Mallorca Zeitung

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Drei Stunden Nonstop-Show und danach Abhotten: So geht es im neuen Lío auf Mallorca zu

Nach den Umbauarbeiten im früheren Tito’s ist der Nachfolger nun fertig. Die MZ hat vor dem Start schon mal vorbeigeschaut

Im Lío auf Mallorca wird vor allem viel gesungen. BIEL GRIMALT

Tito Cungi würde vermutlich Luftsprünge machen, wenn er noch könnte. Der Italiener, der just vor 100 Jahren, 1923, sein Restaurant „Tito’s“ am Paseo Marítimo in Palma eröffnete, ist natürlich längst tot. Aber seine Philosophie, die Gäste während des Abendessens mit einer Show zu unterhalten, lebt an derselben Stelle ein Jahrhundert später wieder auf. Am Donnerstag (3.8.) eröffnet im einstigen „Tito’s“ das neue Lío Mallorca. Lío bedeutet im Spanischen so viel wie Unordnung oder Chaos, durchaus auch mit schlüpfrigen Konnotationen. In diesem Fall gilt: Nomen est omen.

Um zu verstehen, was es mit dem Lío Mallorca auf sich hat, treffen wir uns mit Julia Birzele. Die 38-Jährige aus der Gegend von Ulm ist Executive Manager der Pacha Gruppe, zu der Lío gehört, und Global Brand Manager der Lío-Gruppe. Sie war in den vergangenen Wochen zuständig dafür, dass bis zur Eröffnung am Donnerstag jedes Rädchen ins andere greift. Birzele arbeitet eigentlich in London, wo Lío neben Ibiza, Mykonos und jetzt auch Mallorca den vierten Standort betreibt.

Leicht bekleidete Damen gehören zur Philosophie von Lío. | FOTO: BIEL GRIMALT

Auf dem Lío Mallorca liegen große Hoffnungen der Gruppe, wie Birzele erzählt. „Das Potenzial auf Mallorca ist enorm, das Nachtleben auf der Insel bisher eher langweilig.“ Vor allem wenn man es mit der Nachbarinsel Ibiza vergleiche. Sie wisse von vielen Mallorquinern, die zum Feiern einen Abstecher nach Ibiza machten.

Auch auf die US-Kunden setzt Lío

Für Mallorca spreche die deutlich längere Saison im Vergleich zu Ibiza. Außerdem gebe es mehr Incentive-Veranstaltungen von Firmen, die potenzielle Kunden sind. Hinzu kämen die direkte Flugverbindung von Palma nach New York und damit zahlreiche weitere mögliche Kunden. Die Varieté- und Gesangsshow „Simply the Best“ soll zwischen Mai und September angeboten werden. Geplant ist, zumindest den Club in dem Komplex ganzjährig zu öffnen. Im selben Raum kann man dann nach der Show zu verschiedenen DJs tanzen.

Bereits 2019 habe man die Immobilie zum Kauf angeboten bekommen, damals aber davon abgesehen, weil Lío nicht auf Eigentum aus ist, sondern die Clubs lediglich mieten und betreiben will. Als dann die mallorquinische Schuhmarke Camper 2020 weite Teile der Plaça Gomila und unter anderem auch das Tito’s kaufte, war der Weg frei für Lío. Zehn Monate haben die Umbauarbeiten gedauert, ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag soll in die Hand genommen worden sein, der nicht offiziell bestätigt wird.

Fünf Bereiche, Mehrere Levels

Da das Gebäude denkmalgeschützt ist, fanden an der Fassade keine einschneidenden Änderungen statt, erklärt Birzele. Dafür wurde der Club innen komplett entkernt und neu gestaltet. „Wir haben vor allem die Ebenen zurückgewonnen“, sagt Birzele.

Auch ein Clown tritt bei der Show auf, der sich aber schnell in einen lasziven Tänzer verwandelt. Biel Grimalt

Fünf Bereiche auf unterschiedlichen Levels gibt es im neuen Lío, das beim Ortsbesuch der MZ am Freitag (28.7.) noch reichlich nach Baustelle aussieht. Birzele behielt aber die Ruhe: „Ich habe schon 13 Eröffnungen mitgemacht, und nie war Tage vorher schon alles fertig.“ Auf der Bühne steht eine Verantwortliche der Gruppe, die rund 140 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerade einen Kurs zur Arbeitssicherheit erteilt.

Preise ab 200 Euro pro Person

Aufgrund der Bauarbeiten am Paseo Marítimo müssen die Besucher der Show in dieser Saison den Eingang an der Plaça Gomila nutzen. Dort darf wegen der Anwohner nachts aber kein Lärm entstehen, weshalb die Gäste dann den Ausgang über den legendären Aufzug an der Fassade zum Paseo Marítimo nutzen. Besucher, die nach der Show in den Club wollen, der die ganze Nacht geöffnet ist, tun das ausschließlich über den Aufzug. Auch aufgrund der Neugestaltung des Paseo Marítimo und der damit verbundenen Unannehmlichkeiten will man dieses Jahr erst einmal langsam angehen.

Eine der Vorspeisen: das Foie. Biel Grimalt

Wobei die Erwartungen hoch sind. Kaum hatte das Eröffnungsdatum festgestanden, gingen die Buchungen ein. Inzwischen gibt es sowohl im August als auch im September nur noch für ausgewählte Termine einzelne Plätze. Und das bei Preisen ab 200 Euro pro Person. So viel muss ein Gast der Show mindestens im Lauf des Abends verzehren.

Karte von Sternekoch Andreu Genestra kreiert

Die Preise der von Sternekoch Andreu Genestra zusammengestellten Karte lassen sich denn auch sehen. „Aber da ist ja die Show miteingerechnet, die nicht extra kostet“, erklärt Julia Birzele. Wer nur einen Drink nehmen, aber trotzdem die Show sehen möchte, zahlt 60 Euro, sitzt aber dann nicht unten an den Tischen, sondern in einer der Ebenen über der Bühne mit teilweise eingeschränktem Blick.

Das Essen wird sehr appetitlich dargereicht. Biel Grimalt

Die MZ schaut dagegen auch in die Umkleidekabine der Künstlerinnen und Künstler, in die Julia Birzele den Reporter vorab mitnimmt. In dem Raum hängen bereits Dutzende Kleider und Gewänder, alle eigens für die Show entworfen und hergestellt.

Was die Gäste geboten bekommen

24 Künstler sind während des dreistündigen Spektakels auf der Bühne zu sehen. Gecastet wurden sie vor allem von Joan Gràcia, einem alten Hasen in der Kulturszene auf Mallorca. Gràcia ist Mitbegründer des im Dezember 2022 aufgelösten Kabarett-Trios Tricicle. Die Lío-Gruppe hat ihn als künstlerischen Leiter verpflichtet.

Unter denen, die auf der Bühne stehen, ist auch die mallorquinische Opernsängerin Mar Vives, die unter anderem das „Nessun dorma“ aus der Puccini-Oper „Turandot“ im eleganten Abendkleid von einem erhöhten Platz über den Tischen schmettert.

Ein Spektakel für (fast) alle Sinne

Die MZ darf schließlich auch beim Soft Opening am Dienstagabend bereits die Show besuchen – ein Spektakel mit ständigen Reizen für Auge und Ohr sowie die Geschmacksnerven. Ein Act jagt den anderen, auf der Bühne wird vor allem gesungen. Man kommt kaum zum Essen geschweige denn zum Reden mit den Tischnachbarn.

Die Stunden verstreichen wie im Flug, je später, desto mehr beteiligt sich das Publikum, einzelne Gäste werden auf die Bühne gebeten. Die Show ist deutlich gesangsdominiert, Varieté und Cabaret sind eher unterrepräsentiert. Und erotisch wird es dann gegen Ende tatsächlich, als eine nahezu nackte Frau von einem Tänzer mit Farbe übergossen und abgeleckt wird.

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