ALEXANDRA WILMS.

Für einen Augenblick kommt gar ein wenig Gänsehaut auf, als ­­„Capità Angelats“ die Bauern auf der Plaça de la Constitució mit heiserer Stimme zum Kampf gegen die angreifenden Piraten aufpeitscht: Bis auf das Mikrofon könnte sich diese Szene am 11. Mai 1561 genauso abgespielt haben. An jenem Tag gelang es der Legende zufolge 400 unerfahrenen Bauern, unter der Führung des besagten capità den Angriff von 1.700 maurischen Piraten abzuwehren. Den heroischen Sieg ihrer Vorfahren nehmen die sollerics zum Anlass, es beim Dorffest „Es Firó“ im wahrsten Sinne des Wortes krachen zu lassen. Jahr für Jahr, am Montag nach dem zweiten Maiwochenende.

Die Dorfbevölkerung teilt sich dazu in zwei Gruppen: die Darsteller der Piraten und die der wehrhaften Bauern. Beide zeigen Flagge: Weißer Halbmond auf rotem Grund steht für Piraten, rotes Kreuz auf weißem Stoff für die Bauern. Kleine und auch große Jungs kommen in Sachen Knallerei voll auf ihre Kosten. Besucher sollten auf jeden Fall Oropax mitbringen, andernfalls droht schon nach wenigen Minuten ein Hörsturz: Die Böller, Knaller und Salvenschüsse, für die das Rathaus freigiebig Schwarzpulver verteilt, explodieren im Sekundentakt.

Nach der Ansprache des Capità macht sich die Bevölkerung auf zum Hafen. Die weibliche Dorfjugend, die in ihren Bauerntrachten ganz entzückend anzuschauen ist, stürmt die Waggons der Tram und singt unterwegs „Volem pagesos, pagesos ben plantats“ (Wir wollen gut gewachsene Bauern).

Im Hafen versuchen die Piraten, mit Booten an der Platja de Can Generós im Osten der Bucht anzulanden, werden aber von mit Holzstöcken bewaffneten Bauern zurückgedrängt. Eine Stunde später folgt der zweite Angriff an der Platja d‘en Repic im Westen. Dort kommt es zu einer großen Schlacht, die von Rauchbomben und den unvermeidlichen Böllerschüssen begleitet wird.

Die guten Klamotten sollten Zuschauer zu Hause lassen. Denn das größte Vergnügen der Piratendarsteller, die sich Gesichter, Arme und Beine mit Schuhcreme anmalen, besteht darin, die Dorfmädchen durch intensiven Körperkontakt ebenfalls zu schwärzen. Und auch vor zuschauenden Touristen machen die Piraten nicht halt. Und so quietscht manch französische Urlauberin ebenso vergnügt wie die einheimischen Grazien, wenn ein Maure sie innig umarmt. Es ist der einzige Ausgleich dafür, dass die Piraten dem kämpfenden Bauernvolk Jahr für Jahr aufs Neue unterliegen müssen.

Im Anschluss an die Schlachten am Strand begeben sich alle wieder nach Sóller – zu Fuß, die Tram fährt am Nachmittag nicht mehr. Der rund vier Kilometer lange Marsch dient dabei als kurze Ausnüchterung – Bier und hierbas dulces fließen bei den Schlachten in Strömen.

Den feierlichen Höhepunkt bietet gegen 21 Uhr die finale Schlacht vor der Kirche von Sóller, in der die Piraten dann endgültig besiegt werden. Danach stimmen die Bauern „La Balanguera“, die Hymne Mallorcas, an – und feiern bis in die Morgenstunden mit den „unterlegenen“ Mauren.  

 

Anfahrt:

 

Das Auto entweder an der Hauptstraße parken oder direkt bis nach Port de Sóller fahren. Die Tram zwischen Sóller und dem Hafen fährt am Nachmittag aber nicht mehr. 

 

Alternativen:

 

Feste in Pollença und Santa Ponça

In zwei weiteren Küstenorten werden ebenfalls historische Schlachten nachgespielt. In Pollença gedenkt man jedes Jahr am Tag der Stadtheiligen Mare de Déu dels Àngels (2. August) des Kampfes gegen maurische Piraten, die am 30. Mai 1550 den Hafen und den Hauptort stürmten, von den Einheimischen aber erfolgreich in die Flucht geschlagen wurden. Der Ablauf des Festes ist mit dem in Sóller vergleichbar, das detaillierte Festprogramm wird zeitnah auf www.culturapollensa.com veröffentlicht.      

In Santa Ponça hingegen wird Anfang September die Eroberung der Insel durch Jaume I. gefeiert. Im Jahr 1229 stach der König von Aragón und Valencia vom Festland aus mit einer Flotte in See, um Mallorca von der Herrschaft der Mauren zu befreien. Am 9. September ging er mit seinen Truppen bei Santa Ponça an Land und besiegten die muslimischen Besatzer nach langen Kämpfen. Das vollständige Programm der „Fiestas Rei En Jaume“ ist ab Mitte August auf www.calvia.com zu finden.