„Mein Körper sagt mir immer noch: Tu es nicht!" Doch Tony Martínez tut es immer wieder. Bereits 200 Basejumps hat er hinter sich. Er beherrscht alle nötigen Techniken. Aber in der Nacht vor einem neuen Sprung findet er trotzdem keinen Schlaf. Da hilft nur eines: zusammenreißen. „Schließlich bereite ich mich manchmal fünf Monate vor."

Auch beim Sprung bleibt er angespannt und sieht zu, schnell den quadratischen Base-Fallschirm zu ziehen. Anders als ein herkömmlicher Fallschirm bremst er den Fall schnell ab. Bei 48 Metern, der Minimalhöhe für einen Basejump, ist alles nach ein paar Sekunden vorbei. „Erst wenn ich nach der Landung meinen Schirm zusammengerafft habe, beruhige ich mich wieder", sagt der 41-jährige Andalusier, der seit Jahren in Palma lebt, einen Sohn hat und sich im richtigen Leben als Türsteher von Diskotheken verdingt. Er ist der Einzige, der diesen hochriskanten, in den USA erfundenen Sport auf den Balearen treibt. Spanienweit hat er nur etwa 30 Kollegen.

Auf die Idee, sich von Felswänden oder Hochhäusern ins Leere zu werfen, kam Martínez vor acht Jahren. Damals hatte er allerdings noch nie einen Fallschirmsprung absolviert. Weil dies aber als Vorbereitung fürs Basejumpen Pflicht ist, sprang er vier Jahre zunächst aus Flugzeugen. „Im Jahr 2011 hatte ich 250 normale Fallschirmsprünge zusammen", sagt er. Genug, um den nächsten Schritt zu wagen. „Ich wollte nur noch Basejumping machen." Ein wichtiger Unterschied: Die Landungen sind deutlich schwieriger als bei herkömmlichen Sprüngen.

Tony Martínez will eben kein normales Leben. „Mich faszinieren intensive Gefühle." Für verrückt hält er sich nicht, auch wenn er sich im Internet Tony MaDtinez nennt. „Wenn man es raus hat, ist es nicht viel anders als Auto fahren." Und wer würde schon einen Formel-1-Fahrer oder einen Raucher als durchgedreht bezeichnen? Klar, am Anfang habe er Angst gehabt, dass sein Sohn ihn verlieren könnte. Doch das habe sich mit zunehmender Selbstsicherheit gelegt.

In den vergangenen Jahren sprang Martínez von Felswänden ins Meer, von Brücken wie etwa in Lissabon, von einer Felswand in einem verlassenen Steinbruch bei Sa Pobla und vom einzigen Gebäude der Insel, das infrage kommt. „Vom etwas über 50 Meter hohen Asima-Hochhaus im Gewerbegebiet Son Castelló habe ich es nachts gegen 1 Uhr gemacht." In Rufweite eines Polizeireviers: „Ich ging einfach durch eine Nottür in das Treppenhaus und dann hoch aufs Dach." Das sei nicht illegal. Die Betreiber hätten ihn zwar angezeigt, doch weiter sei nichts geschehen. „Ich habe schließlich niemanden gefährdet."

Tony Martínez´ großer Traum ist, einmal im Leben den höchsten Wasserfall der Welt, den Angel-Fall in Venezuela, herunterzuspringen. „Doch das ist leider verboten." Und auch ein Sprung von Palmas Kathedrale sei nicht möglich. „Sie ist nicht steil genug." Mehr Chancen rechnet sich Martínez beim 376 Meter tiefen Urwaldloch Sótano de las Golondrinas (Keller der Schwalben) in Mexiko aus. Doch vorher steht Spaniens höchstes Hotel als Highlight auf seiner Liste: das 186 Meter hohe Gran Hotel Bali in Benidorm.

Martínez verletzt sich bei Sprüngen zuweilen leicht. Besonderen Respekt flößen seine Basejumps ins Wasser ein. „Nach einer Landung im letzten Winter im Gardasee verhedderte ich mich am Fallschirm und ertrank fast", erinnert sich der Extremsportler. Ein zufällig vorbeifahrender Kanufahrer rettete ihm das Leben. Neuerdings trägt Martínez deswegen das Gerät einer deutschen Firma am Handgelenk. Es zündet explosionsartig einen Ballon, der ihn an die Wasseroberfläche schießen lässt.

Manchmal erlaubt sich Martínez Purzelbäume in der Luft - sogenannte Frontflips. Und mit einem Flügelanzug à la Batman bleibt er besonders lang in der Luft. Dass es mit diesem windsuit zu tödlichen Unfällen kam, stoppt den Andalusier nicht. „Ich will länger schweben, es soll nicht so schnell vorbei sein." Martínez´ Augen leuchten auch dann hell auf, wenn er von Pioniersprüngen berichtet: Auf Menorca und in Sevilla war er der Erste überhaupt, der Basejumps wagte. Insgesamt elf seiner Aktionen waren Erstsprünge. „Denen geben wir Basejumper immer Namen, die dann offiziell registriert werden." Seinen Sohn bedachte er bereits, auch seine Großmutter.

Tony Mart?nez finanziert sein Vergnügen weitgehend selbst, sucht aber Sponsoren (tonymadbase@gmail.com