Es ist ein Vergnügen für die ganze Familie und wird seit Generationen auf Mallorca betrieben. Im späten Winter bis zum Beginn des Frühjahrs geht man vor allem am Wochenende raus, macht einen Spaziergang und sammelt nebenher espárragos trigueros (span.), grünen Spargel, der am Wegesrand wächst. Mit der Beute geht man dann heim und bereitet sich – je nach Tageszeit – etwas Leckeres zum Mittag- oder Abendessen.

Natürlich kann ich nicht im Einzelnen verraten, wo ich selbst den Spitzblättrigen Spargel – so die korrekte deutsche Bezeichnung – finde. Aber ein kleiner Leitfaden für die Suche nach den Trieben des Asparagus acutifolius ist drin: Wenn Sie im Inselinneren sind, suchen Sie sich eine wenig befahrene Landstraße oder einen Feldweg. Im besten Fall einen Weg, an dem ungepflegte Grundstücke liegen, die nicht umzäunt sind und wo das Gestrüpp wächst.

Man braucht viel Geduld

Den wilden Spargel zu suchen, gleicht dem Blättern durch ein Wimmelbuch. Man braucht Geduld, vor allem am Anfang. Zwar ist nicht unmöglich, dass hier und da ein frei stehender grüner Trieb zu entdecken ist. Aber das ist die Ausnahme, denn der mallorquinische Grünspargel wächst an eher schattigen Orten an einem sogenannten Halbstrauch. Und er wird bewacht von waschechten Bodyguards mit fiesen Stacheln. Der erste Spargel ist am schwersten zu finden. Langsam geht der Spargeljäger am Wegesrand entlang, auch mal in eine Einfahrt bis zum Tor oder in ein kleines Waldstück rein. Natürlich immer mit Respekt vor fremdem Eigentum. Man muss dem Auge Zeit geben, das Gestrüpp lesen zu lernen.

Der Kopf des Spargels ist manchmal etwas breiter als der Stängel. Letzterer ist auch selten glatt. Im Vergleich zu dem Gestrüpp, das ihn umgibt, erscheint er etwas dunkler. Plötzlich steht der erste Spargel vor einem. Ist er groß gewachsen, kippt er oben ein bisschen über, als ob er einen Buckel hätte. So weit es geht – und nicht piksiges Geäst dies verhindert–, fährt man mit der Hand am Stängel entlang. Meist gibt es eine Stelle, wo er ganz automatisch abbricht. Muss man fest daran reißen, damit er bricht, ist er nicht mehr so saftig.

Meister der Camouflage

Jetzt nicht ungeduldig werden. Spargel sind Meister der Camouflage. Mit jedem weiteren Exemplar gewinnt man Erfahrung und findet schneller neue. Dann steht man vor einem Gebüsch und wie aus dem Nichts ploppt immer mehr Spargel auf. Die Euphorie wächst. Man freut sich über einen stetig wachsenden Spargelstrauch in der Hand. Wem das nicht reicht, kann mit seinen Begleitern darum wetten, wer am meisten Spargel sammeln kann.

Ist man einmal damit fertig, weil der Spaziergang vorbei ist oder man nicht noch mehr tragen kann, stellt sich die Frage: Und nun? Viele Mallorquiner werden eine Spargeltortilla vorschlagen. Dazu Zwiebel, Knoblauch und Spargel klein schneiden und mit Öl in der Pfanne anbraten. Ein paar Eier verquirlen, mit Salz und Pfeffer würzen und die Mischung aus der Pfanne reinrühren. Dann bei mittlerer Hitze in der Pfanne von beiden Seiten backen.

Eine andere Möglichkeit ist, den Spargel in Speck oder in Schinken zu wickeln und ihn im Ofen zu backen. Allerdings mit Vorsicht: Da die Triebe meist recht dünn sind, verkohlen sie schnell. Und das wäre nach solch geduldiger Suche ja wirklich ein Jammer.