Dieser Tage ist viel von „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" die Rede, dem monumentalen achten Album der Beatles. Es erschien am vergangenen Donnerstag (1.6.) vor genau fünfzig Jahren. Ein willkommener Anlass für Musikjournalisten und Experten für Populärkultur, die besonders in Spanien ein Faible für Nostalgie und ­Vergangenheit haben. Jeder Song wird auseinandergenommen, es wird diskutiert, ob Paul McCartney doch vielleicht schon tot ist und wie viele Beatles man braucht, um eine Glühbirne auszuwechseln.

Gern wird bei diesen eher sich selbst beweihräuchernden Diskussionen erwähnt, dass dieser Meilenstein der Popmusik nicht möglich gewesen wäre, hätte es nicht ein Jahr zuvor ein anderes Album gegeben: „Pet Sounds" von den Beach Boys. Ebenjener Band, die etwas gealtert und in der Besetzung stark verändert am 18. Juni in Palma das Gelände Son Fusteret mit ihrem einzigen Spanien-Auftritt in diesem Jahr beehrt.

Ein Album ohne Lückenfüller

„Pet Sounds" wird häufig als musikalische Revolution bezeichnet. Als großes Meisterwerk aus der Feder von Bandgründer Brian Wilson. Die Beach Boys, das darf man nicht vergessen, waren zuvor eine eher harmlose Popband, die einfach gestrickte Songs über Wassersport und attraktive junge Mädchen sangen. Gefühlt 94 Prozent der Lieder enthielten das Wort „Surfin'" im Titel.

Doch dann hörte Wilson das Album „Rubber Soul" von den Beatles und stellte fest, dass er zuvor noch nie ein Rockalbum gehört hatte, das keine Lückenfüller enthielt. Wilson wollte Ähnliches ausprobieren. Heraus kam ein sorgsam komponiertes Album, mit raffinierten Arrangements und einem gänzlich anderen Sound, als man ihn von der Band gewöhnt war.Ein Meilenstein der Popkultur

Wie nicht anders zu erwarten für einen so revolutionären Akt, war die Platte ein Flop. Die Kritik in den USA gab sich unbeeindruckt, das Album verkaufte sich nicht so gut wie vorherige Veröffentlichungen. Aber immerhin erkannte die größte Band der Welt das Potenzial. Und machte sich daran, es zu übertreffen. Beatles-Produzent George Martin wird gerne mit dem Satz zitiert: „Ohne ,Pet Sounds' hätten wir ,Sgt. Pepper's' nie gemacht. Es war der Versuch, mit den Beach Boys gleichzuziehen."

Erst gegen Ende der 60er-Jahre überdachte auch die Kritik ihre Einstellung zur Platte, und spätestens seit den 90er-Jahren ist sie in den Listen zum „Besten Album aller Zeiten" auf den vorderen Plätzen zu finden. Viele Künstler haben dem Album in Form von Coverversionen Tribut gezollt. Zu den interessantesten Versionen gehört das Album „Pet Sounds in the Key of Dee", auf dem der britische Musikproduzent Bullion die Songs der Beach Boys mit den Beats des Hip-Hop-Produzenten J Dilla mischt. In Spanien ist zuletzt im vergangenen Jahr zum 50. Jubiläum ein Tributalbum erschienen: Hiesige Indie-Bands wie Triángulo de Amor Bizarro und Sidonie nahmen im Auftrag des Kulturradiosenders Radio 3 das Album neu auf.

Auf die heutige Version der Beach Boys hat „Pet Sounds" wenig Einfluss. Auf der aktuellen Tour werden bei den teilweise über 40 Songs umfassenden Konzerten gerade mal drei Lieder aus dem Album gespielt: „God Only Knows", „Wouldn't It Be Nice" und „Sloop John B". Die Hits, wenn man so will.

Ein Name, der Geld bringt

Von den Musikern, die damals das Album aufnahmen, sind in Palma ohnehin nur noch zwei dabei: Mike Love und Bruce Johnston. Dies ist aber auch insofern keine Neuigkeit, als dass Bandgründer Brian Wilson, Mike Loves Cousin, ab 1966 nicht mehr mit auf der Bühne stand und von Johnston ersetzt wurde. 2011 kehrte Wilson noch einmal für ein paar Auftritte zurück.

Dass Love dennoch ohne größere Schamgefühle unter dem Namen „Beach Boys" tourt, liegt unter anderem daran, dass die Eigentümergesellschaft des Namens, Brother Records Inc., ihm das alleinige Nutzungsrecht für Live-Auftritte zugestanden hat. Viel wichtiger für den Sänger selbst aber ist der Umstand, dass er kontinuierlich unter dem Namen getourt ist. Er beruft sich auf die normative Kraft des Faktischen: „Ich bin die einzige Konstante in der Geschichte der Live-Auftritte der Beach Boys", sagte er 2012 dem Magazin „Hollywood Reporter". Er habe immer die Verantwortung verspürt, das Erbe der Beach Boys zu wahren und voranzutreiben.

Eine raffinierte Erklärung, warum es zudem viel sinnvoller sei, die Shows nicht in der Originalbesetzung zu spielen, lieferte er auch gleich mit. Die Originalbesetzung sei wegen der Gagen zu teuer, sodass es weder logistisch noch finanziell klug wäre, solche Konzerte in die kleineren und mittleren Städte der USA zu bringen. „Es ist aber für diese kleineren Märkte unheimlich wichtig, uns live zu erleben. Nur so haben wir uns in den vergangenen fünfzig Jahren eine treue Fanbasis erhalten können."

Insofern ist es nur konsequent, dass die Beach Boys Mallorca für ihr Konzert ausgewählt haben. Von den heutzutage relevanten Künstlern wird die Insel ignoriert. Gleichzeitig lässt sich das mallorquinische Publikum nur von großen Namen in die Konzerte locken, egal wie abgehalftert die Künstler sind. In kulturell relevanten Städten wie Barcelona, Madrid oder Bilbao könnte man wahrscheinlich kaum wen mit einer abgespeckten Version einer Band beeindrucken, deren wichtigster kultureller Beitrag 51 Jahre alt ist.

Beach Boys, Son Fusteret, 18.6., 22 Uhr, Karten 35 bis 90 Euro unter sonfusteret.com