiose leben. Die Pflanzen vermehren sich bevorzugt durch Samen, es kann jedoch auch zur Bildung unterirdischer Sprossknollen oder von Rhizomen kommen.

Wilde Orchideen sind durch Bebauung sowie in den Bergen durch Ziegenfraß gefährdet. Laut Borrás sind die hier erwähnten drei Arten jedoch nicht mehr wie früher geschützt. Vom Aussterben bedroht ist unter den einheimischen Orchideen nur das Sumpfknabenkraut (Orchis palustris bot., orquídia de prat kat.). Es wächst im Naturpark Albufera und auf dem einst geplanten, aber bisher nicht realisierten Golfplatz Son Bosc bei Muro und ist in den Katalog der vom Aussterben bedrohten Arten aufgenommen worden.