Keine normalen Regelschmerzen: Wie Endometriose viele Frauen auf Mallorca schwer beeinträchtigt

Starke Regelschmerzen werden oft bagatellisiert. Dabei stecken häufig chronische Krankheiten wie Endometriose dahinter. Hilft da das neue Vorreiter-Gesetz zur Krankschreibung überhaupt? Betroffene berichten

Regelschmerzen sind für Endometriose-Patientinnen oft unerträglich

Regelschmerzen sind für Endometriose-Patientinnen oft unerträglich / Annette Riedl/dpa

Sophie Mono

Sophie Mono

Stechende, unerträgliche Schmerzen. So schlimm, dass sie den Alltag fast unerträglich machen. „Man hat das Gefühl, es nicht aushalten zu können. Man kann nicht laufen, sich kaum bewegen, sogar das Atmen fällt schwer.“ Seit rund 30 Jahren ist dieser regelmäßig wiederkehrende Zustand für Sandra Darder normal. Monat für Monat, stets in der Woche, bevor ihre Blutung ansteht, geht es los. Manchmal dauert es 15 Tage, bis es ihr wieder besser geht. Und auch dann ist ihr Leben stark beeinträchtigt. Die 47-jährige Mallorquinerin leidet unter Endometriose – einer Krankheit, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutterhöhle wuchert. Endometriose ist alles andere als selten: Gut zehn Prozent aller Frauen in Spanien sind betroffen. „Und doch wissen die Allgemeinärzte und sogar viele Gynäkologen im öffentlichen Gesundheitssystem auf den Balearen kaum etwas darüber“, sagt Darder.

Zur Arbeit gequält, bis nichts mehr ging

Auch Cris Varela (36) hatte den Begriff noch nie gehört. Bis vor knapp zwei Jahren, als sie selbst die Diagnose bekam. „Und noch immer hat mein Kopf es nicht ganz verarbeitet“, sagt sie. Varela ist eine toughe Frau, arbeitete lange in einem männerdominierten Beruf. Jeden Monat quälte sie sich an den schlimmen Tagen mit Schmerzmitteln abgefüllt zur Arbeit. „Ich habe immer gedacht, ich kann doch nicht so schwach sein, mich nur wegen Regelschmerzen krankmelden zu lassen“, erzählt sie. Zumal alle Ärzte ihr stets suggerierten, dass mit ihr alles in Ordnung sei. „Die Menstruation tut nun einmal weh“, war ein Satz, den sie oft hörte. Also ging sie zur Arbeit – selbst dann, als auch die höchsten Tabletten-Dosierungen nichts mehr bewirkten. „Bis mich meine Kollegen an einem Tag ins Krankenhaus brachten, so schlimm war es.“ Selbst das Morphium, das ihr dort verabreicht wurde, reichte anfangs nicht aus, die Schmerzen auszuschalten. Erstmals untersuchte auch ein Endometriose-Spezialist die damals 34-Jährige – und sah sofort, was seine nicht spezialisierten Kollegen in all den Jahren nicht festgestellt hatten: Ihr Bauchraum war voller Entzündungen, die Gebärmutterschleimhäute wucherten unkontrolliert.

"Nicht von Ärzten abspeisen lassen"

Laut der Vereinigung von Endometriose-Patientinnen (ADAEC) sind in Spanien knapp zwei Millionen Frauen betroffen. Nicht alle weisen so starke Symptome auf wie Sandra Darder oder Cris Varela, doch sie alle beeinträchtigt die chronische Erkrankung, für die es bestenfalls Linderungen, aber keine Heilmittel gibt. „Das Problem ist, dass viele die Diagnose erst sehr spät bekommen, weil Regelschmerzen normalisiert werden. Dabei sind starke Schmerzen immer ein Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist“, sagt Aina Flaquer. Auch sie lebt auf Mallorca und ist Endometriose-Patientin, möchte ihren echten Namen aber nicht in der Zeitung lesen. „Die Krankheit beginnt mit dem Einsetzen der ersten Menstruation. Ich kann jeder jungen Frau, die monatlich leidet, nur raten, sich untersuchen zu lassen. Und Geduld zu haben, sich nicht abspeisen zu lassen. Denn oft dauert es lange, bis die Ärzte herausfinden, was es wirklich ist“, sagt Flaquer. Zumal kaum ein Arzt an die einzigen Spezialisten auf den Balearen im Son-Espases-Hospital überweise. „Dort einen Termin zu bekommen, ist, wie um eine Audienz beim Papst zu bitten“, sagt Sandra Darder. Oft hätten sich die Verwachsungen dann schon so weit ausgebreitet, dass mehrere Organe betroffen sind – und normaler Alltag nicht mehr möglich ist. Unfruchtbarkeit, Darmprobleme, Depressionen – die Liste der Leiden, die mit Endometriose einhergehen, ist lang.

„Endometriose bringt einen in der Regel nicht um, aber mir hat sie mein Leben genommen“, sagt Cris Varela. Früher sei sie aktiv gewesen, immer auf den Beinen. Heute sitze sie nur noch zu Hause herum – eine durch die Endometriose ausgelöste zentrale Sensitivierung lässt sie auch außerhalb der Menstruationstage leiden. Selbst die künstliche Einleitung der Menopause habe bisher nicht vermocht, ihr Leiden zu mindern. So fassungslos Varela noch darüber ist, dass sie weder Kinder haben, noch zu ihrem alten Lebensrhythmus zurückkehren kann – ganz verloren hat sie ihren Kampfgeist nicht. „Ich gehe zur Akupunktur, zur Ernährungsberatung, zur Pflanzentherapie und zum Psychologen. Irgendwie will ich mein altes Leben wiederherstellen. Zumindest ein Stück weit.“

Hilft das neue Gesetz?

Von der Politik fühlen sich die drei Frauen, wie viele andere auch, weitgehend vernachlässigt. Dabei gibt es in Spanien durchaus Versuche, durch Gesetzesänderungen einige Nachteile auszugleichen, die vielen Frauen aufgrund ihres Geschlechts zuteil werden. So wie das Vorzeigeprojekt der ehemaligen spanischen Gleichstellungsministerin Irene Montero von der linksalternativen Protestpartei Unidas Podemos. Ihr Vorstoß, Frauen das Recht einzuräumen, sich problemlos krankschreiben zu lassen, wenn sie unter unerträglichen Regelschmerzen leiden, sorgte bei Inkrafttreten im Juni 2023 europaweit für Gesprächsstoff. Viele lobten den Vorreiter-Charakter der Gesetzesinitiative. Das Besondere: Die Krankenkasse springt ab Tag eins ein. Und tatsächlich zeigt das Gesetz bereits weniger als ein Jahr später Wirkung: Allein auf den Balearen stiegen die Krankschreibungen wegen Regelschmerzen auf den Inseln laut Statistiken der Gesundheitsbehörde IB-Salut von 400 im Jahr 2022 auf 795 im Jahr 2023 an.

Doch so ganz glaubt Sandra Darder nicht an die Effektivität der Gesetzesänderung. „Für einige Frauen mag sie hilfreich sein. Viele andere trauen sich aber trotz der Regelung nicht, sich krankschreiben zu lassen, aus Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie jeden Monat mehrere Tage fehlen.“ Nach 25 Operationen, Jahrzehnten voller Schmerzen, zahlreichen Folgeleiden und einer durch die Endometriose ausgelösten Depression hat die 47-Jährige zumindest ein wenig Erfüllung darin gefunden, sich in der spanischen ADAEC-Vereinigung zu engagieren. Auf den Balearen hält sie Kontakt zu vielen anderen Frauen, die ebenfalls unter der Diagnose leiden. Für die härtesten Fälle, weiß sie, sei die tageweise Krankschreibungsregelung ohnehin unerheblich. Meist läge dann eine dauerhafte Krankschreibung vor, wie bei Cris Varela, die früher oder später in eine Arbeitsunfähigkeit mündet – so, wie es auch Darder selbst und Aina Flaquer ergangen ist.

Mehr Wissen muss her

„Es wird in der Öffentlichkeit schon mehr über das Thema Endometriose geredet als noch vor zehn Jahren“, bewertet Aina Flaquer. Sie hat Glück, dass ihr Umfeld sie stets ernst genommen hat. Auch ihr Mann stehe ihr immer zur Seite. „Aber gerade im Arbeitsumfeld gibt es immer noch viel zu viel Unverständnis“, findet Sandra Darder. Endometriose im Speziellen oder Regelschmerzen im Allgemeinen seien eben keine Themen, die in oft männergeführten Chefetagen Beachtung fänden. „Und in der Politik auch nicht.“

„Statt der Krankschreibungsregelung sollte das Augenmerk lieber auf den Kern der Sache gelegt werden“, findet auch Cris Varela. Sprich: mehr Gelder für die Forschung, mehr Weiterbildungen für das medizinische Personal. „Denn das Schlimmste ist, etwas zu normalisieren, was nicht normal ist."

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