Neutrale Zuschauer lieben Außenseiter oder Underdogs. Pokalspiele haben daher einen besonderen Reiz, wenn ein unterklassiges Team einen Spitzenclub rauskegeln kann. In den vergangenen beiden Saisons hat sich Drittligist SD Formentera - in der gleichen Liga wie Real Mallorca und Atlético Baleares - als Pokalschreck bewiesen. In dieser Spielzeit traf es Athletic Bilbao. Nun soll der nächste Erstligist aus dem Baskenland folgen. Die kleine Nachbarinsel von Mallorca bestreitet am Mittwoch (3.1., 19 Uhr) das Achtelfinalhinspiel des spanischen Pokals Copa del Rey gegen Alavés.

So manch ein spanischer Fußballfan wird bei der Auslosung kurz auf die Karte geguckt haben: Wo liegt eigentlich Formentera? „Vor einem Jahr wusste das noch niemand", sagt Trainer Tito García. „Seit der Copa kennt man uns in der spanischen Fußballlandschaft." Im Dezember 2016 spielte Formentera in der vierten Pokalrunde gegen den FC Sevilla. 2:14 lautete der Spielstand nach zwei Partien. „Wir hatten keine Ahnung, wie es ist, ein Duell mit Hin- und Rückspiel auszutragen. Zudem war es das erste Mal gegen einen Erstligisten. Die Erfahrung aus der Vorsaison haben wir diese Spielzeit genutzt." Denn Formentera lernt schnell: In der vierten Pokalrunde in dieser Saison warf der Club vor einem Monat Athletic Bilbao aus dem Wettbewerb.

Nicht alle Teams nehmen die Copa del Rey so ernst wie Formentera. Real Mallorca - ungeschlagener Tabellenführer der dritten Liga - flog nach einem Freilos in Runde 1 in der zweiten Runde aus dem Pokal. „Sie sind es gewöhnt, gegen große Mannschaften zu spielen. Für uns ist es ein Traum", sagt García. Mallorca, wie auch Bilbao gegen Formentera, trat mit einer B-Elf an.

Sollte auch Alavés auf die zweite Mannschaft setzen, kommt es für Formentera zum freudigen Wiedersehen. Gegen Alavés B gewann der Club von Tito García im Sommer die Play-offs und stieg erstmals in die dritte Liga auf.

Die Schuld am mangelnde Interesse an der Copa sieht García beim Verband. „Spanien preist seine Liga als die beste der Welt an. Das ist eine große Lüge. Das Pokalsystem müsste geändert werden, damit die Teams mit vollem Einsatz spielen."

García schwebt ein englisches Modell vor. Beim FA-Cup, dem englischen Pendant der Copa del Rey, nehmen alle Teams aller Ligen teil. In Spanien sind es nur die Erst- und Zweitligisten sowie die besten Teams der dritten und vierten Liga.

Auch finanziell ist der Pokalwettbewerb längst nicht so lukrativ wie beispielsweise in Deutschland. Eine knappe Million Euro an Prämien zahlt der DFB an die Vereine, die es ins Achtelfinale des DFB-Pokals geschafft haben (hinzu kommen Einnahmen von Sponsoren, Kartenverkäufen und der TV-Übertragung). „Wir haben für alle vier Runden in dieser Saison 60.000 Euro bekommen", sagt García.

„Für Real Mallorca ist diese Summe keinen großen Einsatz wert. Für uns bedeutet das aber, dass wir uns auf dem Wintertransfermarkt verstärken können", sagt der Trainer. Der finanzielle Unterschied äußert sich auch beim Gehalt. „Mein ganzer Kader verdient 250.000 Euro im Jahr. So viel bezahlt Real Mallorca alleine dem Spieler Lago Júnior."

Generell sieht García seinen Club durch die Insellage ohne Flughafen im finanziellen Nachteil. „Ein Euro in Barcelona ist mehr Wert als ein Euro auf Formentera. Ein Liter Milch kostet auf dem Festland vielleicht 50 Cent. Durch die kostenintensive Anlieferung per Fähre kostet der hier 1,50 Euro." Ein ähnliches Dilemma stellt der Wohnungsmarkt dar. Wie auf Mallorca boomt auch auf Formentera die Ferienvermietung. Da die Spieler wenig verdienen, kommt der Club für die Unterkünfte auf. „In den Sommermonaten Juli und August zahlen wir 30.000 Euro Miete für die Wohnungen von zwei Spielern. Wenn das die Fußballer zahlen müssten, würde niemand zu Formentera wechseln."

Als Spieler von Formentera ist zudem Seetauglichkeit gefragt. Denn alle zwei Wochen geht es erst mit der Fähre nach Ibiza, um von dort aus zu den Auswärtspartien weiterzufliegen. „Daran gewöhnt man sich nie", sagt García. „Beim letzten Spiel dieses Jahres vor zwei Wochen war am Sonntagabend der Hafen von Ibiza wegen des Sturmtiefs „Ana" geschlossen. Wir haben dann am Montag bei zehn Meter hohen Wellen übergesetzt."

„Die Fußballer wissen, dass Formentera ein gutes Schaufenster ist", begründet García die Motivation, diese Strapazen auf sich zu nehmen. Ein Beispiel sei Flügelspieler Adrián Riera. „In der vergangenen Saison durfte er für Getafe B keine Minute in der dritten Liga spielen. Nach seinen guten Leistungen in der Hinrunde spricht nun die ganze Liga über ihn."

Im Hinspiel gegen Alavés will Tito García auf Sieg spielen. „Die sind es nicht gewöhnt, auf Kunstrasen zu spielen. Zudem ist unser Platz etwas kleiner."

Ein Umzug in ein anderes Stadion, um mehr Zuschauer zu bekommen, schließt García kategorisch aus. „Auf Mallorca oder Ibiza könnten wir vielleicht 5.000 Tickets mehr verkaufen. Die Leute auf Formentera sind uns aber wichtiger als die zusätzlichen Einnahmen."

Der Einzug ins Viertelfinale wird im Rückspiel am 10. Januar in Vitoria-Gasteiz entschieden. „Wir sind immer gut drauf, wenn wir ins Baskenland reisen", sagt García nach den Siegen gegen Bilbao und Alavés B.