Fröhliche Musik erfüllt den Spielraum in der Kindertagesstätte „Happinenss" in Portitxol auf Mallorca. Eine große Glasfront lässt helles Tageslicht herein und gibt den Blick frei auf ein weitläufiges Außengelände mit Kunstrasen und Spielgeräten. Im Nachbarraum stehen kleine Klappbetten gestapelt, und ein Baby schläft in einem Körbchen, behütet von einer Erzieherin.

Alles ist bei „Happinenss" auf die null- bis dreijährigen Besucher ausgerichtet. Die Ecken sind ausgepolstert, die Steckdosen außerhalb der Reichweite der Patschehändchen angebracht, gefährliche Kleinteile verbannt. „Wisst ihr, welches Tier das ist?", fragt eine junge Erzieherin im Spielraum und hebt eine gebastelte Maske in die Höhe. Zahlreiche Augenpaare blicken gespannt zu ihr auf. „Ein Tiger", sagt der kleine Toni und strahlt, als er sie aufsetzen darf. Noch mehr Masken zaubert die junge Frau aus einer Mappe, schon bald wimmelt es von kleinen Elefanten, Giraffen, Hunden und Bären.

Wenn es nach der balearischen Sozialministerin Fina Santiago ginge, dann würde „Happinenss" bald nicht mehr existieren - zumindest nicht in seiner jetzigen Form. Denn die Kindertagesstätte ist eine guardería asistencial, eine Einrichtung also, in der die Betreuung der Kinder im Vordergrund steht und die abzugrenzen ist von centros educativos infantiles (CEI) - auf Katalanisch oft auch escoletes genannt -, in denen Bildung an erster Stelle steht. „Die Landesregierung ist dafür, dass es weiterhin Kitas gibt, die nicht als Bildungseinrichtung gelten", so Santiago Anfang Dezember.

Nicht, dass die Landesregierung die guarderías einfach abschaffen könnte - das hat ein Gerichts­urteil aus dem Jahr 2010 klargestellt. Denn Bildungspflicht besteht in Spanien genau wie in Deutschland erst ab sechs Jahren. Doch der Begriff guardería asistencial hat auf den Balearen nicht bei allen einen guten Ruf - zu Unrecht, wenn man sich Einrichtungen wie

„Happinenss" anschaut.

Es liegt wohl daran, dass der Begriff weit gefasst ist. „Wer will, kann heute eine guardería in einer Garage aufmachen, es gibt ­keinerlei Kontrollen", so Sozialministerin Santiago. Das Einzige, was derzeit zur Eröffnung erforderlich sei, ist eine Betriebsgenehmigung. Weder an das Personal noch an die Räumlichkeiten seien derzeit rechtliche Bedingungen geknüpft. Wenn man die Betreuungszentren schon nicht abschaffen könne, so wolle man mit dem neuen Gesetzentwurf zumindest für ein Mindestmaß an Voraussetzungen sorgen, so Santiago: Pro Kind müssen laut dem neuen Gesetzesentwurf mindestens 1,5 Quadratmeter zur Verfügung stehen, die Kinder dürfen maximal zehn Stunden in der Krippe bleiben, die Schlafräume müssen von den Spielzimmern getrennt sein, und es müssen genügend Toiletten für die Kinderstärke zur Verfügung stehen. Inspektoren sollen das kontrollieren.

Dozenten der Pädagogik-Fakultät der Balearen-Universität, die sich zur Initiative „Asamblea 0-3" zusammengetan haben, geht das nicht weit genug. Sie bemängeln, dass die Anforderungen auch in Zukunft immer noch deutlich unter denen liegen würden, die centros educativos erfüllen müssen, und befürchten eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, weil die sozial Schwachen sich nur Plätze in den „Garagen-Kitas" leisten könnten. Ihre Forderung: In Zukunft soll es nur noch centros educativos geben, die alle mit dem gleichen Maß gemessen werden.

Yolanda García und Carmen López, die Gründerinnen von „Happinenss", können darüber nur den Kopf schütteln. Ihre Einrichtung hat vor Inspektionen ohnehin nichts zu befürchten, da sie schon jetzt mehr als die Mindestanforderungen erfüllt: Alle Mitarbeiterinnen sind ausgebildete Erzieherinnen, die Räumlichkeiten sind groß genug, die Hygienestandards penibel. Hier herrscht eher Luxusambiente statt Garagenflair - und die Preise liegen sogar deutlich über denen der öffentlichen CEIs. „Die Einführung von Mindeststandards finden wir vernünftig. Aber warum dieser generelle Druck?", fragen sie sich. „Wir bieten bewusst ein anderes Konzept an. Wir arbeiten mit Kleinkindern, sie sollen bei uns spielend lernen, es ist wichtig, dass sie Spaß dabei haben. Wir passen uns ihrem Rhythmus an, statt strikte Lehrvorgaben einzuhalten", so Yolanda García.

Auch bei der Frage, ob mit dem Kind Spanisch, Englisch oder Katalanisch gesprochen werden soll, sei man flexibler - ein Konzept, das gerade Menschen entgegenkommt, die das deutsche Kita­system gewöhnt sind. „Wir haben uns bewusst für die guardería asistencial entschieden", so Antoni Rey, der in Deutschland aufwuchs und dessen Sohn ebenfalls bei „Happinenss" ist. „Er ist dort superglücklich, und auch die flexiblen Betreuungszeiten kommen uns entgegen." Und: Anders als bei den öffentlichen centros educativos gibt es bei den guarderías keine Wartelisten. „Dieses Problem bekommt die Politik bei staatlichen Kitas nicht in den Griff, und wir bieten eine Lösung", so Yolanda García.

Das Sozialministerium will nun 2018 zusätzliche Kita-Plätze in den centros educativos schaffen. „Ideal wäre zudem mehr finanzielle Unterstützung für die Eltern", findet Francisca Picornell, Vorsitzende des Unternehmerverbands Pimem Guarderías. Sie verdammt die guarderías asistenciales nicht per se und heißt den Gesetzesentwurf gut: „Für die Einrichtungen, die ordentlich arbeiten, wird es keine Probleme geben." Aber man wisse eben auch von schwarzen Schafen. „Das darf nicht sein. Schließlich geht es hier um unsere Kinder."