Vorreiter-Gesetz in der Praxis: Was bringt den Frauen das Recht auf Krankschreibung bei Regelschmerzen?

Die Zahl der Krankschreibungen wegen Menstruationsbeschwerden hat sich auf den Balearen verdoppelt - doch viele scheuen den Schritt noch immer, aus Angst vor der Kündigung

Eine Frau hält sich eine Wärmflasche an den Unterbauch, während sie im Bett liegt (gestellte Szene). Viele Betroffene der Unterleibserkrankung Endometriose leiden unter starken Symptomen und damit verbundenen Einschränkungen im Alltag.

Eine Frau hält sich eine Wärmflasche an den Unterbauch, während sie im Bett liegt (gestellte Szene). Viele Betroffene der Unterleibserkrankung Endometriose leiden unter starken Symptomen und damit verbundenen Einschränkungen im Alltag. / Foto: Annette Riedl/dpa

Seit knapp einem Jahr dürfen Frauen in Spanien per Gesetz bei heftigen Regelbeschwerden von der Arbeit fernbleiben. Die Kosten dafür übernimmt vom ersten Tag an die Krankenkasse. Die Gesetzesänderung, die damals als europaweit fortschrittlich galt und über die auch in den Medien in Deutschland viel berichtet wurde, zeigt in der Realität nun Auswirkungen: Auf Mallorca und den Nachbarinseln hat sich die Zahl der Krankschreibungen wegen Regelschmerzen in den vergangenen Monaten verdoppelt. Doch viele Frauen zögern trotz starker Schmerzen noch immer den Schritt zu gehen.

Laut den Statistiken der balearischen Gesundheitsbehörde IB-Salut vom Jahr 2023 sind auf den Inseln 795 Krankschreibungen mit der Diagnose "dolor menstrual fuerte" verzeichnet - im Jahr 2022, also vor der Gesetzesänderungen, waren es nur 400 gewesen. Die neue Regelung trat im Juni 2023 inkraft.

Seit der Gesetzesänderungen haben Frauen in Spanien das Recht, bei Regelschmerzen zu Hause zu bleiben - und zwar so lange, wie die Schmerzen andauern. Um arbeitsfrei zu bekommen, muss eine betroffene Frau allerdings von einem Frauenarzt oder einer Frauenärztin starke Regelschmerzen diagnostiziert bekommen. Sie muss nicht, wie zuerst gedacht, eine Krankheit diagnostiziert bekommen haben, die zu solchen starken Regelschmerzen führt.

Trotz des deutlichen Anstiegs sind die Zahlen Experten zufolge sehr gering - vor allem, wenn man bedenke, dass allein etwa 10 bis 15 Prozent der Frauen an Endometriose leiden - einer von mehreren Krankheiten, die starke Regelschmerzen mit sich bringen. "Viele Frauen nehmen trotz starker Schmerzen immer noch davon Abstand, sich krankschreiben zu lassen. Sie gehen zur Arbeit und versuchen sich mit Medikamenten über Wasser zu halten, weil sie Angst haben, dass ihnen sonst gekündigt wird", so Sandra Darder. Sie ist die Abgeordnete für die Balearen bei der spanienweit agierenden Betroffenen-Vereinigung Endometriose (AEDEC). "Und das, obwohl das Ziel des Gesetzes eigentlich war, Nachteile, die Frauen im Berufsalltag haben, zu eliminieren."

Schritt zur Gleichberechtigung oder in der Praxis doch Benachteiligung?

Tatsächlich galt das Gesetz als Aushängeschild der ehemaligen Gleichstellungsministerin Irene Montero vom linken Bündnispartner Unidas Podemos. Bereits vor seiner Verabschiedung gab es aus den Reihen der sozialistischen PSOE von Regierungschef Pedro Sánchez Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf. So warnte das Wirtschaftsministerium von Nadia Calviño, die Regelung könne Frauen im Wettbewerb um Arbeitsplätze in der Praxis benachteiligen.

Dass das Thema durch die neue Regelung mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft gedrungen ist, und Regelschmerzen mittlerweile weder als Tabuthema noch als Bagatelle gehandelt werden, ist jedoch offensichtlich. Laut IB-Salut habe in den eine Enttabuisierung stattgefunden, die schon mehrere Jahre andauert und sich in den Zahlen der Krankschreibungen niederschlägt: So waren im Jahr 2017 nur 126 Krankschreibungen wegen Regelschmerzen auf den Balearen verzeichnet, im Jahr 2019 waren es 177 und im Jahr 2021 waren es 156. Nicht nur die Frauen selbst, sondern auch das medizinische Personal sei mittlerweile für das Thema sensibilisiert. /somo

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