Die Stimmen hallen in den riesigen Ausstellungsräumen. Auf dem Boden liegen Plastikfolien und Kartons, es wird gebohrt und gehämmert. Der Countdown läuft: In zwei Tagen, am 5. November, wird die Ausstellung eröffnet. Mitten drin: Patricia Asbæk, die Hausherrin. Sie gibt Anweisungen, welches Bild wo hängen soll. Und wie genau. Sie packt mit an, reißt Verpackungen von den Bildern, schleppt und hebt die Werke – trotz kürzlicher Schulteroperation. Sich schonen? Kommt nicht in Frage: Kunst ist ihr Leben.

Vergangenen Monat war sie in Sachen Kunst fast pausenlos unterwegs: Zum „Art Forum Berlin", zur „Frieze" in London, zur „Fiac" in Paris. Beim „Art Forum Berlin" ist sie Mitglied des Vorstands. „Dazwischen war ich immer nur zwei Tage zu Hause in Kopenhagen." Ihre Augen strahlen vor Begeisterung, als sie die gerade ausgepackten Schätze zeigt. Sie sind Teil von AFM, der Art Foundation Mallorca. Private Investoren und Firmen haben mit ihren Geldern eine hochkarätige Kunstsammlung geschaffen. 70 dieser Werke von 50 Künstlern zeigt das CCA bis zum 31. März in einer Ausstellung. Darunter sind Werke des Deutschen Jan Albers, des Brasilianers Ernesto Neto, des Italieners Toni Matelli, des Griechen Jannis Varelas oder der Dänin Sofie Bird Moller. Auch Größen wie Albert Oehlen und Jonathan Meese sind in der Sammlung vertreten. Die Herrin über eines der größten privaten Kulturzentren Europas (über 4.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche) hat auf Mallorca ihren Traum verwirklicht: eine Begegnungsstätte für Künstler und Kunstinteressierte. Sie vergibt Stipendien an Künstler aus aller Welt. Dafür stehen vier Apartments zur Verfügung. Jeweils einen Monat können die Kreativen – 40 bis 50 pro Jahr – dort umsonst leben und arbeiten.

Das Programm hat sich längst herumgesprochen, die Nachfrage ist groß: Bis Ende 2011 ist alles ausgebucht. „Hier können sie sich gegenseitig inspirieren und vergleichen. Gerade haben wir einen indischen Künstler hier. Dass einige der besten jungen internationalen Kunstschaffenden hierher kommen, ist unser größter Erfolg. Manchmal sind die Leute in einer Schaffenskrise. Die Umgebung hat schon einigen geholfen, sie sind danach richtig durchgestartet." Angela Rosenberg und Cosima von Bonin gehören zu den früheren Teilnehmern und den Erfolgsgeschichten. Die deutsche Kunstszene begeistert Patricia Asbæk, der enge Kontakt zu den Künstlern ist ihr wichtig: „Es gibt darunter viele internationale Talente." Auch unter den spanischen Künstlern? „Spa­nien hat einige der größten Museen und in seiner Geschichte einige der berühmtesten Künstler. Leider drehen die Spanier sich derzeit ein wenig um sich selbst." Patricias Liebe zur Kunst wuchs früh: „Sie hat mich schon als Kind interessiert, ich war davon umgeben. Mein Stiefvater war Sammler." Die Tochter einer Französin und eines Dänen wurde in Marokko geboren, ihr Vater war dort Direktor einer Ölfirma. „Meine Mutter starb, als ich ein Kind war. Ich wuchs in Internaten auf." Mit 15 besuchte sie bereits die „École du Louvre" in Paris, eignete sich dort Grundlagen an. Ihre eigentliche Heimat Dänemark lernte Patricia erst mit 19 während einer Reise richtig kennen. Kurz darauf traf sie dort ihren künftigen Mann Jacob – und blieb für immer: „Er war Mediziner. Und Künstler mit dem Schwerpunkt Skulpturen."

Jacob Asbæk gab die Medizin auf, konzentrierte sich ganz auf die Kunst. Gemeinsam gründete das Paar vor 40 Jahren die Galerie Asbæk. Sie ist längst zur Top-Adresse für moderne Kunst geworden. Woran sie erkennt, ob ein Künstler eine Zukunft hat? „Ich sehe es einfach. Natürlich gibt es Kriterien. Sie müssen zum Beispiel etwas ganz Eigenes, Besonderes haben." Ihr Gespür ist wichtig für Investoren. Denn längst sind Kunstwerke bei vielen beliebter als Aktien: „Der Wert eines Werkes bleibt. Und in vielen Fällen steigt er auch noch erheblich." Das CCA gibt es seit 2001. „Es war Jakobs Idee, einen Ort zu gründen, an dem sich Künstler und Kunstliebhaber treffen können. An dem wir kuratierte Ausstellungen machen. Das war 1991. Schon vor 20 Jahren kamen wir nach Mallorca, kauften hier ein Grundstück. Darauf entstand das CCA." 1998 begannen die Asbæks mit dem Bau, 2001 war Eröffnung.

Profit war nie geplant. „So hohe Verluste allerdings auch nicht." Dass Spanier selten kommen, Behörden sich nicht gerade kooperativ zeigen, findet Patricia Asbæk schade: „Ich glaube trotzdem, dass die Wahl des Standorts richtig war. Mallorca ist für jedermann gut und recht günstig zu erreichen. Es ist ein recht demokratischer Ort." Warum das Zentrum von öffentlicher Seite nicht so gewürdigt wird, wie es das verdient? „Auf Mallorca denkt man leider etwas zu regional. Internationale Künstler weiß man hier nicht so zu schätzen. Generell ist Kunst leider auch nicht das Thema, das die Masse der Menschen am meisten interessiert. Ganz anders als Sport."

Man müsse ein Auge für Kunst haben, gewisse Dinge darüber wissen. Einige Länder seien sich dessen bewusst: „Deutschland tut viel für die Kunsterziehung. Wenn ich dort Museen besuche, sehe ich Scharen von Kindergruppen, die spielerisch auch Theorie lernen. In Dänemark fehlt das. Kunst wird dort nicht als etwas Besonderes gesehen. Man glaubt dort, jeder sollte in der Lage sein, einen Batzen Ton in die Hand zu nehmen und etwas zu gestalten. Das ist gut. Aber zusätzlich muss es ­theoretischen Unterricht geben." Die eigene Familie scheint Kunst im Blut zu haben: Auch Sohn Martin betreibt eine Galerie in Kopenhagen.

Das CCA Andratx ist derzeit von Dienstag bis Freitag von 10.30 bis 16 Uhr geöffnet. Die Zufahrt ist von Andratx aus beschildert.

In der Print-Ausgabe lesen Sie außerdem:

- Im Gespräch: Sky du Mont

- Nach dem EInsatz inAfghanistan nach Mallorca

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