Das Haus ist an sich schon ein Zeuge der Stadtgeschichte. In Can Bordils, einem typischen Palmesaner Stadtpalast zwischen Rathaus und Kathedrale, ist nicht nur das eigene, wechselhafte Schicksal verewigt, sondern auch das der Stadt: Erbaut im 12. Jahrhundert von dem jüdischen Bürger Maimó Biniferaix auf Resten maurischer Architektur, ging es im 15. Jahrhundert in den Besitz der Familie Sureda über, die aus dem Gebäude einen Renaissance-Palast machte. 200 Jahre später gehört das stattliche Haus dann der Familie Bordils, wieder 200 Jahre später den Villalonga-Escladas. Im 20. Jahrhundert kaufte es die Familie Uzué. 1982 ging das Gebäude an die Stadt, die dort 1990 das Archiv von Palma untergebracht hat.

Jetzt kann man eindringen in Palmas Gedächtnis, denn der städtische Archivar und Historiker Pere de Montaner und seine Mitarbeiter haben im ersten Stock gerade eine kleine Dauerausstellung eröffnet. Eine leicht verdauliche Best-of-Auswahl von Papieren, Büchern, Objekten und Fotos, deren Gesamtheit sich aneinandergereiht über fast vier Kilometer erstrecken würde und 800 Jahre Geschichte abdeckt.

Davor schrecken viele zurück. Ein großer Teil des Archivs wird kaum genutzt, entweder weil man 700 Jahre alte Pergamine und Bilanzen zwischen wurmstichigen Lederdeckeln weder ausleihen noch konsultieren kann, oder weil sich bislang niemand dafür interessiert hat, wie denn der Schlüssel zu einer Festung des städtischen Wehrwalls ausgesehen hat.

Die Schau ist ein Einstieg, vertiefen kann man die Forschungen gegenüber vom Ausstellungssaal in der Präsenzbibliothek und beim Bibliothekar, der einem fast alles aus dem fünfstöckigen Archiv heraussucht, was mit offiziellen und inoffiziellen Ereignissen der Stadt zu tun hat: von den Bauplänen ganzer Stadtteile und Grundbucheintragungen bis hin zu Listen von Patientenbehandlungen im städtischen Armenhaus, Buchhaltung im Rathaus oder Schenkungen reicher Familien an die Stadt.

Familien wie den Suredas, Bordils, Villalongas und Uzués, denen Can Bordils gehört hat. Sie sind ein wichtiger Teil des Who´s Who in Palma, denn sie zählten jeweils zu den wohlhabendsten ihrer Zeit, stammten von katalanischen oder südfranzösischen Eroberern ab und zeigten auch in dem Stadtpalast, wie reich sie waren. Dieser hat einen der prächtigsten Innenhöfe der Altstadt, durchbrochen von Säulen und einer ausladenden Marmortreppe. An den Außenwänden hängen Wappen, gewöhnliche Nebenzimmer des mehrstöckigen Palastes haben Kassettendecken aus dunklem Edelholz.

„Hier war Geld in Hülle und Fülle", sagt de Montaner. Er ist selbst adliger Herkunft und hält seit fast 30 Jahren Palmas Gedächtnis wach. Das wird immer ­größer, ebenso wie die Stadt: Sieben Archive sind in Can Bordils untergebracht, der größte Teil davon besteht aus alle fünf Jahre neu anfallendem Verwaltungskram, „der uns den ganzen Platz wegnimmt", klagt de Montaner.

Der Rest, das sind Schriftstücke, die zum Beispiel von der ersten Recht sprechenden Institution Mallorcas, der vom Eroberer Jaume I. eingerichteten Universitat de la Ciutat i Regne de Mallorca, aus dem 13. Jahrhundert stammen. Oder Dokumente aus dem Leben der Bürger, die hier von Nachlassverwaltern oder Erben abgegeben werden, weil sie davon ausgehen, dass die Papiere interessant sind. De Montaner liebt diese privaten Archive, nicht weil er indiskret wäre, sondern „weil sie uns erlauben, das Leben in der Stadt nachzuzeichnen". Vor allem Fotos sind ihm willkommen.

Wie man aus all dem eine interessante Auswahl zusammenstellt, das erklärt de Montaner schnell. „Wir wollten zeigen, was wir alles haben, und das auf möglichst kurzweilige Art." Der Mann hat Sinn für Humor, liebt Objekte und hat die Fähigkeit, Vergangenes lebendig werden zu lassen: Ein Bündel 700 Jahre alter Schuldscheine hängt hier von der Decke, Palmas in Paris gefertigter Ur-Meter liegt dort, man entdeckt die Baupläne für die Kathedrale sowie das Gran Hotel, und aufgeschlagen, aber leider unleserlich, liegt da auch eine Auflistung aus dem Jahr 1809, in der die ärztliche Behandlung französischer Kriegsgefangener auf Cabrera protokolliert ist.

Über den Schaukästen hängen SchwarzWeiß-Fotos an der Wand, die so manches Inselgeheimnis lüften und die Betrachter schmunzeln lassen: Der durchgebogene Lande­steg zum Beispiel – ein simples Holzbrett –, auf dem König Alfonso XIII. bei seinem Inselbesuch 1904 in Cas Català von Bord ging. Oder die Hosenmode der 1940er Jahre: Ein Bauernpaar steht Modell, er in geblümten Pumphosen bis zum Knie, aus denen dünne, schwarz bestrumpfte Beine ragen, die in ausgetretenen Lederschuhen enden. „Unglaublich, oder?", fragt de Montaner und lacht, „die Frau sieht ja ganz normal aus, aber er ..."

Wer nicht weiß, wonach er im Archiv suchen soll, kann in Can Bordils auch thematische (spanischsprachige) Kataloge kaufen, in denen der Archivar Dokumente zu einem Thema zusammengestellt und kommentiert hat, zum Beispiel über die Bekämpfung der Schwindsucht im 18. Jahrhundert, über die Malerin Pilar Montaner (1876-1961, nicht verwandt mit dem Archivar) oder über die Geschichte der Musik in der Stadt.

Die Büchlein gibts am Infopunkt im Erdgeschoss. Dieser liegt an einer der bei Touristen beliebtesten Straße der Stadt: dem Carrer de l´Almudaina. Auch de Montaners dreisprachige Faltblätter liegen dort. Sie haben schon viele Besucher ins Haus gelockt. Can Bordils ist nicht nur ein schönes Gebäude, der Palast hat auch innere Werte. Die kann man nun leichter entdecken.

Arxiu Municipal de Palma, Can Bordils, Carrer de l´Almudaina, 9. Geöffnet Mo - Fr 9 - 14 Uhr, Mo und Mi 16.15 - 19.45 Uhr. Internet: www.arxiumunicipal.palma.es

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