Mal zusammen in die Kneipe gehen, mal zusammen kochen, mal Fußball spielen oder in der Küche quatschen - es ist eigentlich ein ganz normales WG-Leben, das Fernando Olivers in den vergangenen Monaten mit seinen Zimmermietern in Palma de Mallorca geführt hat. Aber noch ein bisschen interessanter. Er weiß jetzt, wie man das Teiggericht arepa zubereitet, kennt südamerikanische Gepflogenheiten und hat aus erster Hand gehört, wie schlimm es für Menschen ist, die sich in ihrer eigenen Heimat nicht sicher fühlen: Seine Mitbewohnerin kommt aus Venezuela, sein Mitbewohner aus Kolumbien. Beide sind als Flüchtlinge nach Spanien gekommen. „Ich hatte vom Roten Kreuz gehört, dass viele Flüchtlinge Probleme haben, Wohnungen zu finden und wollte helfen. Letztlich hat es mich selbst bereichert", sagt Fernando Oliver.

So kam ihm die Idee: Warum nicht auch andere dazu motivieren, diese Erfahrungen zu machen? Immerhin bringt die in Deutschland gegründete Non-Profit-Organisation „Flüchtlinge Willkommen" schon seit Jahren Einheimische und Geflüchtete zusammen - und kämpft dort wider den Stimmungsumschwung in Teilen der Gesellschaft weiter für eine gelebte Willkommenskultur. Und auch in Madrid und Barcelona sind unter dem spanischen Ableger „Refugees Welcome" bereits 50 Wohngemeinschaften entstanden.

Carlos Martín war sofort begeistert von der Idee, „Refugees Welcome" auch auf den Balearen zu etablieren. Er kennt Fernando Oliver von der Plattform Les Balears Acollim, die seit Jahren für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen auf den Inseln eintritt. Noch ist das Projekt im Aufbau, schon in den kommenden Monaten hoffen die Initiatoren auf die ersten Zusammenführungen von WG-Willigen auf

Mallorca - genau nach dem deutschen Vorbild. „Gerade hier auf der Insel, wo der Wohnungsmarkt so überlastet ist, ist das Konzept von ?Refugees Welcome? sinnvoll", so Martín.

„Die Idee ist so simpel wie großartig", erzählt er. „Auf der spanienweiten Internetseite können sich einerseits Flüchtlinge registrieren, und andererseits Menschen, die ein Zimmer bei sich zu Hause frei haben und es vermieten wollen." Studenten-WGs, Familien, Alleinstehende oder Senioren - jeder kann sich anmelden. Dabei geht es nicht um barmherzige Aufnahme, sondern um ein normales Mietverhältnis auf Augenhöhe. „Wichtig ist nur, dass man Lust auf eine Kultur des Zusammenlebens hat", so Martín.

Beide Seiten beantworten bei der kostenlosen Anmeldung schriftlich Fragen zur Person, über die eigene Wohnsituation sowie über Interessen und Hobbys. Reine Zweck-WGs sind nicht erwünscht. „Es geht nicht einfach darum, die Flüchtlinge irgendwo unterzubringen, sondern Wohngemeinschaften zu bilden, von denen alle profitieren. Die Einheimischen, weil sich ihnen neue Horizonte eröffnen, und die Flüchtling, weil es ihnen den gesellschaftlichen Anschluss erleichtert", so Patricia Picazo, die gemeinsam mit Maite Merino und Lucía Muñoz die Initiatoren Carlos und Fernando beim Aufbau von ?Refugees Welcome? auf den Balearen unterstützt.

Öffentliche Profile wie auf Facebook gibt es auf der Seite nicht, und auch keine automatisierten Computerprogramme, die für eine Zusammenführung von Suchenden und Bietern sorgen. „Die Einzigen, die sehen, wer sich registriert und was er über sich schreibt, sind wir vom Team. Und wir sind es auch, die schauen, welcher Flüchtling zu welchem Gastgeber passen könnte und den Kontakt herstellen", so Picazo. Die Entscheidung, tatsächlich zusammenzuziehen, fällt aber erst später - nach mehreren persönlichen Kennenlerntreffen -, und natürlich wird sie von den zukünftigen Mitbewohnern selbst getroffen.

„Der Gastgeber muss den Flüchtling nicht den ganzen Tag lang bespaßen. Es soll einfach ablaufen wie in einer normalen WG. Man unternimmt mal etwas zusammen, hat aber auch Raum für Privatsphäre", so Patricia Picazo. Und die Mietkosten fürs Zimmer übernimmt selbstverständlich der Flüchtling selbst - je nach Situation hat er auch Anspruch auf staatliches Wohnungsgeld. So beispielsweise die aktuell rund 100 Menschen, die nach ihrer Ankunft auf Mallorca zunächst in den vom Roten Kreuz verwalteten Sammelunterkünften in der alten Jugendherberge an der Playa de Palma sowie in Son Rapinya untergebracht sind und im Anschluss auf dem freien Wohnungsmarkt nach einer Bleibe suchen müssen. „?Refugees Welcome? steht aber auch allen anderen Menschen offen, die auf der Flucht sind und um Asyl bitten."

Für jedes mögliche Mitbewohnerpaar suchen die Initiatoren über die Homepage zudem je einen einheimischen Freiwilligen, der ähnliche Interessen hat, Mieter und Vermieter begleitet und später für gemeinsame Unternehmungen zu haben ist. „Das ist ideal für Menschen, die sich einbringen wollen, aber kein Zimmer frei haben oder nicht der WG-Typ sind."

Und wenn das WG-Leben doch nicht so funktioniert, wie anfangs erhofft? „Dann läuft es so, wie in allen WGs: Man versucht, das Problem zu lösen. Ist das nicht möglich, bleibt nur der Auszug", so Patricia Picazo. Nur eine Verpflichtung gehen beide Seiten ein: Es zumindest sechs Monate lang zu versuchen. Die Stabilität brauchen die Flüchtlinge nach allem, was sie hinter sich haben. „Die Erfahrungen in Deutschland und auf dem spanischen Festland zeigen aber, dass es in fast allen Fällen gut läuft", so Patricia Picazo.

Infos und Registrierung für Gastgeber, freiwillige Vermittler und Flüchtlinge auf www.refugees-welcome.es . Individuelle Fragen (auch auf Deutsch) an balears@refugees-welcome.es