Die Pins wollen nicht umfallen. Ständig bleibt einer stehen. Raquel Mir wirft die Arme in die Luft und winkt beim Zurückgehen ab. „Die ersten Kugeln fallen mir immer schwer", sagt die mallorquinische Spielerin beim Aufwärmen für ihre Trainingseinheit im Mallorca Bowling in Palma. „Jetzt aber", sagt sie, während die Kugel in der achten Runde noch die Bahn entlangrollt. Die Kugel schlägt ein und räumt alles ab. Mir ist aufgewärmt und wirft den nächsten Strike gleich hinterher. Auf 169 Punkte kommt die 33-Jährige in ihrer Aufwärmpartie. Mit so einem Ergebnis wird sie ab Samstag (4.11.) beim Bowling World Cup im mexikanischen Hermosillo nicht viel reißen.

Der QubicaAMF Bowling World Cup zählt zu den weltweit größten Turnieren, ist aber nicht mit der alle zwei Jahre stattfindenden Weltmeisterschaft zu verwechseln. 24 Spiele müssen die Teilnehmer an den ersten vier Turniertagen spielen. Auf jeder Bahn wird zu zweit gespielt. Nach jedem Spiel werden die Partner gewechselt. Dadurch lernt man die Mitspieler kennen. „Es gibt prinzipiell zwei Typen an Bowlingspielern: die redseligen, die jeden Strike feiern, und die stillen, die nach jedem Wurf sich routinemäßig hinsetzen und konzentrieren", sagt Mir. „Ich gehöre zu letzteren."

Nach den 24 Spielen werden die Punkte zusammengerechnet und der Durchschnitt ermittelt. Demzufolge ziehen die 24 besten Spieler - unterteilt in Männer und Frauen - in die nächste Runde ein. Raquel Mir hat in diesem Jahr einen Schnitt von 180 Punkten, mit dem sie aktuell auch für die EM im kommenden Juni in Belgien qualifiziert wäre. „Spanienweit stehe ich auf Rang vier. Die besten sechs Spielerinnen qualifizieren sich."

Die Favoriten beim Turnier Mexiko kommen aus den USA und Kolumbien. Rocio Restrepo - in etwa die Cristiano Ronaldo des Bowlings - hat einen Schnitt von 215. „In Lateinamerika hat der Bowling-Sport einen ganz anderen Stellenwert. Das sind Profi-Spieler, die den ganzen Tag nichts anderes machen."

Wie schwierig es die Spieler auf Mallorca haben, zeigt schon die Anzahl der Bowlingbahnen: Es gibt nur eine. „Früher gab es noch eine in Porto Pi. Da habe ich mit Kollegen nach der Arbeit oft eine Runde gespielt", sagt Mir, die hauptberuflich in einem Brillengeschäft arbeitet.

Auf Mallorca spielte sie mit dem Team Bolo Marivent. „Für die nationale Meisterschaft braucht ein Team sechs Spielerinnen. Es gibt aber nur drei Mallorquinerinnen, die spielen." Bei den balearischen Meisterschaften machte Mir 2011 mit einem Sieg auf sich aufmerksam. Ein Jahr später wurde sie vom Fusion Bowling Team in Madrid verpflichtet. „Das beschränkt sich aber nur auf die etwa zwölf Turniere im Jahr. Sonst spielt jedes Teammitglied für sich." Die Mallorquinerin wird von Luz Leal trainiert. Die ehemalige kolumbianische Profispielerin ist heute Event-Managerin im Mallorca Bowling, wo Mir drei Mal die Woche trainiert.

Ein perfektes Spiel mit 300 Punkten sei ihr noch nicht einmal im Training gelungen, sagt Mir. „279 war mein bestes Ergebnis. Doch da der Durchschnitt zählt, sind so überragende Spiele meist nicht gut. Denn danach folgt oft ein schlechtes Spiel, da man sich vorher total verausgabt hat."

Bowlingspieler auf diesem Niveau haben ihre eigenen Kugeln. Mir hat deren fünf, alle mit 15 Pfund Gewicht. „Der Unterschied liegt in der Beschaffenheit der Oberfläche und im Drehverhalten." Ein weißer Punkt in der Nähe der Löcher gibt das bei den professionellen Kugeln an. Mit rauen Schwämmen werden die Kugeln an die jeweilige Bahn angepasst. „Die Bowlingbahn ist immer 19,2 Meter lang. Aber jeder Betreiber ölt die Bahn anders ein. Darauf muss man sich einstellen." Die Profi-Ausrüstung wird mit einem Handschuh, der das Handgelenk schützt, und Schuhen mit austauschbarer Sohle für den perfekten Rutsch komplettiert.

Als Mir eine kurze Pause einlegt, bietet sie dem Redakteur an, eine Runde zu spielen. „Schwenk den Arm nicht zur Seite", rät sie, nachdem die erste Kugel frühzeitig in die Rinne gerät. Die zweite Kugel räumt geradeso einen Pin ab. Aber es ist der eine verdammte Pin, der bei Mir am Anfang

immer stehen blieb.