Als Nico Martínez seine erste Kamera geschenkt bekam, war er zwölf Jahre alt. Mit der Agfa Optima begann er 1969, bei einem Ausflug seiner Boyscouts-Truppe in Palma, Jagd auf „ganz besondere Augenblicke“ zu machen. „Eigentlich wollte ich eine Reportage über unseren Ausflug machen. Da ich zu faul zum Schreiben war, habe ich eben fotografiert.“ Und beim kindlichen Knipsen sei wohl der Grundstein für seine spätere Karriere gelegt worden, sagt Martínez mit einem breiten Lächeln. Der 51-Jährige zählt heute zu den besten Regatten-Fotografen Europas. Seine zum Teil epischen Bilder von Wind, Wellen und Segeln zieren die Titelseiten von Fachzeitschriften in der halben Welt.

Es war ein langer Weg dahin. 1974 besuchte Martínez zunächst für drei Jahre die Fotokunstschule in Palma, wo er neben den technischen Grundlagen zum richtigen Einstellen von Belichtung, Tiefenschärfe oder Verschlusszeiten auch die Gestaltung und Komposition von Bildern lernte. Nach seiner Ausbildung arbeitete er mehrere Jahre in einem Fotogeschäft in Palma. Neben dem Verkauf und der Entwicklung von Filmen durfte Martínez damals „höchstens mal ein Hochzeitsfoto“ schießen. Mitte der 80er Jahre machte er sich mit einer kleinen Fotowerkstatt selbstständig. Aufregend sei aber auch das nicht gewesen.

Das änderte sich schlagartig im Juni 1988. Palmas Königlicher Yachtclub Real Club Náutico hatte anlässlich der internationalen Segelregatta Princesa Sofía zu einem Fotowettbewerb aufgerufen. „Da ich gerade nicht viel zu tun hatte, habe ich mich in ein Beiboot gesetzt und die Kamera immer schön drauf gehalten“. Und siehe da: Eines seiner Fotos wurde nicht nur prämiert, Martínez erhielt zudem wenige Wochen später den Arbeitsauftrag einer Fachzeitschrift für Segelsport in Barcelona. „Für die habe ich dann angefangen, als freier Fotograf zu arbeiten“ erzählt er, was so viel bedeutete, wie die Sommermonate fortan auf Segelregatten in Spanien, Frankreich und Portugal zu verbringen. „Damals gab es den Beruf des Regatta-Fotografen noch gar nicht“. Aus ebendiesem Grund habe es auch für Fotos von durchs Meer pflügenden Offshore-Racer nicht viel Geld gegeben.

Erst mit der globalen Vermarktung des Hochseeregatta-Sports Anfang der 90er Jahre kam für den Mallorquiner der große Durchbruch. Plötzlich begannen nationale und internationale Banken, Autohersteller, Energieunternehmen oder Mode-­Labels Millionen in Sponsoren- und Ausstatterverträge für die Segel-Teams zu investieren. Die wiederum brauchten im Gegenzug spektakuläre Fotos, um Geldgeber und internationale Presse zufriedenzustellen. 1995 wurde Martínez vom spanischen America‘s-Cup-Team „Desafío Español“ unter Vertrag genommen. „Wir fuhren vier Monate zum Cup nach San Diego, es war großartig!“, erinnert er sich. Seitdem ist Martínez für das Team bei allen großen Regatten im Einsatz. Zudem arbeitet er seit 1992 als offizieller Hausfotograf für den Königlichen Yachtclub in Palma und genießt Privilegien wie sonst kein anderer Pressevertreter. So ist Martinez unter anderem der einzige, der mit einem Hubschrauber in die Luft gehen darf, um die Teilnehmer einer Regatta in der Bucht von Palma aus der Luft zu knipsen.

Ist das nicht unfair gegenüber der Konkurrenz? „Nein. Alle Fotos stelle ich anschließend auf eine dafür vorgesehene Website. Sie können dann kostenlos von allen akkreditierten Medien genutzt werden.“ So wolle man unter anderem vermeiden, dass jede größere Zeitung womöglich einen eigenen Hubschrauber losschickt. „Das ist eine heikle Angelegenheit, weil die Rotoren auf dem Wasser Luftwirbel verursachen, die einem Segelboot echte Probleme bereiten können.“ Riskant sei die Arbeit in luftiger Höhe aber auch für den Fotografen. „Man muss stets höllisch aufpassen, sich nicht zu weit rauszulehnen“. Die Arbeit als Fotograf erfordere neben Mut zum Risiko zudem profunde Kenntnisse über den Regatta-Sport an sich. „Du muss ganz genau wissen, wann sich die Schiffe zum Dial-up, dem Tackling vor der Startlinie bereit machen, wann ihre Segel in perfekter Trimmung stehen, wann sie sich auf dem Wasser jagen und angreifen“, sagt er. Sowohl der Start als auch die Umrundung der Wendebojen seien die Momente, bei denen sich die packendsten Aufnahmen schießen lassen.

Wieviele Fotos er denn bereits im Kasten habe? „Ich habe längst aufgehört, sie zu zählen. Ein Beispiel: ­Alleine beim letzten America‘s Cup im vergangenen Jahr haben die Aufnahmen zwei 500-Megabyte große Festplatten in Anspruch genommen“. Überhaupt, die Ausrüstung. „Alle drei Jahre verschleiße ich eine Kamera“, sagt Martínez. Vier habe er stets griffbereit, dazu kommen etliche Objektive, von denen eines bis zu 7.000 Euro kostet. „Um in diesem Geschäft ganz oben mitzuspielen, brauchst du stets das neuste, beste und damit teuerste Material. Das sind aber nicht nur Kameras, sondern auch Computer und Software“. Um etwa die Fotoserie eines Regatta-­Tages ins Internet zu stellen, müssten Profi-Fotografen heutzutage schon über gewisse Online-Programmierkenntnisse verfügen.

Ob die Arbeit trotzdem Spaß mache? „Man muss den Segelsport schon sehr, sehr mögen.“ Oftmals bestehe ein Regatta-Tag ja nur aus stundenlangem Warten. „Mal ist es zu windig, mal Flaute“. Und die Warterei in einem vor sich hin schaukelnden Begleitboot könne manchmach ganz schön auf die Nerven gehen.

Auch sonst nehme der Beruf viel Zeit in Anspruch. Bei der Copa del Rey sei er beispielsweise zwei Wochen lang 14 Stunden täglich im Einsatz. Auch den Rest des Jahres ist Martínez viel unterwegs. Von Fe­bruar bis Ende September war er als offizieller Regatta-Fotograf beim „Audi Medcup“ in Spanien, Frankreich und Portugal im Einsatz. Anschließend ging es noch zwei Wochen zur TP-52-Weltmeisterschaft nach Lanza­rote. Doch jetzt sei bis Anfang Februar nächstes Jahr erst einmal Pause. „Zeit, um Fotos zu archivieren“, seufzt Martínez. Und wo bleibt da das Privatleben? „Ich habe glücklicherweise eine sehr tolerante Freundin“. Stolz ist er aber auch auf seinen 23-jährigen Sohn Pedro, der in die Fußstapfen des Vaters getreten ist, und ihm bereits bei zahlreichen Regatten als Partner zur Seite stand.