Man müsse schon ein bisschen in Form sein für diese Aufführung, sagt Tenor Andeka ­Gorrotxategi. Der 42-jährige Baske probt dieser Tage im Teatre Principal seine Rolle des Don José in der Oper „Carmen". Die Bearbeitung des wohl renommiertesten spanischen Opern­regisseurs Calixto Bieito ist wie so viele seiner Aufführungen: vor allem unorthodox. Sie soll aufrütteln. Deshalb müssen ­Gorrotxategi ­genau wie die von der Italienerin Annalisa ­Stroppa verkörperte Carmen auch von Zeit zu Zeit über auf der Bühne stehende Mercedes­-Limousinen turnen.

Bieito holt die Oper aus dem Sevilla des Jahres 1820, in dem das Werk von Georges ­Bizet ursprünglich verortet war, in die spa­nische Grenzstadt Ceuta der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Da geht es mal derb zu - etwa, wenn ein Stierkämpfer komplett nackt auftritt oder sich Don José und ­Carmen beim Beischlaf in recht eindeutigen Bewegungen aufeinander einlassen - oder brutal, wenn einer der Soldaten verprügelt und schließlich umgebracht wird. Da fließt dann auch mal das künstliche Blut über die Bühne. Auch mehrere Prostituierte treiben sich in der Szenerie herum. Auf der Website des Teatre Principal heißt es vorsorglich, dass die Aufführung Szenen beinhaltet, die für ­Kinder und Jugendliche nicht geeignet sind.

Andeka Gorrotxategi bringt das nicht aus der Ruhe. „Mir gefällt es gut, wenn auf der ­Bühne etwas los ist. Dann wird es für die Zuschauer anschaulicher", sagt er im Gespräch mit der MZ nach der Probe am Dienstagvormittag (25.2.). Bereits seit dem 10. Februar ist ­Gorrotxategi mit den anderen Darstellern in Palma, um bis zu zweimal täglich zu proben. Zu koordinieren gibt es einiges. Neben den ­Balearen-Sinfonikern und den Hauptdarstellern sind an der rund 150 Minuten dauernden Aufführung ein rund 50-köpfiger Chor, an die 20 Kinder sowie 16 Schauspieler beteiligt. „Das Bühnenbild ist auch deshalb eher spar­tanisch, weil wir man gar nicht viel mehr ­unterbekommen würde", sagt Gorrotxategi. Außer den drei Mercedes gibt es kaum weitere Dekoration. Die Autos wurden durch eine Tür an der Seite des Theaters in einen Vorraum ­geschoben und müssen für die Aufführungen dann auf die Bühne geschoben werden. Nur eines der drei Autos ist dank eines Elektro­motors fahrtüchtig.

Aber das ist ja auch nicht das Entscheidende. Es geht bei „Carmen" um Liebe, Hass, ­Leidenschaft - typisch menschliche Gefühlsregungen, die von der Hauptfigur, einer temperamentvollen Zigeunerin, noch überhöht werden. Gorrotxategi hat das Glück, dass er als Baske nicht aus seiner Haut muss, um den Don José authentisch darzustellen. Der stammte nämlich aus dem benachbarten ­Navarra, in dem ebenfalls baskisch gesprochen wird. „Das passt gut zu mir, auch der ­ursprüngliche Don José ist reservierter als die leidenschaftlichen Andalusierinnen im Werk", sagt ­Andeka ­Gorrotxategi. Die Oper in ihrer Urfassung stammt aus dem Jahr 1875. „Aber sie ist heute aktueller denn je, weil sie unter anderem das Thema Gewalt gegen Frauen zeigt", sagt ­Gorrotxategi und spielt damit auf das Ende an, als Don José Carmen ersticht.

„Carmen" ist der Auftakt der diesjährigen Opernsaison. Danach gibt es in Palma im April und Mai „Lucia di Lammermoor" und im Juni „Die Zauberflöte" zu sehen.