Was die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) zu Beginn dieser Woche verkündete, lässt Mimi Kirk hoffen. Die Behörde der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Verzehr von verarbeitetem Fleisch als krebserregend eingestuft. „Das habe ich schon immer gewusst", sagt die 77-Jährige, die seit einem Jahr zwischen Kalifornien und Mallorca pendelt. „Im Internet hat die Meldung schon für Tumult gesorgt - mindestens 50 Leute haben mir deshalb geschrieben. Mal schauen, was sich dadurch ändert," sagt sie.

Mimi Kirk gilt als Koryphäe für gesunde Ernährung und deren verjüngende Wirkung auf den Körper. Seit gut 40 Jahren isst sie größtenteils vegetarisch. Sie wurde Veganerin, lange bevor der komplette Verzicht auf tierische Lebensmittel zur Mode mit teils militanten ­Zügen wurde. Sie selbst will niemandem vorschreiben, was und wie man zu essen hat: „Ich kritisiere andere Leute nicht wegen ihrer Ernährung. Das ist der falsche Ansatz, es schreckt nur ab." Für Mimi Kirk ist Ernährung eine Frage des Bewusstseins. Den Verzicht auf Fleisch verbindet sie direkt mit ihrem spirituellen Werdegang.

Kirk ist nicht nur in Los ­Angeles, sondern direkt im Stadtteil Hollywood geboren, in armen Verhältnissen. Als junge Frau arbeitete sie als Showgirl in Las Vegas, dann heiratete sie und bekam vier Kinder. Mit gerade einmal 29 Jahren wurde sie Witwe. „Ich war arglos, wusste nicht viel, hatte kein Geld, keine Versicherung und musste meine Kinder versorgen," sagt sie. Also fing sie an, in Hollywood als Statistin zu arbeiten, 18 Jahre lang. Kirk hatte unter anderem Auftritte bei „Star Trek", zudem war sie viele Jahre das Double der für den Oscar ­nominierten Schauspielerin Mary Tyler ­Moore („Eine ganz normale Familie").

Den Schicksalsschlag in jungen Jahren hat sie längst in ihre Lebensgeschichte integriert: „Das hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin", sagt sie. Denn in der Krise entdeckte Kirk auch das Meditieren für sich - jeden Tag bis zu zwei Stunden. „Wenn du meditierst, merkst du, dass alles verbunden ist." Und so habe sie eines Tages festgestellt, dass sie Tieren keinen Schaden mehr zufügen wollte. Seither lebt die 77-Jährige weitgehend fleischlos.

Als Mimi Kirk sich entschied, auch noch raw vegan zu werden, also nur noch vegane Rohkost zu sich zu nehmen, hatte sie zuvor mit ihrem Freund wieder öfter Fleisch gegessen. Damals war sie 69 und hatte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen: Die Waage zeigte etwa zehn Kilo mehr an, ihr Blutdruck war erhöht, die Cholesterinwerte stiegen und die Gelenke schmerzten arthritisch. Nicht ungewöhnlich für ihr Alter, der Arzt wollte ihr Pillen verschreiben, die Kirk aber nicht wollte.

„Ich fing an, im Internet zu recherchieren, und alles deutete in diese Richtung: vegan und ungekocht. Ich dachte ´Oh nein!´, ich koche doch so gerne", sagt die Kalifornierin. Sie überwand den anfänglichen Widerstand und begann mit einer einwöchigen Saftkur. Von der veganen Rohkost war sie sofort überzeugt, ihre Werte normalisierten sich, die vom Arzt verordneten Tabletten musste sie nie nehmen. „Rohes, veganes

Essen hat mich gerettet", sagt sie.

Die verfügbaren Rezepte gefielen ihr jedoch weniger. Also fing sie an, selbst Gerichte zu kreieren. Mit ihren Kochbüchern will sie mit dem Vorurteil aufräumen, dass man als „Rohveganer" so gut wie nichts mehr essen könne.

Denn die neue Ernährungsweise bescherte Mimi Kirk einen Berufswechsel, zu dem ihr indirekt auch Peta verholfen hat: 2009 wählte die Tierschutzorganisation Mimi Kirk zur sexiest Veganerin über 50 - sie war 69. „Davor hatte ich 100 Freunde auf Facebook, danach waren es plötzlich 1.500, jetzt sind es mehr als 112.000", sagt sie. Kirk verkaufte ihre damalige Firma, die ein Brettspiel und Produkte unter dem Motto Wilder Westen vertrieb, und entschied sich, neue Wege zu beschreiten.

„Ich lebe mein Leben, das ist das, was andere anzieht", sagt sie. Nach Mallorca kam sie erstmals aufgrund einer Einladung zu einem Vortrag. Es gefiel ihr so gut, dass sie sich einen Zweitwohnsitz in Port d´Andratx zulegte. Inzwischen hat sie drei Raw-Food-Kochbücher geschrieben, hält weltweit Vorträge zum Thema, gibt Interviews. Die Journalisten interessierten sich dabei vor allem für zwei Aspekte: ihr Aussehen und ihre Tipps für ein langes Leben. „Mitunter lassen sie Leser oder Zuschauer mein Alter schätzen, aber eigentlich will ich das gar nicht", sagt Kirk. Das Äußere sei für sie eher das Ergebnis innerer Arbeit.

Mimi Kirk ist überzeugt: Dass wir älter werden, bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir altern müssen. „Die Leute sollten nicht einfach glauben, was Ärzte und Medien uns jeden Tag weismachen: dass unsere Krankheiten altersbedingt sind", sagt sie. Ihren Arzt fragte sie, ob er andere Patienten nicht von ihren positiven Erfahrungen mit raw food erzählen wolle. Seine Antwort war ernüchternd: Die Mehrheit sei nicht bereit, ihren Lebensstil zu ändern.

Kirks Rezept für ein langes, gesundes Leben basiert auf selbst­verantwortlichem Handeln. „Die Leute sind faul. Sie nehmen lieber Tabletten, weil sie den Aufwand scheuen oder weil sie nicht daran glauben, dass es andere Wege gibt", sagt sie. Ernährung sei das wichtigste Element, um gesund zu bleiben, aber nicht das einzige: Bewegung und eine positiven Einstellung komplettieren den magischen Dreiklang. „Wenn ich früher angefangen hätte, Sport zu machen, wäre ich noch fitter. Es liegt an dir, was du aus deinem Leben machst. Sei kein Opfer, selbst wenn du krank bist", sagt Kirk.

Ihren guten Genen kann sie ihre Gesundheit jedenfalls nicht zuschreiben: Zwei ihrer Schwestern erkrankten an Krebs, eine starb an einem Herzinfarkt, ihr Bruder an Leukämie, ihr Vater hatte Parkinson und Diabetes, ihre Mutter wurde Schlaganfällen und Herzproblemen zum Trotz über 90 Jahre alt. „Ich bin nicht gesund, weil ich Glück habe, sondern weil ich gut auf mich achte, und das ist das Ergebnis," sagt Kirk. Mit 77 Jahren nimmt sie weder Medikamente, noch plant sie in Rente zu gehen. „Ich stehe jeden Morgen auf und fühle mich alterslos", sagt sie, und grinst: „Dann schaue ich in den Spiegel und denke ´Hilfe, wer ist das?"

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