Auch das war der große Meister: 1969 ging Joan Miró in Barcelona mit einem Besen und schwarzer Farbe auf ein von ihm selbst geschaffenes Wandgemälde los, übermalte es vor den Augen perplexer Passanten und zerstörte es am Ende ganz.

Das einzige Zeugnis der damaligen Aktion, Rebellion des Künstlers gegen die im Einvernehmen mit den Franco-Behörden veranstaltete erste „offizielle“ Miró-Retrospektive in Spanien, ist ein Kurzfilm, gedreht von einem Enfant terrible des spanischen Films: Pere Portabella. Der Streifen gehört zu den insgesamt vier, die gleich neben diversen Miró-Werken und -Materialien an die Betonwände der verschachtelten Ausstellungsräume der Fundació Miró projiziert werden. Die Zusammenarbeit des heute 82-jährigen und immer noch aktiven Katalanen mit Miró sind das Thema der Ausstellung: „Miró // Portabella, poética i transgressió“.

Poesie und Grenzüberschreitung waren die beiden Berührungspunkte dieser so unterschiedlichen Personen: Miró war stets wie ein ­Büroangestellter gekleidet und eher introvertiert, während Portabella von seinem Temperament sogar in die Politik getrieben wurde: Er war Abgeordneter des katalanischen Parlaments und wirkte an der Erarbeitung der spanischen Verfassung mit. Gemeinsam war Miró und Portabella vor allem das Ziel, ihre jeweilige Kunst zu „töten“, wie Miró schon 1927 im Hinblick auf die Malerei äußerte. Gemeint ist damit die Ablehnung tradierter Ausdrucksformen und die Suche nach einer neuen radikalen und poetischen Sprache.

Während Miró Weltruhm erlangte, wurde Pere Portabella ein Kultfilmer für die kulturelle Elite. Und ist es noch immer: Sein neuester Kurzfilm, „Mudanza“ (Umzug) aus dem Jahr 2008, feierte am Freitag (18.12.) im Auditorium der Stiftung Premiere, Bestandteil eines Rahmenprogramms, das u.a. einen Portabella-Zyklus im Kulturzentrum Sa Nostra im Februar 2010 vorsieht.

Der katalanische Filmemacher stand wie Miró in Opposition zum Franco-Regime und wirkte u.a. an einer geheimen Filmschule mit, die in den späten 60er Jahren im Keller eines Fotostudios in Barcelona betrieben wurde. Zu den Leitsätzen, die er seinen Schülern vermittelte, gehörte das Prinzip, dass jeder Film „einen direkten Tritt in den Magen des Zuschauers“ darstellen sollte.

Pere Portabella setzte diese Maxime mit Werken wie „Vampir-cuadecuc“ (1970) um, dem surrealistischen Making-of eines kommerziellen Horrorfilms, gedreht in Schwarz-Weiß und mit avantgardistischem Soundtrack. Zwei der in der Ausstellung projizierten Filme entstanden im Auftrag der Galerie Maeght und dokumentieren - auf Portabellas markante Weise - die Arbeit des Künstlers mit Bronze und Textil. Nachdem Miró auch für diese Filme sehr konkrete Ideen unterbreitete, schlug Portabella ihm damals vor, doch selbst das Drehbuch zu verfassen. Miró ließ sich darauf ein - das Ergebnis ist in Vergrößerung ausgestellt.

Im Raum „Miró Tapis“, der den Textilarbeiten des Künstlers gewidmet ist, kann ein besonderes Stück bewundert werden: Der Originalentwurf jenes Wandteppichs, den Miró für das World Trade Center anfertigte und der am 11. September 2001 ein, wie Pere Portabella meint, „ebenso brutales wie großartiges Ende“ fand.

Miró // Portabella, poètica i transgressió, Fundació Pilar i Joan Miró, bis 5.4.2010, Tel.: 971-70 14 20.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Die Hobbymaler: Kerstin-Daniela Morgenstern

- Die Ausstellungen: Neun Orte der Kunst