Der Fall der Mauer kam für den Bauunternehmer Miguel Llabrés Feliu gerade zur richtigen Zeit. Ähnlich wie heute herrschte Anfang der 90er Jahre in Spanien Flaute am Bau. Die Auftragsbücher waren leer, seine Leute standen sich die Beine in den Bauch. Dann flatterte 1993 eine Anfrage auf den Tisch. Ob er nicht einige Aufträge im Osten Deutschlands übernehmen wolle. „Ich habe mich nicht angeboten, man hat mich förmlich gesucht“, sagt der ­Mallorquiner. An seinen ersten Besuch in den neuen Ländern kann er sich noch genau ­erinnern: „Ich war erschrocken, was der Kommunismus dort in den zurückliegenden Jahrzehnten angerichtet hatte. Die Welt war grau, die Häuser zerfallen, ein schlimmer Anblick für jemanden, der die Architektur und Häuser liebt.“

Wenige Wochen später hatte er seinen ersten Bautrupp in Ostberlin am Start. Sein wichtigster Mann war Michael Slany, ein deutscher Bauleiter, den Llabrés Feliu in Madrid angeheuert hatte. „Ohne ihn hätte ich das Abenteuer Deutschland nicht angehen können“, sagt der Mallorquiner. „Er suchte einen Profi, ich suchte einen anständigen Unternehmer. So haben wir beide uns gefunden,“ sagt der Deutsche.

Die Mannschaft bestand aus 120 Mann. Llabrés Feliu war hauptsächlich als Subunternehmer für andere große deutsche Bauunternehmen tätig. Die meisten seiner Arbeiter kamen aus der Extremadura, Galicien und einige auch aus Portugal. Richtig gute Leute seien das gewesen. „Mallorquiner lassen sich hingegen nur schlecht verpflanzen, das gilt heute wie damals“, sagt der Chef. Weil er schnell begriff, dass der Aufbau Ost keine Angelegenheit von ein paar Monaten war, kaufte er ein altes Lehrlingsheim aus DDR-Zeiten im Umland von Berlin auf. Dort wurden 70 seiner Beschäftigten untergebracht. Die anderen schliefen in Baucontainern.

Llabrés Feliu übernahm jeweils den Betonskelettbau, auf den sich sein Unternehmen schon damals spezialisiert hatte. Maurer- und Putzarbeiten wurden hingegen von deutschen Unternehmen ausgeführt. Die Abnahmen der Bauten sind Llabrés Feliu als besonders pingelig in Erinnerung geblieben. „Eben typisch deutsch“, ergänzt Bauleiter Slany, „da kam es nicht auf den Zentimeter, sondern auf den Millimeter an“.

Man habe im Gegensatz zu vielen Konkurrenzunternehmen in Spanien schon damals sehr genau nach Plan gearbeitet. „Das ist uns in Deutschland zugute gekommen“, glaubt Llabrés Feliu. Die Auftraggeber zeigten sich dank der mallorquinischen Sorgfalt denn auch sehr zufrieden. „Termingerecht und qualitativ einwandfrei in Ordnung“, heißt es in einem der vielen Empfehlungsschreiben, die der Mallorquiner fein säuberlich abgeheftet hat. Dabei hatten es die Aufträge in sich. In Chemnitz errichtete Llabrés Feliu ein Technologiezentrum für Siemens, in Leipzig das Dorint-Hotel. Insgesamt waren es 21 Bauten, darunter auch einige modernistische Entwürfe.

Die Bedingungen waren für die sonnenverwöhnten Spanier nicht immer einfach: „Teilweise haben wir bei minus 15 bis minus 20 Grad gearbeitet. Bei solchen Temperaturen sind viele unserer Leute zuvor gar nicht erst aus dem Haus gegangen“, sagt Slany. Llabrés Feliu selbst besichtigte nur hin und wieder die Baustellen in der ehemaligen DDR und vertraute ganz auf seinen erfahrenen deutschen Bauleiter. Bis 1996 blieben die Bautrupps aus dem Süden im deutschen Osten, dann wurden die Aufträge weniger. Llabrés Feliu beendete das Abenteuer Deutschland mit dem Verkauf des Lehrlingsheims. Mittlerweile hatte in der Heimat die Konjunktur wieder kräftig angezogen und sollte dem Unternehmen in den Jahren darauf volle Auftragsbücher bescheren. Slany blieb bei Llabrés Feliu und ging mit seinem Chef nach Mallorca. Hier wurden vor allem Hotels gebaut, wobei es auch im Wohnungsbau auf der Insel und dem spanischen Festland viel zu tun gab.

Bis vor Ausbruch der Baukrise vor knapp zwei Jahren standen in seiner Firma mehr als 700 Beschäftigte auf der Gehaltsliste. Mittlerweile ist die Belegschaft auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Miguel Llabrés Feliu ist eines der Opfer des insolventen Bautycoons Vicenç Grande, für den er unter anderem das Fünf-Sterne-Hotel Sa Torre bei Llucmajor errichtete. Auf neun Millionen Euro wartet Llabrés Feliu bis heute vergeblich.

In Zeiten wie diesen denkt der Mallorquiner gerne an die Aufbruchstimmung zurück, die damals im Osten Deutschlands herrschte. Ein zweiter Mauerfall käme der Bauwirtschaft jetzt gelegen, sagt er schmunzelnd. Vor einigen Jahren war er übrigens wieder einmal in Deutschlands Osten auf Urlaubsreise unterwegs. Unglaublich, wie sich das Land in den vergangenen 20 Jahren verändert habe, sagt er. Und ein wenig stolz sei er schon, zum Wandel in den neuen Ländern seinen Anteil geleistet zu haben.

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