Ben Jakober wirkt wie eine priesterliche Gestalt, als er in der Bibliothek des Museums Sa Bassa Blanca in Alcúdia

Herr Jakober, Sie haben in diesem Haus lange gelebt. Wie fühlt es sich an, dass die Wohnräume jetzt ein Museum sind?

B.?J.: Nun, natürlich sind diese Räume mit

Emotionen verbunden. Für ein Museum sind sie nicht so geeignet, da das Haus ja zum Wohnen konzipiert war. Wir haben es trotzdem umgestaltet. 75 Prozent der Besucher sind übrigens Deutsche.

Und die Mallorquiner, kommen die nicht?

B.?J.: Die Einheimischen fangen gerade an, zu uns zu kommen. Aber Alcúdia ist weit weg von Palma (lacht). Das ist auch der Grund, warum wir Schulklassen ins Museum einladen. Die Kinder gewöhnen sich so daran, ins Museum zu gehen. Und manchmal bringen sie ihre

Eltern hierhin mit.

Yannick Vu gesellt sich dazu.

B.?J.: Wir haben eine Liebesaffäre mit Mallorca. Im Gegensatz zu vielen anderen Ausländern haben wir viele mallorquinische Freunde. Wir gehen auf ihre Hochzeiten und leider auch immer mehr auf ihre Beerdigungen.

Y.?V.: Ich bin seit 1963 hier. Mein damaliger Mann, der Künstler Domenico Gnoli, war mit Mati Klarwein befreundet, einem Künstler, der in Deiá lebte. Wir kamen jeden Sommer hierher. Es war eine spannende Zeit damals, weil viele interessante Leute hier lebten, unter anderem Robert Graves. Deià fühlte sich an wie das Village in New York, nur eben auf der Insel.

Ihre Liebe zur Insel findet auch auf dem Grundstück von Sa Bassa Blanca Ausdruck, das die Jakobers 1978 erwarben. Der Vorbesitzer hatte die Genehmigung, auf dem 16 Hektar großen Gelände 2.000 Wohnungen zu bauen. Ben Jakober und Yannick Vu beantragten bei der Gemeinde, diese Genehmigung rückgängig zu machen. Stattdessen ließen sie den renommierten ägyptischen Architekten Hassan Fathy ein Haus bauen, in das sie 1980 einzogen.

Mittlerweile leben Sie ein halbes Jahr in Marrakesch, ein halbes auf Mallorca. Warum haben Sie sich für Marokko entschieden?

Y.?V.: Wir hatten schon lange Verbindungen dorthin, weil mein Bruder bereits in den 70er-Jahren nach Essaouira gezogen ist.

B.?J.: Von allen exotischen Orten der Welt ist Marokko der nächstgelegene.

Wie unterscheidet sich Ihr Leben dort von dem auf der Insel?

B.?J.: Ich arbeite in Marrakesch genauso wie hier. Aber dort leben wir in einer Wohnung, während wir hier ein kleines Zimmer haben, das früher mal für die Angestellten war. ­Marokko ist auch aus gesundheitlichen Gründen gut für mich. Die Luftfeuchtigkeit liegt dort bei 30 Prozent, hier bei 85. Das macht sich im Rücken bemerkbar. Ich bin fast 89 Jahre alt, da muss ich ein wenig auf meine Gesundheit achten.

Wie wirkt sich das Leben in Marokkko auf Ihre Arbeit aus?

B.?J.: Nun, wir haben hier einen Raum der afrikanischer Kunst gewidmet, einen anderen der marokkanischen Kunst. Im zweiten Stock ist ein Zimmer den Arbeiten von Yannicks Vater Vu Cao Dam gewidmet, der Vietnamese war. Dies hier ist ein multikultureller Ort.

Y.?V.: Wir verbinden Kunst aus verschiedenen Regionen, aber auch aus verschiedenen Epochen. Genau darum geht es in Sa Bassa Blanca: Verbindungen herzustellen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Museums?

B.?J.: Wir wollen, dass es sich genauso weiterentwickelt wie bisher. Wir haben einen sehr kompetenten Stiftungsvorstand, der sich darum kümmern wird, dass es weitergeht, wenn wir nicht mehr da sind. Mittlerweile arbeiten wir mit vielen anderen Kunsthäusern zusammen, die die Arbeiten der Stiftung ausleihen - die Sammlung ist international anerkannt. Wir sind Mallorca und seinen Einwohnern dankbar, dass wir hier die Möglichkeit hatten, all das zu entwickeln, dieses künstlerische und intellektuelle Erbe weiterzugeben.

Sind Sie noch sehr ins Tagesgeschäft der Stiftung eingebunden?

B.?J.: Ins Tagesgeschäft nicht, aber wir stehen in ständigem Kontakt. Wir haben hier ein tolles Team von 15 Leuten, auf das wir uns verlassen können. Und das, obwohl sie hier nicht so viel verdienen können wie anderswo.

Wie finanziert sich die Stiftung?

B.?J.: Nur zu rund 20 Prozent aus den Einnahmen des Museums. Einen großen Teil machen Spenden von Privatpersonen oder Institutionen aus. Und wir arbeiten ja weiterhin als Künstler, derzeit in Hongkong. Alles, was wir damit verdienen, fließt in die Stiftung.

Wovon leben Sie dann?

B.?J.: Wir brauchen ja nicht viel Geld. Wir leben eher bescheiden von Ersparnissen. Wir haben weder ein teures Auto, noch besitzt Yannick irgendwelchen Schmuck.

Woher nehmen Sie die Energie für Ihre ganze Arbeit?

B.?J.: Keine Ahnung. Wir sind heißblütig.

Wir haben viele Freunde verloren und selbst das Glück, noch in der Lage zu sein, das

machen zu können, was uns Spaß macht. Das motiviert uns.

Wie hat sich die Kunstwelt in den Jahren verändert, seit Sie angefangen haben?

B.?J.: Alles ist größer geworden. Es gibt mehr Künstler, mehr Käufer, mehr Geld. Heutzutage werden Kunstwerke für 50, 100 Millionen Euro verkauft. Das waren früher unvorstellbare Zahlen. Als ich zur ersten Andy-Warhol-Ausstellung in Paris ging, kosteten die Arbeiten umgerechnet 2.000 Euro. Heutzutage gibt es kein Limit nach oben, wenn zwei Hedgefonds-Manager unbedingt an ein Kunstwerk wollen.

Was hat das für Auswirkungen auf die Kunst?

B.?J.: Es hat leider nur wenigen Künstlern etwas gebracht. Die meisten haben kein vernünftiges Auskommen mit ihrer Arbeit.

Y.?V.: Die Galerien verdienen gut daran. Aber das haben sie schon immer.

B.?J.: Wir müssen deshalb versuchen, den

Menschen so viel wie möglich von der Kunst zugänglich zu machen. Wir sehen uns als

Robin Hood. Wir haben Zugang zu dieser Welt und wollen sie mit anderen teilen.

Steckt dahinter eine politische Botschaft?

B.?J.: Um Gottes willen, nein! Das Gegenteil. Wir sind apolitisch, keine Aktivisten.

Y.?V.: Wir wollen zeigen, dass die Kunst die Zukunft ist. Ohnehin sind wir hier Ausländer, wir haben hier politisch nichts zu melden.

Kann man wirklich apolitisch sein?

Y.?V.: Politik ist das eine, Ethik das andere.

Also geht es um Ethik?

Y.?V.: Wir versuchen hier, Gutes zu tun. Wir wollen den nachfolgenden Generationen etwas Wertvolles hinterlassen. Weil die Kunst den jungen Leuten Antworten geben kann, die sich nirgendwo anders finden, weder in der Reli­gion noch woanders. Als ich klein war, fand ich in Museen Antworten auf meine Fragen.

Was für Antworten haben Sie gefunden?

Y.?V.: Kunst drückt Dinge aus, die man sonst nicht anders sagen kann. Ich glaube, gerade Kinder, die sensibel sind, reagieren darauf, weil sie im Gegensatz zu Erwachsenen keine Vorurteile haben. Die Kunst kann Freiheit geben, die Fantasie und Kreativität anregen. Damit man kein Schaf wird, das einfach hinterherläuft.

Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?

Y.?V.: Ich habe großes Vertrauen in die Jugend.

B.?J.: Der Mensch hat eine große Anpassungsfähigkeit. Wenn große Staaten wie die USA nichts gegen den Klimawandel unternehmen, müssen wir uns eben dieser neuen ­Situation anpassen. Wir reagieren auf diese Themen auch im Museum. In der alten Mühle haben wir seit vergangenem Jahr eine Installation mit Plastikmüll von der Gruppe Z'bel Manifesto. Im Tierskulpturenpark informieren wir über Arten, die vom Aussterben ­bedroht sind. In dem Sinne, dass wir zum Nachdenken anregen wollen, ist unsere Arbeit dann schon politisch.