Wer lange auf ein Ziel hinarbeitet und dieses letztlich erreicht, fühlt sich glücklich - aber auch leer. Um nicht in das sprichwörtliche Loch zu fallen, müssen neue Aufgaben her.

„Nach dem Olympiasieg in Rio war es schwierig, mich zu motivieren", sagt Marcus Cooper Walz. Der Sportler aus Mallorca, Sohn eines Briten und einer Deutschen, gewann 2016 überraschend über die 1.000-Meter-Strecke im Einerkajak. Danach veränderte sich sein Leben. „Ich bin heute viel bekannter. Auch Leute außerhalb der Sportwelt kennen mich, fragen nach einem Foto oder bitten um Rat." Sein Heimatort Cala d'Or widmete ihm eine Sporthalle. Der Fußballclub Real Mallorca lud den Olympioniken gefühlt zu jedem zweiten Heimspiel ein, um ihn zu ehren. „Mir gefällt die Aufmerksamkeit. Es wird mir nicht zu viel", sagt Marcus Cooper.

Um neue mentale Kraft für den Sport zu schöpfen, hat der 23-Jährige ein paar Monate pausiert. „Der Olympiasieg hatte mir gezeigt, dass die harte Trainingsarbeit es wert ist. Aber die Aufgabe, meinen Titel bloß zu verteidigen, motivierte mich nicht", sagt Marcus Cooper. Also hat er die Disziplin gewechselt. Statt allein im Boot zu sitzen, rudert er jetzt in einem Viererkajak und, wenn es die Zeit zulässt, in einem Zweierkajak. Auch die Strecke hat er geändert. Statt über 1.000 Meter geht es im Team meist nur noch über 500 Meter. „Diese Distanz hat mir schon immer besser gefallen. In Rio war sie noch nicht olympisch; sie ist erst für die Spiele in Tokio geschaffen worden."

Dass der Mallorquiner auch mit anderen Leuten im Boot prima harmoniert, hat er bereits in mehreren Wettkämpfen gezeigt. Mit dem Spanien-Vierer gab es bei der EM 2017 über 500 Meter und bei der diesjährigen EM über 1.000 Meter Gold. Bei der WM 2017 holte er im Zweier mit Rodrigo Germade über 500 Meter ebenfalls den ersten Platz. Keine Frage, dass der spanische Viererkajak mit Marcus Cooper bei der diesjährigen WM, die am nächsten Donnerstag (23.8.) im portugiesischen Montemor-o-Velho startet, als Favorit an den Start geht. Mit im Boot sitzen Saúl Craviotto, Cristian Toro und Rodrigo Germade. „Alle anderen werden uns jagen. Der Druck ist enorm", sagt Marcus Cooper. Für einen Start im Zweier­kajak lässt der Terminplan keine Zeit.

Nicht nur die Rolle des Gejagten, auch eine gewisse Durchschaubarkeit in puncto Taktik könnte Marcus Cooper und seinen Teampartnern zum Verhängnis werden. In Rio hatte er sich mit seinem Einerkajak nach dem Start etwas zurückfallen lassen, um dann das Feld von hinten aufzurollen. Der starke Schlussspurt sei auch das Markenzeichen des spanischen Teams, meint Cooper Walz. „Wobei das Aufholen schwieriger ist. Es ist nicht so leicht, zu viert auf Höchsttempo zu kommen."

Das Team für die Olympischen Spiele in Tokio steht, die Trainingsbedingungen in Spanien könnten allerdings besser sei. Die Kajakfahrer trainieren in Trasana in Asturien. Dort waren sie bis Ende Juli in einer Art Jugendherberge untergebracht. „Das Essen war schlecht. Die Matratze alt. Das Gebäude renovierungsbedürftig. Ich habe so schlecht geschlafen, dass ich eines Tages mit Rückenschmerzen aufgestanden bin, unter denen ich heute noch leide", sagt Marcus Cooper. Mittlerweile ist das Team im Hotel untergebracht. Auch die Suche nach einer eigenen Wohnung sei eine Option, wenn feststeht, dass auch im kommenden Jahr in Asturien trainiert wird. Dann ist eine Vorbereitung besonders wichtig. Denn bei der WM 2019 geht es um die Olympia­qualifikation. Nationaltrainer Miguel García hat die mangelnde Unterstützung seiner Sportart bereits bemängelt. „Wir haben derzeit eine starke Kajak-Generation. Wenn wir den Sport aber nicht fördern, dürfte es keine so gute Nachfolge-Generation geben."

Zum Glück denkt der 23-Jährige noch nicht ans Aufhören. Wobei: Sollte Marcus Cooper in Tokio auch im Vierer gewinnen, könnte ihm die Motivation wieder flöten gehen.