Immer wenn der körperliche oder der seelische Schmerz zu stark werden, zieht sich Iván Pastor in seine eigene Welt zurück. Dann setzt er sich im Schneidersitz in sein Bett, schließt die Augen und denkt - an absolut nichts. La mente en blanco, heißt das fast ein wenig poetisch auf Spanisch. Dann ist der 13-jährige Junge aus Palma wieder im Reinen mit sich und der Umwelt. Dabei hätte er Grund genug, mit seinem Schicksal zu hadern. Iván aber hat sich für einen anderen Weg entschieden, den der Meditation. Er sagt: „Ich danke der Welt, dass ich hier sein darf."

Der Junge mit den dunklen Haaren und der hellen Haut hat Krebs. Aber nicht die bei Kindern weiter verbreitete Leukämie. Iván leidet an einer höchst seltenen Form der sogenannten Histiozytose in Verbindung mit einer Degeneration des Nervensystems. Auf Mallorca ist Iván nach Angaben seiner Mutter Marilen Villalonga das einzige Kind mit dieser Diagnose, europaweit gibt es ihres Wissens nach nicht viel mehr als eine Handvoll Fälle. So dauerte es quälend lange sieben Jahre, bis die Eltern tatsächlich wussten, was der ältere ihrer zwei Söhne genau hat.

Der Leidensweg von Iván begann mit etwa eineinhalb Jahren. „Plötzlich bildeten sich am Kopf überall kleine Verletzungen, wie Grinde, die immer wieder aufplatzten", erzählt Mutter Marilen. Was die Eltern und die Ärzte damals noch nicht wussten: Diese Verletzungen verursachte der Krebs, der in der seltenen Form, die Iván hat, zunächst die Haut angreift und dann in den Körper wandert, wo er sich über das Blut verbreitet. Die Ärzte auf Mallorca hatten mit einer solchen Krankheit nie zu tun gehabt, die Diagnosen schossen alle komplett am Ziel vorbei. „Sie hatten so etwas eben noch nie gesehen", sagt Marilen Villalonga. Sie hegt keinen Groll gegen die Ärzte auf der Insel.

Eines Tages heilten die Verletzungen an der Haut ab, die Ärzte dachten, das Problem wäre gelöst. Nur Marilen Villalonga blieb skeptisch. Und am Tag der Sant Sebastià-Feiern im Jahr 2006 brach die Krankheit wieder aus. Iván beklagte plötzlich großen Durst. „In weniger als einer Stunde trank Iván drei Liter Wasser, und musste dementsprechend ständig auf Toilette gehen", erinnert sich Marilen Villalonga an jenen Abend vor genau zehn Jahren.

Wieder stocherten die Ärzte auf Mallorca im Trüben, diagnostizierten unter anderem Diabetes und Pfeiffersches Drüsenfieber. Iván wurden die Mandeln herausgenommen, alle Krankheiten, die im Kindergarten herumgingen, legten den Jungen wochenlang flach. Ein Krankenhaus in Barcelona diagnostizierte nun zwar bereits einen Tumor in der Hypophyse, einer Hormondrüse im Gehirn, und verordnete eine Chemotherapie. Erst die Ärzte in einer Klinik in Boston aber stellten die richtige Diagnose. „Das bedeutete für uns, zweimal drei Monate in den USA zu leben", erzählt Mutter Marilen. Mit der Behandlung von Iván kamen Kosten von rund 250.000 Euro zusammen - „neben unserer Wohnung unsere zweite Hypothek", wie es Villalonga nennt.

Dank der Hilfe einer Fluglinie, die alle Flüge von Mallorca nach Boston übernahm und von Spielern eines großen spanischen Fußballclubs, die die Miete in Boston bezahlten, konnte die Familie den Kraftakt stemmen. In den USA wurde dann festgestellt, dass der Zustand von Iván noch weitaus ernster war, als in Spanien angenommen. Doch die Familie hat die Hoffnung, dass die Forschung dort in den nächsten Jahren die Krankheit besser verstehen lernt und die Verschlechterung von Iváns Gesundheitszustand zumindest aufhalten kann.

Beim Stichwort „Boston" kehrt plötzlich das Leben in den geschwächten Körper von Iván zurück. Hatte er weite Strecken des Gesprächs eher nachdenklich zugehört, glänzen nun seine Augen. Er lacht über das ganze Gesicht. „Boston war fantastisch, eine tolle Stadt. Wir haben sogar die spanische Nationalmannschaft dort bei einem Länderspiel gesehen", erzählt er.

Heute - am Tag des MZ-Besuchs - gehe es ihm ohnehin gut, sagt der Junge. Auf einer Skala von null bis zehn habe er lediglich Schmerzen im Bereich von fünf bis sechs. An manchen Tagen rede er gar nicht, erzählt Iváns Mutter später, als sein Vater den Jungen zum Nachmittagsunterricht in die Schule bringt. „Er interessiert sich so für Naturwissenschaften. Wir versuchen immer, dass er diese Stunden möglichst besuchen kann." Vormittags schafft der Junge das kaum. Durch die Medikamente und die jahrelange Chemotherapie ist er oft so geschwächt, dass er bis 12 Uhr braucht, bis er einigermaßen aufnahmefähig ist. Das Bildungsministerium schickt regelmäßig Lehrer zu Iván nach Hause. Er ist ein sehr guter, interessierter Schüler. „Unser Glück ist, dass er hochbegabt ist. Durch seinen hohen IQ dauert der Prozess des Verfalls im Gehirn deutlich länger als bei anderen Kindern", erzählt Marilen Villalonga.

Dank der Medikamente ist Iváns Zustand derzeit einigermaßen stabil. Neben dem Gehirn hat die Krankheit auch den Bewegungsapparat des Jungen schwer angegriffen, Iván kann kaum fünf Schritte ohne Hilfe laufen. Die Familie besitzt lediglich einen manuellen Rollstuhl, um sich eigenständig fortbewegen zu können braucht Iván einen elektrischen, für den derzeit gesammelt wird.

Die 7.000, 8.000 Euro sind fast schon zusammengekommen. In den vergangenen Wochen wurden unter anderem eine Motorrad-Sternfahrt und ein Zumba-Event zugunsten von Iván organisiert. Mutter Marilen ist gerührt über diese Initiativen: „Meistens kennen uns die Leute gar nicht persönlich. Aber sie werden auf unseren Fall aufmerksam und bieten über unsere Facebook-Seite Hilfe an." Wie lange Iván noch so leben kann wie derzeit, weiß niemand. Prognosen gibt es keine, sein Zustand kann sich jederzeit dramatisch verschlechtern. „Wir leben im Heute und Jetzt, morgen existiert für uns nicht", sagt Marilen Villalonga.

Kontakt über Facebook: ayudaivanpastor