Zu den derzeitigen Corona-Hotspots auf der Insel gehört mir mehr als 50 registrierten Fällen auch das beschauliche Santa Maria del Camí unweit von Palma. Das Rathaus hat die Sicherheitsmaßnahmen bereits wieder erhöht. Der bei Einheimischen, Urlaubern und Residenten gleichermaßen beliebte Sonntagsmarkt ist fürs Erste eingestellt, die Kinderspielplätze sind ­geschlossen. Und der Bürgermeister ­Colau ­Canyelles besteigt wieder persönlich den Traktor und desinfiziert nachts die Straßen.

„Die Leute sind besorgt, das bin ich auch", sagt er der MZ. „In den vergangenen Wochen haben sich die Einwohner zu sehr entspannt und die Hygienemaßnahmen vernachlässigt. Das ist aber in ganz Europa passiert und nicht nur in Santa Maria. Es herrscht der Trugschluss, dass das Coronavirus wie eine Grippe ist, die im Sommer nicht existiert."

Die Stimmung beim MZ-Besuch am Montag (24.8.) ist angespannt. „Wir sind verärgert über die Journalisten und reden nicht mit der Presse", sagt ein Gastwirt an der Plaça Hostals. „Die Zeitungen sind schuld daran, dass unsere Läden leer sind." Auch der ­Italiener auf der gegenüberliegenden Straßenseite sieht das so. Vom Tankwart an der kleinen Tankstelle gibt es Verschwörungstheorien zu hören. „Sie sollten mal nachfragen, ob die Testergebnisse korrekt sind. Angeblich soll ja die Pharmaindustrie die Resultate fälschen."

Auf dem quer durch den Ort verlaufenden Carrer Bernat de Santa Eugènia verkehren zwar viele Autos, etliche Bars und Geschäfte aber sind geschlossen. „Seit zwei Wochen ist es so leer hier", sagt Karen Nievas vom Restaurant La Bodeguita. Die deutsche Reisewarnung und die britische Quarantäne dürften dabei eine Rolle spielen, ebenso wie die Tatsache, dass es Montag ist. Doch da ist auch die Angst vor der Ansteckung. Im Dorf geistern Gerüchte umher, warum es ausgerechnet Santa Maria so stark getroffen hat. „Einige Bewohner haben sich wohl im Urlaub angesteckt und haben das Virus mitgebracht. Andere arbeiten im Krankenhaus und sollen sich dort angesteckt haben", sagt Karen Nievas.

Marina B'Hamel Mishina von dem Restaurant-Ausstatter Glass & Bar Supply befürchtet, dass es noch schlimmer kommen wird, dass auch diejenigen Barbesitzer bald schließen werden müssen, die noch aufhaben. „Sie wissen derzeit nur noch nicht, wann das sein wird." Herzstück der örtlichen Wirtschaft ist der Sonntagsmarkt. „Einige Läden haben extra dafür geöffnet", sagt Mishina. Am vergangenen Sonntag (23.8.) war jedoch der vorerst letzte Markttag. „Zu dem Markt strömen Woche für Woche 4.000 bis 5.000 Besucher. Das war einfach zu gefährlich", sagt der Bürgermeister. „Wir haben nur wenige Polizisten und Mitarbeiter im Rathaus. Wir hätten den Ansturm nicht kontrollieren können." Weiter abgehalten wird der Obst- und Gemüsemarkt unter der Woche. Wann der Sonntagsmarkt wieder öffnen darf, hänge von der Corona-Kurve ab.

Der mallorquinische Bauernverband befürchtet, dass daraus ein Dominoeffekt entstehen könnte und nach Santa Maria weitere Ortschaften ihre Märkte schließen. „Dabei ist es viel sicherer, auf einem kleinen Markt an der frischen Luft einzukaufen als in einem großen Supermarkt, wo alle Kunden in eine geschlossene Halle gedrängt sind", sagt Sebastià ­Ordines gegenüber dem „Diario de Mallorca". „Für viele Kleinbauern sind die Märkte die einzige Möglichkeit, ihre Produkte zu verkaufen."

Damit die Corona-Kurve schnellstmöglich abflacht, fährt der Bürgermeister wieder seinen Traktor aus der Garage. „Bereits während des Lockdowns hatten wir einen Aufruf gestartet, damit die Landwirte uns helfen, das Dorf zu desinfizieren. Damals bekamen wir an die 20 Traktoren zusammen", sagt Canyelles. Diesmal haben die Landwirte weniger Zeit, da sie mit der Ernte beschäftigt sind. So hat der Bürgermeister mehr zu tun. „Ich bin selbst Hobby-Landwirt, und der Traktor ist meiner. Zudem muss ich als Vorbild vorangehen." Drei Mal wöchentlich zieht er zwei Stunden seine Runden durchs Dorf, um Straßen und Bänke zu desinfizieren. „Die Gesundheitsbehörde meint, dass Reinlichkeit eine gute Präventivmaßnahme ist. Da fangen wir bei der Gemeinde an."

Seinen Traktor hat er mit einem großen ­Sticker verziert, der die Aufschrift „Caçavirus" trägt. „Den hat eine Designerin aus Santa Maria für uns gefertigt. Ich bin 51 Jahre alt. In meiner Jugend war der Film ,Cazafantasmas' (,Ghostbusters', Anm.?d.?Red.) beliebt. Wir haben den Sticker auch an Kinder verschenkt." Auch die Bewohner Marias seien dazu angehalten, die Eingänge und Gehwege vor dem Haus mit Wasser und Bleichmittel zu reinigen.

„Die Verunsicherung ist groß. Die Anwohner haben vor einer erneuten Quarantäne Angst", sagt Melanie Roth von der Filiale des Immobilienunternehmens Engel & Völkers. Der Bürgermeister schließt das aber kategorisch aus: „Als Rathaus sind wir dazu nicht befugt. Die Anzahl der Ansteckungen würde das auch nicht rechtfertigen. 56 Fälle bei mehr als 8.000 Einwohnern sind immer noch weniger als ein Prozent."