Sonntagmorgen kurz vor zehn Uhr: Knapp zwei Kilometer, bevor die Ma-2100 zum Coll de Honor bei Orient ansteigt, parkt einsam ein Auto. Es gehört Joan de Ses Herbes, der sich hier mit den Teilnehmern seines Pilzseminares trifft. Gut 30 Erwachsene und Kinder trudeln ein, es hat sich herumgesprochen, dass 2018 ein gutes Pilzjahr ist.

Alle warten auf den Experten, der tritt pünktlich aus dem Dunkel des Mischwaldes. In seiner Hand trägt er eine Schale mit Pilzen, die er bereits frühmorgens gesammelt hat. Er stellt sie auf dem Waldboden ab, die Teilnehmer des Workshops bilden einen Kreis um Joan de Ses Herbes, den Botanikexperten. Die MZ hat bereits über ihn berichtet, dass er sich ausschließlich von Kräutern ernährt, und diese roh verzehrt. Bei Pilzen (setas span., bolets kat.) macht er eine Ausnahme, denn nur wenige sind roh bekömmlich. Etwa 2.100 Pilzsorten wachsen auf der Insel, ist zu erfahren, 300 von ihnen sind essbar, 50 davon ein Gaumenschmaus. Um sie zu unterscheiden, gibt es viele Kriterien, einer davon ist ihr Duft.

Die Riechprobe

Joan schnuppert kurz an einem Pilz und erklärt, dass jede Art ihre eigene Duftnote hat. Jeweils ein bolet macht die Runde, damit die Teilnehmer testen können, welche Pilze nach Anis, Mehl, Mandel oder Gurke riechen. „Verströmt ein Pilz Rettichgeruch", erklärt der Mallorquiner, handele es ich meistens um einen Giftpilz. Ratsam wäre außerdem, ausschließlich ausgewachsene Pilze zu pflücken, weil junge noch nicht alle typischen Merkmale bilden. Zu alte Pilze sollten die Sammler ebenfalls unbeachtet lassen. Denn sie sind zu trocken, ihr Aroma haben sie verloren.

Dann zeigt er auf die Plastiktüte, die ein Teilnehmer am Gürtel trägt. Empfehlenswert für die Pilzsuche wären durchlässige Weidenkörbe, hier können Sporen während des Transports aussamen. Wie Pilzsporen aussehen, zeigt Joan am Beispiel des Flaschen-Stäublings (Lycoperdon perlatum bot., cuesco de lobo span., pet de llop kat.). Dieser Pilz kann, solange er jung ist, verzehrt werden. Derjenige in Joans Hand nicht mehr, denn der pet de llop hat sich braun verfärbt. Jedes Mal, wenn er auf den runden Pilz drückt, entweichen diesem stoßweise Sporenwolken, die wie Staub aussehen.

Nun schwärmen die Teilnehmer im Wald aus. Einige bleiben weiter in Joans Nähe. Und schon entdeckt er einen Weißlichen Stoppelpilz (Hydnum albidum bot., lengua de vaca span. picornell pelut kat.,). Er sieht dem Pfifferling nicht nur ähnlich, er ist mit ihm auch verwandt, beide kommen auf der Insel häufig vor.

Viele Fundstücke

Einige Pilzsucher stürmen den Hang hi­nauf, nach der Rückkehr zeigen sie ihre Fundstücke. Joan schnuppert an ihnen, bricht Lamellen ab, kostet sie und erklärt: „Nur wenn das Stück nicht scharf schmeckt oder einen pikanten Nachgeschmack hinterlässt, handelt es sich um einen Täubling" (Russula grisea bot., russula span., blaves kat.). Dieser schmeckt vorzüglich und sprießt oft auf Mallorcas Waldböden.

Jetzt gelingt es der MZ-Autorin einen Pilz mit einem purpurfarbenen Hut zu entdecken. Der Meister erklärt, dass es sich bei diesem Speisepilz um den Geflecktblättrigen Purpur-Schneckling (Hygrophorus russula bot., higróforo escarlata span., escarlet kat.) handelt. Die Familie der Schnecklinge erkennt man außer an ihrem purpurnen Hut an einer schleimigen Schicht, die den Hut überzieht. Das gilt ebenso für den Großen Kiefernschneckling (Hygrophorus latitabundus bot., lenega span. und kat.).

Stolz zeigen Teilnehmer jetzt die ersten ­esclata-sangs. Der Weinrote Kiefernreizker ist nicht der wichtigste Inselpilz, aber er ist der bekannteste und deswegen gut zu bestimmen. Echt ist er, wenn aus Lamellen und Stiel rote, milchige Flüssigkeit austritt. Denn es gibt auch den falschen escalta-sang, aus dem entweder weiße oder gelbe Flüssigkeit tropft.

Ein Freudenschrei ertönt. Ein Teilnehmer hält einen etwa 35 Zentimeter hoher Gemeinen Riesenschirmling (Macrolepiota procera bot., parasol span., paraigües kat.) in die Höhe. Joan meint, dass ein Pilz dieser Größe bisher in keinem seiner Workshops gefunden wurde. Auf der Insel bereite man aus den umgedrehten Hutböden Pizzen zu.

Kleinwüchsig dagegen ist der Gemeine Erd-Ritterling (Tricholoma terreum bot. ratón span., fredolís kat.). Den flachen Hut überzieht eine schwarze Haut. Diese Pilzart mit Lamellen sprießt dann aus den Waldböden, wenn es auf der Insel kalt wird.

Doch bei Pilzen mit Lamellen ist Vorsicht geboten: Viele toxische, wie beispielsweise die Amanita-Arten, haben sie unter dem Hut. Deren sicheres Erkennungszeichen: Der Stiel wächst aus einer Knolle mit deutlich wulstigem Rand.

Deshalb dürfen nur diejenigen Pilze gesammelt und gegessen werden, deren Sorte eindeutig bestimmt worden sind. Hilfreich ist hierbei das Standardwerk „Els Bolets de les Balears". Oder aber die Pilzseiten im Internet der Balearen Universität: www.bolets.uib.es.

Auf der sichersten Seite sind Pilzsammler, wenn sie ihre Fundstücke Experten zeigen. Joan de Ses Herbes beispielsweise inspiziert am Ende des Seminars die Körbe aller Teilnehmer. Die als Speisepilze identifizierten, kommen zu Hause in die Pfannen. Frische Pilze direkt vom Waldboden sind ein purer Genuss.

Pilzbestimmung: Museu Balear de Ciències Naturals in Sóller Mo., Di. und Fr. 9 bis 14 Uhr nach vorheriger Anmeldung: Tel.: 971-63 40 64. Pilzseminare mit Joan de Ses Herbes (in Spanisch): Tel.: 608-68 02 70 (zwei Stunden, 15 Euro).