Lebbe geht weider, sagte einst Kultcoach Dragoslav Stepanovi?, nachdem sein Verein Eintracht Frankfurt am letzten Spieltag die sicher geglaubte Meisterschaft noch aus den Händen gab. Ähnlich erging es Atlético Baleares. Nachdem der Club im Play-off-Finale am Aufstieg gescheitert ist, geht es in der dritten Liga weiter. Der spanische Fußballverband hat die Staffeln umsortiert, wonach Atlético künftig in Gruppe 1 hauptsächlich gegen Teams aus Madrid und Asturien spielt. Fast der ganze Kader vom Inselclub wird runderneuert. Auch der Stuttgarter Carl Klaus geht. Der 25-jährige Torwart war der letzte deutsche Spieler im Team des Präsidenten Ingo Volckmann. Die MZ traf ihn zum Abschiedsinterview.

Das Play-off-Finale war ein Drama. Wie haben Sie es erlebt?

Es hat sich angefühlt, als wäre die Mannschaft nach dem Gegentor zusammengefallen. Auch das Stadion kam mir tot vor. Ich wollte mich noch wehren, kann als Torwart aber offensiv kaum Einfluss nehmen. In der Halbzeit haben wir uns noch einmal zusammengerauft, schießen drei Tore und hatten noch 15 Minuten für den entscheidenden vierten Treffer. Normalerweise nutzt eine Mannschaft, die so einen Lauf hat, diese Chance. Über die Saison gesehen hatten wir viel Glück. In den Play-offs war der Fußballgott gegen uns. Die Minuten und Tage danach waren hart. Das war die oft zitierte gefühlte Leere.

Zuschauer, Spieler, Trainer - fast jeder hat geweint. Wie nah ging Ihnen der verpasste Aufstieg persönlich?

Wir haben 44 Wochen am Stück jeden Sonntag gespielt, hatten nur zu Weihnachten frei. Man sieht Familie und Freunde wenig. Am Ende hatten wir ein sportlich hohes Ziel. Der Unterschied zwischen dritter und zweiter Liga ist in Spanien extrem. Da steht viel auf dem Spiel. Das tut sehr weh, wenn man es dann so knapp nicht schafft.

Ist es unfair, dass der Staffelmeister nicht direkt aufsteigt?

Unfair ist es nicht. Bevor ich hergekommen war, wusste ich, wie das System funktioniert. So wurde uns keine Leistung im Nachhinein geraubt. Allerdings fühlt es sich bescheiden an, wenn man in seiner Staffel mit acht Punkten Vorsprung Meister wird, 2019 nur ein Spiel verliert und zwei Mal in den Play-offs wegen eines Auswärtstors ausscheidet. Das ist bitter, aber es gibt Kriterien für den Aufstieg. Und diese haben wir nicht erfüllt.

In Ihren drei Saisons hier gab es sportlich eine Achterbahnfahrt. Im ersten Jahr in den Play-offs gescheitert, dann Rettung vor dem Abstieg am letzten Spieltag, nun im Play-off-Finale ausgeschieden...

Ich hoffe für den Club, dass es im nächsten Jahr nicht wieder gegen den Abstieg geht. Auch von meinen Spielanteilen und meinem Gesundheitszustand war es eine Achterbahnfahrt. Das Jahr war bis auf die letzten fünf Minuten sensationell. Ich hab jedes Spiel gemacht, und wir haben oft zu null gespielt. Es hat Spaß gemacht in der Truppe und dem Umfeld.

Nach dem Play-off-Aus vor drei Jahren folgte ein sportlicher Absturz. Was denken Sie, wie es im kommenden Jahr bei Atlético Baleares weitergehen wird?

Ich wünsche dem Verein nur das Beste. Aber der Club hat es nicht einfach, da erst spät klar war, dass wir nicht aufsteigen. Viele Spieler hatten Klauseln, die im Aufstiegsfall den Vertrag verlängert hätten. Nach der starken Saison gibt es Mannschaften, die sehr viel Geld für einzelne Spieler bieten. Da kann Atlético Baleares nicht bei allen Spielern mitbieten. Wie ich mitbekommen habe, werden höchstens fünf bis zehn Spieler bleiben und nur die Hälfte der Stammelf. Der Markt für Neuverpflichtungen ist nicht mehr so groß. Es wäre schon schwierig, eine Meisterschaft

mit der gleichen Mannschaft zu bestätigen. Mit einem neuen Team ist das eine Herkulesaufgabe.

Sie haben in der vergangenen Saison den Sprung zum Stammspieler geschafft. Warum verlassen Sie nun den Verein?

Es fühlt sich an, als wenn eine Etappe zu Ende geht. Nach dem verpassten Aufstieg mit den Entscheidungsspielen ganz am Schluss ist die neue Saison wie ein Neustart. Wären wir aufgestiegen, wäre ich geblieben. So fiel meine Entscheidung für eine neue Aufgabe.

Wie bewerten Sie Ihre Zeit auf der Insel?

Es war eine Zeit mit Höhen und Tiefen. Der Kontakt zu den Einheimischen war mit meinem deutschen Aussehen nicht einfach. Die Mallorquiner bleiben gerne unter sich und stempeln mich als Tourist ab. Ich hatte viel Besuch von Familie und Freunden. Das hat mir am meisten geholfen. Im Winter gibt es aber in meinem Alter kaum Deutsche oder Nicht-Spanier auf der Insel, mit denen ich sonst viel zu tun hatte. Ich hatte mir das mit den Spaniern einfacher vorgestellt.

Sie hatten ein Probetraining beim Zweit­ligisten SV Darmstadt. Wie lief es?

Gut. Ich hab mich ordentlich präsentiert, und die Verantwortlichen waren von mir angetan. Der Verein ist auf der Torhüterposition nicht schlecht ausgestattet. Jetzt müssen wir sehen, wie sich der Club das sportlich mit mir vorstellt. Entschieden ist noch nichts. Ich bin erst am Montag (15.7.) aus dem Trainingslager mit dem Verein zurückgekehrt.

Wie läuft sonst Ihre Vereinssuche ab? Schicken Sie Lebensläufe raus?

Ich bewerbe mich nicht. Mein Berater hält die Ohren steif. Allerdings ist der Zeitpunkt für einen Torhüter ungünstig. Einen Stürmer kann man immer zusätzlich verpflichten. Wenn ich aber als deutscher Club einen Stammtorhüter habe, dann brauche ich keinen zweiten. Und gerade sind fast alle Vereine belegt. Wenn es nicht mit Darmstadt klappt, muss ich hoffen, dass irgendwo ein Torhüter weggekauft wird oder sich jemand langfristig verletzt. Ich bin aber entspannt. Irgendetwas wird sich schon ergeben. Die Leute in Deutschland haben auch mitbekommen, dass ich eine gute Saison gespielt habe.

Haben Sie dann noch groß die Wahl? Und auf welche Faktoren schauen Sie?

Ich kann mir die Wahl ja machen. Es bleibt immer die Option, ein Angebot abzulehnen. Wenn ich auf Teufel komm raus etwas finden wollte, hätte ich schon längst meine Unterschrift unter einen Vertrag setzen können. Da ich aber so eine starke Saison gespielt habe, bin ich nicht bereit, alles zu tun. Die wichtigsten Faktoren sind die Ligahöhe und die Chance auf Einsätze. Danach kommt die Nähe zu Freunden, Freundin und Familie. Und ob es eine lebenswerte Stadt ist. Ich bin nicht nur Fußballer, ich bin auch ein Mensch.

Würden Sie sich lieber bei einem Erstligisten auf die Bank setzen oder bei einem Zweitligisten spielen?

Bei einem Zweitligisten spielen.