Von Thomas Zapp

Ihr Vater Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort gehörte zum engeren Kreis der Hitler-Attentäter, wurde am 4. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Nona von Haeften war damals vier Jahr alt. Sie nimmt sich zurück, drängt sich nicht in den Vordergrund. „Das ist lange her", schränkt sie gleich zu Beginn ein, „ich weiß nicht mehr, ob ich die Dinge selbst erlebt habe oder ob man sie mir erzählt hat."

Und doch ist da eine Erinnerung an den 20. Juli 1944. Die Familie befand sich auf dem Lehndorffschen Schloss in Ostpreußen, dem 20.000 Hektar-Anwesen an der masurischen Seenplatte. „Meine Eltern standen auf dem Balkon, schauten Richtung Berlin. Sie wussten ja ungefähr, wann die Bombe explodierte. Kurze Zeit später kamen vier Wagen der SS auf den Hof gefahren. Mein Vater flüchtete durch den Garten", sagt sie.

Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort wurde gefasst und hingerichtet. Die Adelsfamilie verlor ihren gesamten Besitz, der mit der Einrichtung aus dem Dresdner Zwinger nach Russland verbracht wurde. Die Mutter Gottliebe kam in ein Straflager, die Kinder in das KZ Bad Sachsa, wo sie getrennt untergebracht wurden, sich selten sahen. Die Familienbande der Geschwister sollten zerstört werden.

An eine Diphtherie-Epidemie im Lager kann sich Nona von Haeften noch erinnern: „Ich gab meiner kleinen Schwester Suppe, sie war blau angelaufen." Ein Jahr mussten die Kinder dort aushalten. Dann kam ihre Tante, Gräfin Marion Dönhoff, die spätere Herausgeberin der „Zeit", und holte sie heraus. Eine kurze Zeit lebte sie in Torgau, flüchtete bei Kriegsende nach Bremen.

Zu ihren Schwestern hat sie bis heute engen Kontakt. Catharina designt erfolgreich Gürtel, die neben Stars wie Udo Jürgens auch Nona selbst gerne trägt. Vera war als „Veruschka" in den 60er und 70er Jahren ein bekanntes Model und Schauspielerin („Blow Up"). Die Jüngste, Gabriele, wurde Homöopathin.

Familientreffpunkt Mallorca

Zweimal im Jahr trifft man sich auf Mallorca, denn auch Catharina hat auf der Insel mittlerweile ein Haus. Nona von Haeften leide am wenigsten der Schwestern unter ihrer Vergangenheit, wie sie selbst sagt. „Ich kann Ihnen nicht sagen warum. Ich bin auch die einzige, die nicht wieder an unserem Schloss war. Das kommt aber noch irgendwann", sagt sie.

Im Laufe ihres Lebens begegnete sie ihrer Vergangenheit immer wieder. Auf einem Treffen der Hinterbliebenen der Attentäter traf Marie-Eleonore von Lehndorff ihren späteren Mann Jan von Haeften. Dessen Vater Hans Bernd von Haeften, Kulturattaché im Auswärtigen Amt, sollte für die Verschwörer nach dem Attentat die Macht im Außenministerium übernehmen. Er wurde nach dem gescheiterten Anschlag, bei dem sein jüngerer Bruder Werner von Haeften erschossen wurde, verhaftet und hingerichtet. Mit Jan von Haeften hat die Gräfin zwei Söhne.

Auf der Insel lebt sie seit 1990 mit ihrem Lebensgefährten Wolf Siegfried Wagner, einem Urenkel Richard Wagners. Er arbeitet als Architekt, die beiden ergänzen sich auch beruflich gut. In ihrem Geschäft an der Carretera Palma-Artà in Manacor verbergen sich einige Schätze wie die gewaltige Flügeltür aus einem ländlichen mallorquinischen Gutshof. Die Zeiten hätten sich geändert. „Ich habe heute weniger Antiquitäten, mehr moderne Möbel im Angebot. Gute Antiquitäten sind leider immer teurer", sagt sie.

Ein deutsches Nachrichtenmagazin hat sie in einer Reportage einmal als Geschmacksberaterin der Mallorca-Schickeria dargestellt, aber sie hält das für übertrieben. „Was ist das denn, Society? Ich bin keine Society." Sicher habe sie prominente Kunden. „Ich war vor zehn Jahren die einzige, die Stilberatung geboten und ein ganzes Einrichtungskonzept erstellt hat. Da hatte ich automatisch viele deutsche Kunden, darunter auch einige Prominente", sagt sie. Das Gefühl für kultivierten Wohnstil wurde ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt, lernen musste sie es nicht. „Ich habe mit 17 geheiratet, eine Lehre habe ich nie gemacht", erzählt sie mit ihrem dunklen Timbre in der Stimme. Sie ist häufig umgezogen und hat mit der Zeit Spaß daran gefunden, neue Räume einzurichten.

Mit ihrer Geschichte wird sie dabei immer wieder konfrontiert. „Um den 20. Juli herum marschiert einem die SS jedes Jahr aus dem Fernseher entgegen", sagt sie. Und zum 50. Jahrestag des Attentats war sie zu einer Gedenkfeier im Bendler-­Block, der ehemaligen Zentrale der Widerstandskämpfer in Berlin-Tiergarten. Mallorca werde für sie nur eine Zwischenstation sein, sagt sie. In einigen Jahren will sie wieder nach Deutschland ziehen. Die Tendenz geht Richtung Hamburg.

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