„Wollen Sie Carolina Reaper sehen?“, fragt Jaime Cladera direkt nach der Ankunft auf dem Grundstück des Landhotels Sa Talaia Blanca zwischen Muro und Can Picafort. Doch Carolina Reaper, die schärfste Schote der Welt, spielt für ihn nur eine Nebenrolle. Derzeit erntet er mildere Sorten, die seine Frau zu Zöpfen näht. Von ihr stammt auch der Name des Unternehmens „Butxi Pebre“. Butxi ist der malnom, der Spitzname also, unter dem seine Partnerin im Dorf bekannt ist. Noch weitere vier Personen arbeiten in dem Unternehmen.

Seit der Jahrtausendwende züchtet Cladera hier scharfe Schoten. Sie wachsen in zwei riesigen Gewächshäusern. Dazwischen liegt eine Fläche mit kurz und tadellos gestutztem Rasen und einer hohen Palmenreihe in der Mitte. Die Frage, was hier passiert, ist schnell beantwortet: „Hier werden Hochzeiten gefeiert“, erklärt Cladera. Dabei wagt man nicht, daran zu denken, was passieren könnte, wenn die Gäste nächtens in die Staudenfelder steigen und die scharfen Schoten probieren. Denn rechts und links vom Hochzeitsrasen wachsen in den teilweise offenen Gewächshäusern rund 65.000 Chilipflanzen.

Scharfe Zöpfe als Mitbringsel für Touristen

Im ersten Gewächshaus sind leicht bis mittelscharfe Paprikasorten untergebracht, sie liefern die Schoten für die ristras, wie im Spanischen die Zöpfe genannt werden. Die Stauden sind knapp einen Meter hoch, zwischen den Pflanzreihen sind Schnüre gespannt, die für den Halt der Pflanze verantwortlich sind. Die dunkelgrünen, frisch aussehenden Blätter verraten, dass es hier nicht an Feuchtigkeit fehlt. Die Tröpfchenbewässerung liefert ein Mal am Tag eine Stunde Wasser. Die Blätter sind zudem für die Schoten wichtig, sie schützen vor direkter Sonneneinstrahlung.

Die meisten Paprikasorten gehören zur botanischen Familie Capiscum annuum (pimiento span., pebre kat.). Auf der Insel ist es üblich, die Setzlinge dann auszupflanzen, wenn im Mai keine kalten Nächte mit Frösten zu erwarten sind. Doch dieser Termin wäre, so Cladera, zu spät für die Produktion der ristras, die ein beliebtes Mitbringsel sind.

Die scharfen Insel-Saucen B. Pohle

Weil die Urlaubersaison jährlich bereits an Ostern beginnt, müssen die Schoten früher als üblich reif sein. Deshalb hat Cladera Samen von in Mittel- und Südamerika und Jamaika gezüchteten Pflanzen geordert, wohl nach dem Prinzip „Bunte mittelscharfe Mischung“, denn Sortennamen spielen hier keine Rolle. Wenn die Samen zu Setzlingen herangewachsen sind, kommen sie im November in die zuvor mit Pferdemist angereicherte Erde. Je nach Sorte dauert es 60 bis 100 Tage, bis die Pflanzen erwachsen und die Schoten reif sind.

Die Schoten werden dann im Frühjahr gepflückt und frisch an Schnüre genäht. Zwischen 15.000 und 20.000 ristras produziert Butxi Pebre jährlich. Cladera und seine Frau empfehlen, sie in der Küche nicht dort aufzuhängen, wo sie feuchten Dämpfen ausgesetzt sind. Bei trockener Lagerung verlieren die Schoten zwar Brillanz und Farbe, aber nicht ihr Aroma und auch nicht ihre Schärfe. Bis sie trocken sind, vergehen 30 bis 35 Tage.

Die schärfste Schote der Welt

Alle Chilisorten haben eines gemeinsam: Die Schoten enthalten Capsaicin, das für das aromatische Feuer sorgt. Die meisten der zum Verzehr geeigneten Chilis und Cayenneschoten bewegen sich in einer Schärfespanne zwischen 100 und 100.000 auf der Scoville-Skala. Peperonisorten dagegen kommen in der Regel auf relativ milde 100 bis 500 Scoville.

Das zweite Gewächshaus besteht nur aus einem Metallgerippe. Hier hebt Cladera Äste mit dichtem Blattbewuchs nach oben. Darunter hängen die Schoten der famosen Chilisorte Caroline Reaper. Sie ähneln kleinen schrumpligen Christbaumkugeln und sind leuchtend rot. Weil die Schote auf der Scoville-Skala ein bis zwei Millionen erreicht, ist sie 2003 ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen worden.

Wer ihre „Eltern“ sind, hielt ihr Züchter unter Verschluss, aber es wird vermutet, dass die schärfste aller Schoten aus der karibischen Habanero und einer pakistanischen Nago-Variante gezüchtet worden ist. Der Name Carolina Reaper erinnert zum einen an den US-Staat South Carolina, in dem sie gezüchtet worden war. Zum anderen bedeutet „reaper“ aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt „Sensenmann“.

Scharfe Chili-Saucen made in Mallorca

Aus diesen Chilis werden in der hauseigenen Manufaktur bei Selva scharfe Saucen gebraut. Die zerkleinerten Schoten lagern zunächst in Fässern, erst wird Weinessig, danach Salz zugegeben. Nach der Fermentierung füllen die Mitarbeiter die Saucen dann in Fläschchen ab. Vom englischen Sensenmann zum mallorquinischen Dimoni ist es nicht weit. Es war die Idee des aus Sa Pobla stammenden Cladera, die scharfen Saucen mit der Maske des Cap Gros, einer Teufelsfigur während des Dorffestes von Sant Antoni in Sa Pobla nebst dem Stempel „Made in Mallorca“ auf den Markt zu bringen.

Hinter dem Karton aus recyceltem Papier verstecken sich sieben teuflisch scharfe Saucen aus folgenden Schoten: Habanero-Orange, Jalapeño, Carolina Reaper, Caroline-Reaper-Schokolade (braune Schoten) und Fulla d’Olivera, die, so Cladera, eine Inselsorte sein soll. „Nur für würzige Experten“ lautet die ein wenig verunglückte deutsche Aufschrift der Saucen-Sammlung (rund 22 Euro).