In diesem heißen Sommer scheint die Pandemie in Vergessenheit geraten zu sein. Die Strände in Spanien sind proppenvoll mit Urlaubern, und auf Volksfesten und Musikfestivals feiern die Menschenmengen, als hätte es das Coronavirus nie gegeben. Dabei rollt auch hierzulande einen neue Infektionswelle an. Vergessen scheinen auch die täglichen Beifallsbekundungen vor zwei Jahren, mit denen dem Personal im Gesundheitsbereich für die aufopferungsvolle Arbeit nach Ausbruch der Pandemie gedankt wurde.

Immerhin hat sich nun die spanische Linksregierung an ihre Versprechen an Ärzte und Krankpersonal erinnert und will deren Arbeitsbedingungen verbessern. Am Dienstag (5.7.) segnete das Kabinett ein Gesetz ab, dass 67.300 Mitarbeitern der öffentlichen Gesundheitsversorgung, die seit Jahren nur mit zeitlich befristeten Verträgen abgespeist worden sind, eine Festanstellung garantiert. Nach Absprache mit den Regionen und den Gewerkschaften sollen dazu Stellenausschreibungen erfolgen, in denen den Zeitarbeitskräften die gesammelte Erfahrung angerechnet wird. „Das waren wir dem Personal im Gesundheitswesen in unserem Land schuldig“, erklärte die Regierungssprecherin Isabel Rodríguez auf der Pressekonferenz nach der wöchentlichen Kabinettssitzung.

Von Vertrag zu Vertrag

Der Missbrauch mit den befristeten Verträgen in öffentlichen Krankenhäusern und anderen Einrichtungen ist seit langer Zeit gang und gäbe. Nach Berechnungen der Gewerkschaft CCOO von Dezember haben 40 Prozent der Mitarbeiter im öffentlichen Gesundheitsbereich nur befristete Verträge. Viele reihen seit Jahren einen Vertrag über drei, sechs oder mehr Monate an den anderen, oft für exakt dieselbe Arbeit. Eine stabile Lebensplanung ist so nicht möglich, und viele Frauen beklagen, dass sie nach einer Schwangerschaft keinen Anschlussvertrag bekommen.

Damit es nicht erneut zu einer solchen Situation kommt, legt das neue Gesetz fest, dass Mitarbeiter nach drei Jahren mit Zeitverträgen automatisch eine feste Stelle bekommen. Außerdem werden die Auflagen zur Rechtfertigung eines befristeten Vertrages verschärft. So dürfen Krankenhäuser in Ausnahmefällen wie etwa einer Pandemie oder auch in der Hochsaison, wenn Urlauber das System belasten, zusätzliches Personal auf Zeit einstellen.

Mehr Festverträge

Die Regierung aus Sozialisten und Linken hat sich den Kampf gegen den hohen Anteil der Zeitarbeit im gesamten spanischen Arbeitsmarkt auf die Fahnen geschrieben. Jeder vierte Job ist befristet. Im öffentlichen Dienst liegt die Quote noch höher, was sogar der Europäische Gerichtshof kritisiert. Die Arbeitsmarktreform, die Anfang des Jahres in Kraft trat, hat bereits zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Festverträge geführt. Und auch der Staat zieht nach, um den Anteil der Zeitarbeit mittelfristig auf acht Prozent zu senken.

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich ist auch deswegen nötig, da die Regierung mit einer anderen Reform von Juni das öffentliche System stärken und ausbauen will. So wird die Versorgung wieder der gesamten Gesellschaft geöffnet, auch Migranten ohne Papiere und im Ausland lebenden Spanier, die in der Heimat zu Besuch sind. In manchen Regionen wurde die Behandlung von Migranten nämlich begrenzt. Die Zuschusszahlungen der Patienten für Prothesen und andere medizinische Hilfen werden im Fall sozialschwacher Personen aufgehoben. Zudem soll das Gesetz die Auslagerung von Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung an private Unternehmen stark einschränken. Mit diesem Gesetz werde die „Gerechtigkeit, Kohäsion und Allgemeingültigkeit der öffentlichen Gesundheitsversorgung“ abgesichert, und keine Regierung der Rechten in irgendeiner Region werde sie privatisieren können“, erklärte Ministerpräsident Pedro Sánchez auf einer Veranstaltung vor den Wahlen in Andalusien im Juni, die für seine Sozialisten schmerzlich ausgingen. Einige Verbände der privaten Gesundheitsversorger kritisierten daraufhin, dass die Regierung den privaten Sektor liquidieren wolle.

Das Problem reicht weiter

Auch die Gewerkschaften bleiben bei aller Freude über die jüngsten Gesetzesinitiativen im Gesundheitsbereich bereich skeptisch. Denn um das System zu stärken, bedarf es mehr Maßnahmen und vor allem mehr Geld. Durch die Kürzungen der konservativen Vorgängerregierung im Zuge der Finanzkrise ist der Personalmangel akut. In den kommenden Jahren treten Tausende Ärzte in den Ruhestand, ohne dass es ausreichend Nachwuchs gibt. Dabei altert auch in Spanien die Gesellschaft, und es müssen zunehmend mehr chronische Alterserkrankungen behandelt werden.

Besonders in den Gesundheitszentren bleiben etliche Stellen unbesetzt, da die Konditionen für Mediziner unattraktiv sind. „Irgendwann wird man sich mit einer Verbesserung der Gehälter für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen befassen müssen, denn diese Personen gehören zu den am schlechtesten bezahlten in Europa“, kommentierte die Zeitung „El País“ in einem Leitartikel am Dienstag.

Diese Debatte findet nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines starken Anstiegs der Corona-Infektionen statt. Die Zahl der Covid-Patienten in den Krankenhäusern ist in einer Woche um zehn Prozent gestiegen, sie belegen nun fast zehn Prozent der Betten. Gesundheitsministerin Carolina Darias empfahl am Dienstag, in Innenräumen wieder einen Mundschutz zu tragen. Gesetzlich verordnen will man dies vorerst jedoch nicht.