Der folgende Fall ist fiktiv, zeigt aber die bittere Arbeits-Realität von Hunderten sogenannter Handlinger, die am Flughafen von Palma Ferienflieger entladen.

Nennen wir unseren Protagonisten Juan. Er arbeitet in Son Sant Joan, wo im vergangenen Jahr über 26 Millionen Passagiere abgefertigt wurden. Reisende, die den Balearen viel Geld bescheren. Nur bei Juan kommt davon nicht viel davon an. Er gilt am Flughafen als Vollzeit-Kraft und verdient rund 900 Euro im Monat. Vollzeit-Kraft, das heißt, Juan arbeitet in der Theorie rund 38 Stunden in der Woche.

In der Praxis ist es deutlich mehr. Juan schuftet zwischen 40 und 50 Stunden und hat mehrere Teilzeitverträge bei unterschiedlichen Unternehmen, die untereinander im Wettbewerb sind. „Am Flughafen befinden sich etwa 70 Prozent der in diesem Bereich arbeitenden Personen in derselben Situation. 90 Prozent aller Angestellten im Handling sind darüber hinaus fijos discontinuos, haben also im Winter oft keine Arbeit", sagt Pep Ginard, Generalsekretär der Bereiche Transportwesen und Kommunikation bei den Commisions Obreres (CCOO), mit 900.000 Mitgliedern in Spanien eine der größten Gewerkschaften.

Der Trick mit den Verträgen

Zeitlich begrenzte Verträge kennt man auf der Saison-Insel Mallorca vor allem aus der Hotellerie. Während der touristischen Hauptsaison werden mehr Hilfskräfte benötigt, als zum Beispiel im besucherschwachen Februar. „Das sehen wir ja auch ein", sagt Ginard. Was die Gewerkschaft dagegen nicht tolerieren kann, ist die Tatsache, dass viele der im Handling angestellten Arbeitnehmer inzwischen beinahe am Flughafen wohnen. Es lohne sich schlicht nicht, zwischen den Schichten nach Hause zu fahren. „Haben Sie noch nie Handlingmitarbeiter am Flughafen getroffen, die sich in den öffentlichen Toiletten die Zähne geputzt oder umgezogen haben?", fragt Ginard.

Und dann liest er aus seinen Aufzeichnungen einen typischen Arbeitstag eines Mitarbeiters vor: „Die erste Schicht beginnt um fünf Uhr früh und dauert drei Stunden. Danach sind zwei Stunden Pause, in denen sich der Betreffende umzieht, weil er nun für ein anderes Unternehmen eine Schicht beginnt. Die dauert bis 14 Uhr, dann sind eineinhalb Stunden Pause, bevor um 15.30 Uhr die nächste Schicht startet." Viele ­würden so auf 12 bis 14 Arbeitsstunden täglich kommen, bei einem Verdienst von 1.000 Euro brutto, wenn sie viel Glück hätten. Unser Juan könnte sich derzeit von dem Geld kaum eine Wohnung leisten, geschweige denn eine Familie ernähren.

Die Situation am Flughafen habe sich verschlimmert, seit im Jahr 2015 mit dem Unternehmen Ground Force, einem Ableger des Tourismus-Giganten Globalia, ein dritter Anbieter von Handlingdiensten auf den Markt gedrängt ist. Per Gesetz ist festgelegt, dass ein Flughafen von der Größe und dem Passagieraufkommen wie Palma mit drei Handling-Unternehmen arbeiten muss. So soll sichergestellt werden, dass auch während der Hauptsaison, wenn der Flughafen am Anschlag arbeitet, die Gepäckstücke einigermaßen zügig ausgeladen werden.

Neben der Firma Ground Force, die den Flughafenbetreiber Aena offenbar vor allem mit günstigen Konditionen überzeugt hat, gibt es die beiden Platzhirsche Acciona und Iberia. Wobei Letztere eine Sonderstellung einnimmt. „Iberia hat einen eigenen Tarifvertrag, die bezahlen deutlich besser und haben bessere Bedingungen für ihre Angestellten", sagt Ginard.

Keine Neueinstellungen

Natürlich kennt der Gewerkschafter die Rekordzahlen aus den vergangenen Jahren am Flughafen. Jedes Jahr gibt es etwa zehn Prozent mehr Passagiere. „Auch 2017 werden wir wieder große Zuwachszahlen haben. Aber in all den Jahren, seit es bergauf geht, gab es bei den Handlingfirmen keine Neueinstellungen." Die zusätzliche Arbeit sei unter den Angestellten aufgeteilt oder es seien Aushilfen für wenige Tage oder Wochen engagiert worden.

Trotz der erschwerten Bedingungen, in denen die schätzungsweise zwischen 2.000 und 3.000 ­Angestellten im Handling arbeiten - genaue Zahlen könne man aufgrund der Saisonschwankungen nicht nennen -, ist Ginard kein Freund von Streiks. Zumindest nicht zum momentanen Zeitpunkt. „Wir haben die Hoffnung, dass wir in Verhandlungen zu einer Lösung kommen können. Mit Acciona sind wir schon weit vorangekommen. Da stehen wir kurz vor einem Durchbruch", glaubt Ginard. Und da geht es aus Sicht der Gewerkschaft nicht einmal um eine Lohnerhöhung, sondern vor allem darum, die teils unmensch­lichen Schichten zu vermeiden. „Wir fordern, dass die Menschen mindestens 15 Stunden im Monat angestellt werden. So vermeiden wir Verträge, mit denen manche nur 300 Euro verdienen."

Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft 36 Neueinstellungen im Handling-Bereich bei Acciona. Außerdem sollte die durchschnittliche Arbeitszeit aller Angestellten in den Sommermonaten 30 Wochenstunden betragen. Auf diese Weise sollen große Ausreißer nach oben und unten verhindert werden.

Die beiden kleineren Gewerkschaften CGT und SOM geben sich nicht ganz so streikzahm. Sie haben insgesamt sieben Streiks angekündigt (siehe Kasten). Am Freitag (7.4.) wurde bereits für zwei Stunden gestreikt. Doch solange die Gewerkschaften nicht an einem Strang ziehen, sind die Auswirkungen solcher Aktionen minimal.

Der Flughafenbetreiber Aena indes tut so, als gingen ihn die prekären Arbeitsbedingungen nichts an. „Aena hält sich aus diesen Dingen heraus", sagt eine Sprecherin der MZ. Schließlich seien die Handling-Mitarbeiter nicht bei Aena, sondern bei den Handlingfirmen direkt angestellt. Die allerdings sind von Aena unter Vertrag genommen worden. Die Frage nach Neueinstellungen beantwortet die Sprecherin nebulös mit dem Hinweis, dass Aena in der Hauptsaison „Anstrengungen unternimmt, die Ausgaben etwa in den Bereichen Sicherheit oder Reinigung zu erhöhen". Klingt nicht unbedingt nach guten Aussichten für Juan.