Die Murmel rollt gefährlich nah dem Rand entgegen. Schnell dreht Elena Mateos den Holzgriff herum, bringt die Murmelbahn in eine andere Position. Als die Glaskugel dennoch entgleitet, schreit sie lachend auf. Elena ist kein kleines Mädchen, sondern eine erwachsene Frau. Doch wenn es ans Spielen geht, wird das Alter schnell bedeutungslos, der Ehrgeiz tritt in den Vordergrund. Xavier Bernadet beobachtet das immer wieder – nicht nur bei seiner Mitarbeiterin, sondern bei vielen Menschen, denen er auf der Straße seine Spiele präsentiert. Mehr noch: Er legt es darauf an, den Spieltrieb der Leute zu triggern.

Zusammen mit seiner Partnerin, der studierten Pädagogin Ainhoa Ansoleaga, gründete der Schreiner 2013 die Ludoteca de Jardí. Ein kleines Unternehmen, das nicht nur die Berufe des Paars auf kreative Weise zusammenführt, sondern vor allem eine Aufgabe hat: Menschen zum Spielen zu bewegen – und das mit selbst gebautem Spielzeug aus Holz und einladenden Spielotheken im öffentlichen Raum.

Lieber mit Frauen

Holzstaub wirbelt durch die Luft, als Sara Riera die Schleifmaschine anwirft. Seit rund drei Jahren arbeitet die gelernte Erzieherin und Schreinerin für die Ludoteca. Ihre Kollegin Elena Mateos vervollständigt das Team, sie ist erst vor ein paar Monaten dazugestoßen. Die Stimmung auf der Finca bei Sencelles, in der die Werkstatt untergebracht ist, ist angenehm locker. Es wird viel gelacht, von Hierarchie keine Spur. „Ich mag es, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Gerade im Schreinergewerbe ist das Macho-Gehabe noch weit verbreitet“, findet Xavier Bernadet. Der 45-Jährige ist ein freundlicher Typ, ein wenig schelmisch, manchmal wirkt er selbst wie ein großes Kind.

Xavier Bernadet wird das Spielen nicht leid Nele Bendgens

Aktuell arbeiten die drei Handwerker an den Spielgeräten für eine öffentliche Grundschule in Marratxí. Kinderküchen, Klettergerüste, Holzparcours. Sie verantworten die handwerkliche Umsetzung des Außenbereichs und den finalen Aufbau. Das Design und das pädagogische Konzept liefert die Pädagogin Ainhoa Ansoleaga. Alles ist nicht nur maßgefertigt, sondern zudem auf die Bedürfnisse der Schule abgestimmt. Auch Weiterbildungen zum Thema Freies Spiel für die Lehrkräfte bietet sie an, ebenso Workshops mit den Kindern. „Ein Komplettpaket“, sagt der Spielemacher Xavier Bernadet.

Waldorf, Montessori und viel Freiraum

Ein bisschen Waldorf, ein bisschen Montessori, so genau will sich die Ludoteca pädagogisch nicht festlegen. „Wichtig ist, dass die Kinder Raum haben, zu erforschen, zu experimentieren und selbst auszuprobieren“, sagt Bernadet. Oder eben die Erwachsenen. Seit 2015 bietet das kleine Unternehmen nicht nur Auftragsarbeiten für unterschiedlichste Kunden an, sondern inselweit auch Spiele für Märkte, Messen oder Straßenfeste.

Mittlerweile hat die Ludoteca mehr als 60 Spiele im Repertoire, von denen ein ausgewählter Teil für die Dauer des Events zur Verfügung gestellt und nachher wieder eingesammelt wird. Brettspiele im Großformat, von „Monopoly“ über „Wer ist wer?“ bis zu „Memory“. Dazu Geschicklichkeitsspiele, Denkspiele und solche, die das Teamwork stärken. „Letztlich geht es uns bei den Straßenspielen vor allem darum, Menschen, die sich nicht kennen, über die Spiele miteinander zu verbinden“, sagt Xavier Bernadet. Mit dabei ist denn auch jedes Mal das Spiel „Conecta 4“. Auf Deutsch: „Vier gewinnt“.

Sara Riera beim "Vier gewinnt" Nele Bendgens

Kinder seien immer am schnellsten zu begeistern, Jugendliche und Erwachsene oft zögerlich. „Aber ich habe schon oft gesehen, dass es die Kleinen waren, die bei den Spielen haltmachen wollten, und die Großen, die dann nicht wieder gehen wollten, weil sie nach kurzem Zögern selbst in den Bann geraten sind“, so Bernardet. Auch für Privatfeiern können die Spiele der Ludoteca gebucht werden – ganz gleich, welches Alter die Gäste haben. Gleichzeitig können Privatkunden auch Arbeiten aus Holz in Auftrag geben und kaufen.

Nicht auf großen Profit aus

Man ist vielfältig aufgestellt in diesem sympathischen Betrieb, in dem die Chefs ebenso wie die Mitarbeiter nicht auf den großen Profit aus sind oder die Arbeit über alles stellen, sondern auch der Lebenszeit außerhalb der Arbeit Bedeutung beimessen. „Serienproduktion oder Ware auf Lager gibt es bei uns nicht“, so Bernadet. Nicht dass die Nachfrage nicht vorhanden sei – trotz der steigenden Holzpreise. „Sie ist riesig und steigt immer mehr, gerade unter Deutschen und Nordeuropäern, die auf der Insel leben. Wenn wir wollten, hätten wir unbestimmt viel Arbeit und könnten immer weiter expandieren.“ Aber genau das wolle man eben nicht. Stattdessen soll alles im kleinen Rahmen bleiben – auch damit die Essenz nicht verloren geht, genauso wenig wie der Spaß an der Arbeit.

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Elena Mateos legt die Murmel noch einmal auf die bunt bemalte Holzbahn. Diesmal gelingt es ihr, die Kugel bis zum Ende zu manövrieren. „Geschafft“, ruft sie und strahlt.

Am Sonntag (27.11.) organisiert die Ludoteca Spiele auf der Fira de Products Locals in Sant Llorenç, am 17.und 18. Dezember auf den Weihnachtsmärkten in Felanitx und S’Horta. Infos zu den Angeboten der Spielothek finden sich unter ludotecadejardi.com