MARTINA ZENDER Er wirkt befreiter, leichter, lockerer. Er singt sogar während des Service ein wenig vor sich hin. Ist dies der „neue" Tomeu Caldentey? Es ist auf alle Fälle der „sternlose" Caldentey, denn der 46-jährige Mallorquiner hat sein vom Michelin-Führer gekröntes Restaurant Bou in Sa Coma geschlossen und es am 18. Juli als „Tomeu Caldentey Cuiner" in den gleichen, aber leicht veränderten Räumlichkeiten wieder eröffnet - mit maximal 22 Plätzen, alle rund um die Küche oder in deren Sichtweite angeordnet und mit der gleichen Qualität wie zuvor. Doch das ist nicht alles: Vor zwei Wochen schloss Caldentey auch sein Restaurant Tomeu in Palma (im Boutiquehotel Sant Jaume, es wurde als „Fabiola Gastronomic Garden" wieder eröffnet - mit dem gleichen Küchenchef, aber anderem Küchenstil) und sobald die Renovierung des Club de Mar in Palma beginnt, wird auch das Taronja Negre Mar seine Pforten schließen. „Das hätte ich auch ohne die Umbauarbeiten, gemacht", sagt Caldentey. Wir trafen ihn in seinem Restaurant in Sa Coma.

War die Zeit des Sterns vorbei?

Wir hatten ihn 15 Jahre, und zuletzt haben wir hart im Team gearbeitet und uns sehr bemüht um einen zweiten Stern. Aber es hat nicht sollen sein. Unabhängig davon hatte ich keine Lust mehr auf diesen Sternezirkus und all das, was damit verbunden ist. Mein Entschluss hatte viele Gründe.

Was meinen Sie konkret?

Vor allem den Aufwand drum herum. Jede Menge Köche und Kellner. Als meine wichtigen langjährigen Mitarbeiter, der Sommelier und Maitre Manú Pérez sowie mein Chefkoch Andrés Benitez gingen, was ein normaler Vorgang ist, den ich auch respektiere, stand ich vor der Wahl: Entweder ich suche mir neues Personal auf diesem Niveau, was dauert, zumal es weitere Zeit in Anspruch nimmt, bis die Gefundenen tatsächlich perfekt im Team funktionieren und unsere Philosophie verinnerlicht haben. Oder ich mache einen radikalen Schnitt. Für den hatte ich mich insgeheim schon zuvor entschieden, sodass der Weggang von Manú Pérez und Andrés Benítez nur noch den Anstoß gab.

Was ändert sich in Ihrem Restaurant in Sa Coma?

Beim Essen wenig. Wir kochen weiterhin auf dem gleichen Niveau, mit den gleichen hochwertigen Produkten ähnliche Gerichte wie zuvor. Aber jetzt mit viel weniger Personal, was die Gesamtkosten erheblich verringert. Es sind neben mir nur noch zwei Köche, Miguel Ángel Pascual und Emiliano Gomila, sowie meine Frau Marga Riera, die im Service hilft. Wobei auch die Köche und ich den Service machen. Wir sind alle immer am Gast. Das wechselnde Besteck für die einzelnen Gänge decken wir nicht mehr einzeln neu ein, sondern jeder Platz hat kleine Besteck-Arrangements vor sich, aus denen sich der Gast selbst bedient. Das ist nur eines der vielen kleinen neuen Details.

Haben Sie auch die Preise reduziert?

Und ob. Auch das ist ein Grund für mich, mein Konzept zu ändern. Ich wollte wieder näher an den „normalen" Gästen sein, quasi für jedermann kochen. Sterneküche kann man sich - wenn überhaupt - einmal pro Jahr leisten. Meine aktuellen Preise sind jedoch erschwinglich: Fünf Gänge für 39 Euro, acht Gänge für 49 Euro und 10 Gänge für 69 Euro. Das erweitert den Kundenkreis. Auch bei den Weinen gibt es ähnliche Kategorien. Zum einen sind es weniger, und man kann wählen zwischen drei Kategorien:16, 24 und 38 Euro. Plus einige besondere Weine.

Und warum schließen Sie Ihre Lokale in Palma? Liefen sie nicht mehr?

Das Tomeu wurde tatsächlich nicht so angenommen, wie ich es gehofft hatte. Und ohne den Mitarbeitern, die ich hatte, nahetreten zu wollen, war es auch nicht so perfekt, wie ich es mir gewünscht hätte. Das Taronja lief gut, aber auch da wäre ohne die vielen Events, die dank der tollen Räumlichkeiten dort möglich sind, nicht das Klassenziel erreicht worden. Der Hauptgrund aber ist: Bei Lokalen von Tomeu Caldentey erwarten die Leute auch den Chef persönlich. Und das ging nun einmal nicht. Das hat auch nichts mit Authentizität zu tun. Nun bin ich immer präsent, das ist mir lieber, und meinen Gästen sowieso.

Was ändert sich noch?

Wir schaffen die Winterpause ab, denn wir planen durchgehend offen zu halten. Aber natürlich ist das abhängig davon, ob dann auch genügend Leute kommen.

Wie beurteilen Sie die Lage der gehobenen Küche allgemein?

Ich glaube, man kann die Lage ein wenig mit der Immobilienblase vergleichen. Immer mehr Schnickschnack und immer höhere Preise. Alles schaukelt sich hoch, bis die Blase platzt. In der Gastronomie wird es vielleicht keinen großen Knall geben, aber das Geschäft wird schrumpfen. Ich kenne etliche gehobene Lokale, die kaum über die Runden kämen, wenn sie keine Zusatzeinnahmen durch ein günstigeres Zweitlokal oder Catering hätten. Darunter sind auch Lokale mit gutem Standort und besten Voraussetzungen. Aber es sind mittlerweile zu viele gute Restaurants für eine eher kleiner gewordene Klientel, die diese Lokale besucht und sich das leisten kann. Da bleibt vom Kuchen für den Einzelnen zu wenig übrig. Und diese Entwicklung wird sich meiner Ansicht nach noch weiter fortsetzen. Gleichzeitig haben all jene Lokale Zulauf, die nicht nur Essen servieren, sondern auf Lifestyle setzen: etwa die Tapas-Lokale oder die vermuterías. Die liegen im Trend - und sind günstiger.