Die 730.701 Wahlberechtigten auf den Balearen sollen am 20. November über die Zusammensetzung des spanischen Abgeordnetenhauses in Madrid entscheiden – das Ergebnis aber wird auch auf den Inseln die politischen Koordinaten neu setzen. Je nach Wahlausgang steht ein Wechsel in jenen Posten der Inselverwaltung an, die direkt Madrid unterstehen. Zudem ist die balearische Landesregierung trotz regionaler Eigenständigkeit vor allem in finanziellen Dingen auf die Zentralregierung angewiesen.

So könnte in einige Großprojekte auf Mallorca plötzlich neuer Schwung kommen: Muss bislang eine konservativ geführte Regionalregierung mit den Sozialisten in Madrid verhandeln, würde im Fall eines Siegs des PP-Spitzenkandidaten Mariano Rajoy parteipolitische Harmonie herrschen. Theoretisch könnte das etwa der Sanierung der Playa de Palma zugutekommen: Die Zentralregierung gehört dem zuständigen Konsortium mit an und muss den Löwenanteil der öffentlichen Gelder stellen.

Direkt der Zentralregierung unterstehen der Küstenschutz, innere Sicherheit oder die Ausländerbehörde. Wenn die Sozialisten wie erwartet ihre Mehrheit verlieren, wird Ramon Socias seinen Hut nehmen müssen. Er ist seit acht Jahren Delegierter der Zentralregierung auf den Balearen. Nicht umsonst brachte sich der Sozialist in den vergangenen Monaten für den Parteivorsitz ins Gespräch, nachdem Francesc Antich bei den Regionalwahlen im Frühjahr von den Wählern abgestraft worden war. Sein Büro in Madrid räumen müsste zudem der Mallorquiner Joan Mesquida, derzeit höchster Verantwortlicher für Tourismus im spanischen Industrieministerium.

Auch auf die Sparpolitik auf den Balearen könnte der Urnengang am 20. November Auswirkungen haben. So steht zu befürchten, dass die schärfsten und unpopulärsten Maßnahmen etwa in den Gesundheitszentren und Schulen erst nach der Stimmabgabe bekannt gemacht werden, um den erwarteten Siegeszug der Konservativen nicht zu gefährden. Mit diesem Argument versuchen die Insel-Sozialisten im Wahlkampf denn auch zu retten, was zu retten ist: Sie profilieren sich als Bewahrer des öffentlichen Gesundheits- und Bildungssystems. Die PP-Politiker treten hingegen als Krisenmanager auf. Frühere Versprechen der Parteien, in Madrid Geld für Mallorca loszueisen, sind dagegen kaum mehr zu hören.

Sozialisten droht Debakel

Welche balearischen Kandidaten in das spanische Parlament gewählt wurden, war in der jüngsten Vergangenheit meist schon im Vorfeld klar: Den Sprung nach ­Madrid schafften trotz schwankender Mehrheitsverhältnisse jeweils vier Kandidaten von PP und PSOE. Im März 2008 holten beide Parteien rund 44 Prozent – wobei die Sozialisten erstmals nach 22 Jahren leicht vorne lagen.

Dass dieses Jahr die PSOE laut Umfragen voraussichtlich nur drei Abgeordnete entsendet, zeigt die Krise der Sozialisten – in Spanien wie auch auf Mallorca, wo die Partei noch immer ihre Wunden nach dem Machtverlust im Frühjahr leckt. Wenig hilfreich ist die geringe Bekanntheit des balearischen Spitzenkandidaten Pablo Martín: Laut einer aktuellen Umfrage kennen ihn nur 61 Prozent der eigenen Anhänger. Bei einem Einzug der Ökosozialisten (PSM-IV-ExM) ins Parlament würden der PSOE sogar nur zwei Balearen-Abgeordnete bleiben.

Kandidaten-Debatte in der PP

Umgekehrt würde ein fünfter ­Balearen-Parlamentarier für die PP dem Parteivorsitzenden und Landesfürsten José Ramón Bauzá weiter den Rücken stärken. Die Konservativen könnten dann auf allen politischen Ebenen nach Gutdünken Entscheidungen treffen. Bauzá stand allerdings bei der Aufstellung der Kandidaten vor dem Problem, dass sich besonders viele Politiker Hoffnung auf einen Listenplatz machten, nachdem zuvor zahlreiche Posten in der Landesregierung der Sparpolitik zum Opfer gefallen waren. Rechtfertigen musste sich Bauzá zum einen für den Senatskandidaten von Ibiza, Pepe Sala, der Beschuldigter in einem Korruptionsfall ist, sowie für Isabel Borrego auf Listenplatz vier: Sie gehört zwar der Balearen-PP an, ist aber derzeit Stadträtin in Pozuelo de Alarcón in der Region Madrid.

Ökosozialisten guter Hoffnung

Die linksnationalistische PSM tritt zusammen mit der Grünen-Partei Iniciativa Verds (IV) und der regionalen Splitterpartei Entesa per Mallorca (ExM) an, was der Wahlliste den umständlichen Namen PSM-IV-ExM beschert. Die Hoffnung auf einen Einzug rührt vom guten Ergebnis bei den Regionalwahlen im Frühjahr. Die Gruppierung konnte zudem mehr als 11.000 statt der geforderten 731 Unterschriften präsentieren, die erstmals alle Parteien ohne Vertretung im Parlament vorweisen mussten, um bei den Wahlen antreten zu können. Spitzenkandidat Miquel Ensenyat könnte zudem auf der Welle der Protestbewegung 15. Mai reiten: Die linke Öko-Gruppierung sieht sich als Alternative zu den großen Volksparteien und teilt mit den Demonstranten die Forderung nach mehr Demokratie und strengeren Auflagen für die Finanzwirtschaft. Regionalparteien haben in Spanien ohnehin gute Chancen, da die Mandate ausschließlich mit einem Mehrheitswahl-System in den Provinzen vergeben werden. Dennoch hatten viele Anhänger linksregionaler Kleinparteien aus pragmatischen Gründen bislang den Sozialisten ihre Stimmen gegeben.

Die sonstigen Regionalparteien auf Mallorca sparen sich denn auch mangels Erfolgsaussichten den Wahlkampf– die Convergència per les Illes als Nachfolgepartei der Unió Mallorquina ebenso wie die neugegründete Lliga Regionalista. Die Vereinigte Linke (IU) und die Unión Progreso y Democracia (UPyD) können zwar davon ausgehen, ins spanische Parlament einziehen, allerdings nicht mit ihren balearischen Spitzenkandidaten. Die restlichen der elf Wahllisten auf den Balearen dürften leer ausgehen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 17. November (Nummer 602) lesen Sie außerdem:

- Porträts von Rubalcaba und Rajoy

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