Spannung steigert man, indem man Leser auf die falsche Fährte lockt. Wer denkt schon am Strand an ein Verbrechen? Der Kontrast zwischen Paradies und Bluttat funktioniert seit biblischen Zeiten, raffiniert eingesetzt hat ihn zum Beispiel Agatha Christie in ihrem 1941 publizierten und 1982 auf Mallorca verfilmten Krimi „Evil Under the Sun" (Das Böse unter der Sonne): Eine dösende Schönheit am Strand, die ihr Gesicht unter einem schicken Hut vor der Sonne schützt, entpuppt sich als Leiche.

Viele Autoren haben es Agatha Christie nachgemacht, einheimische und auswärtige: Sie legten eine Blutspur auf die Insel. Nun findet im Rahmen des Festivals von Pollença ein fünftägiges Krimi-Seminar statt, das sich vor allem an Studenten und Dozenten richtet (50 bzw. 100 Euro Einschreibegebühr). Eine Leiche möchte man der Gruppe rund um Autoren wie Eduardo Mendoza und Enrique Vila-Matas (Barcelona), Lorenzo Silva oder Máximo Pradera (Madrid), ­Petros Màrkaris (Griechenland), die US-Amerikanerin und Wahlvenezianerin Donna Leon oder José Carlos Llop aus Palma nicht wünschen. Doch das Setting könnte Agatha Christie gefallen: Eine gemischte Gruppe trifft an einem geschlossenen Ort aufeinander. Hercule Poirot hätte in Son Brull einen großen Auftritt.

Der Ort ist auch deshalb gut gewählt weil Agatha Christie selbst in den 1930er Jahren in Port de Pollença einige Urlaube verbracht hat. Dort spielt denn auch die Kurzgeschichte „Paradies Pollensa" („Problem at Pollensa Bay"), veröffentlicht in dem Band „Die mörderische Teerunde": Der bekannte Detektiv Mr. Parker Pyne will ein paar Tage inkognito im Hotel verbringen, wird aber sofort in einen Fall verwickelt ...

Auch spanische Autoren sind dem Blutspur-im-Sandstrand-Motiv verfallen. Maria Antònia Oliver (geb. 1946) stammt aus Manacor und lässt in „Mallorca Mord inbegriffen" (Eichborn, 2001) ihre Detektivin Lònia Guiu in der Gegend von Pollença nach einem verschwundenen Mädchen ermitteln. Oder Guillem Frontera, geboren 1945 in Ariany, der in „Das Mallorca-Komplott" (Grafit, 2001, auch als Hörbuch erhältlich) einen Whisky trinkenden und Joints rauchenden Detektiv im Urlaub auf einen Fall ansetzt. Andere wichtige mallorquinische Krimiautoren sind Antoni Serra oder Josep Maria Palau i Camps. Ihre Figuren, Inspektor Jaume Arbòs und Detektiv Celso Mosqueiro, haben auf der Insel Kultstatus, sind aber nicht auf Deutsch erschienen (auf Katalanisch bei Editorial Moll).

Empfehlenswert ist weiterhin Lorenzo Silvas „Tödlicher Strand" (Goldmann, 2004). Der gestandene Madrider Autor lässt Sargento Vila den Mord an einer österreichischen Touristin klären. Und Martín Solanes schickt in „Mallorquinisches Blut" (Piper, 2010) eine Tatort-Fotografin auf die Spur eines Serienmörders, der seine Opfer in alte mallorquinische Stoffe einwickelt. Wer Mallorca-Morde in Serie lesen will, kann sich auch Werner Geismers Detektivserie zur Insel einverleiben (Schenk, 2009), mit Michael Böcklers Reise-Gourmet-Krimis von Restaurant zu Restaurant ziehen (Knaur, 2010) oder aber mit Andreas Schnabel die Insel-Toten Revue passieren lassen (Emons).

Der Film „Evil under the Sun" spielt im Original übrigens nicht auf Mallorca, sondern im englischen Devon. Peter Ustinov ist darin Hercule Poirot. Während der Dreharbeiten wurde er zum treuen Mallorca-Fan. Schade, dass Ustinov nicht mehr lebt. Er wäre der perfekte Gast beim Krimi-Forum in Pollença: Für den falschen Detektiv war Mallorca das wahre Paradies.

„La novela negra: desde Agatha Christie a nuestros días", 6. bis 10.8, Auditorium Colonya Caixa Pollença in Pollença. Donna Leon liest zudem am 11.8. bei einem Konzert im ­Kloster Santo Domingo in Pollença.

www.festivalpollenca.com

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