Pedro Juan Munar ist oft bei seinem Nachbarn. Sehr oft. So oft, dass seine Frau manchmal entnervt nachfragt: „Was ist denn so toll bei diesen Deutschen?“ Für Munar ist die Antwort klar: „Die positive Energie.“ Der Mallorquiner wohnt wenige Grundstücke entfernt von der Kulturfinca Son Bauló in Lloret de Vistalegre auf Mallorca. Seit 38 Jahren ist der Betreiber Will Kauffmann sein Nachbar, seit rund 33 Jahren sind die beiden dicke Freunde.

So ganz genau erinnern sich Munar und Kauffmann nicht mehr an ihre erste Begegnung. „Ich weiß nur noch, dass ich gekommen bin, um mir die Pferde anzuschauen, die du damals neu hattest“, sagt Munar. Kauffmann nickt. Die Vertrautheit zwischen den beiden ist greifbar, oft beendet der eine den Satz des anderen, meist brauchen sie nur wenige Worte, um sich zu verstehen. „Wir mochten uns von Anfang an“, erinnert sich Will Kauffmann.

Damals, Ende der 80er, als der Schwabe aus der Ruine des alten Herrenhauses in Lloret de Vistalegre gerade erst ein neues Zuhause aufgebaut hatte, wurde im Ort viel über den alemán geredet, weiß Pedro Juan Munar. „Er war ja auch einer der allerersten Deutschen, die sich hier niederließen, und Son Bauló war ein geschichtsträchtiges Anwesen, mit dem viele Familien etwas verbanden.“

Mittlerweile interessiere es kaum noch jemanden, was Kauffmann dort treibt. Dass er zwischen Äckern und Gehöften die bedeutendste deutschsprachige Kleinkunstbühne der Insel und ein Landhotel managt, ist den meisten Anwohnern herzlich egal. „Mit Brahms können sie so gar nichts anfangen“, sagt Kauffmann. Auch, wenn spanische Künstler auftreten, seien es meist Insulaner aus anderen Gemeinden, die kommen. „Die Leute aus Lloret sind nur froh, dass ihre alte possesió wieder in gutem Zustand ist“, ergänzt Munar.

Nicht, dass Will Kauffmann Probleme mit den anderen Nachbarn hätte – im Gegenteil. „Es war und ist mit allen immer ein freundliches Verhältnis“, so der 74-Jährige. Das mag auch an seiner toleranten und unkomplizierten Art liegen. Aber Freundschaft ist es eben nur mit Pedro Juan Munar geworden – und dazu trägt auch der Mallorquiner bei. „Man muss doch nicht verschlossen sein, so wie viele meiner Landsleute. Für mich ist es eine Bereicherung, Menschen kennenzulernen. Es sind ja auch nicht alle Deutschen caps quadrats“ (Quadratschädel).

Wenn sich die Männer unterhalten wechseln sie immer wieder zwischen Deutsch und Spanisch. „So war es von Anfang an. Wir lernen gegenseitig voneinander“, sagt Munar. Durch viele Reisen und einst eine bayrische Freundin hat der Urmallorquiner schon früh mit der deutschen Sprache und Kultur Kontakt gehabt. „Das hat meinen Horizont erweitert. Früher dachte ich, die Deutschen wären uns allen überlegen. Doch wir können voneinander lernen.“ Bis heute zeigt Munar seinem Nachbarn regelmäßig Tricks und Kniffe, um die Äcker zu pflügen, den Trecker zu warten oder sich im katalanischsprachigen Behördendschungel zurechtzufinden. Er führt ihn in mallorquinische Traditionen ein und bringt ihm Inselrezepte. Der Tausendsassa Kauffmann, der nicht nur Maschinenbau gelernt hat, sondern auch Musiker und Profi-Fotograf war, hilft beim Reparieren von Munars Autos oder landwirtschaftlichen Geräten.

„Vor allem habe ich von Will diese positive Haltung gelernt. Mit 74 Jahren hat er den Esprit eines 25-Jährigen“, findet Munar, der für den Freund auch da war, als Kauffmann 2010 seine kleine Tochter wegen eines unentdeckten Blutgerinnsels verlor. Und wenn in Son Bauló mal wieder volles Haus ist, packt der einst in der Verwaltung tätige 59-jährige Frührentner spontan hinter der Bar mit an. „Auf Pedro kann ich mich verlassen, egal, wo es brennt, er hilft“, sagt Kauffmann.

Es ist ein Geben und Nehmen. „Im Spanischen sagt man: Will tiene mano izquierda. Das bedeutet, dass er mit schwierigen Situationen umgehen kann, aber für mich auch symbolisch, dass er nicht mit der rechten Hand Dinge einfordert, sondern die linke ausstreckt und gerne Dinge gibt, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen.“

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Dass er einmal einen so guten Freund gleich nebenan finden würde, konnte Will Kauffmann 1984 natürlich noch nicht ahnen. „Ich hatte damals schon etwa 100 Immobilien auf Mallorca angesehen. Als mich der Makler hierhin brachte, da wusste ich einfach: Das ist es.“ Schon der Hinweg habe ihn überzeugt. Abseits vom typischen Mallorca und doch in 30 Minuten am Flughafen. „Das Gebäude habe ich dann gar nicht erst betreten müssen. Die Entscheidung stand.“

Mittlerweile haben sich mehrere Deutsche in Lloret angesiedelt, auch in Kauffmanns Nachbarschaft. Man kennt sich, doch keiner gehört so zum Inventar auf Son Bauló wie Pedro Juan Munar. Mal fahren die beiden zusammen auf ihren Motorrädern aus, mal mit dem Fahrrad, mal mit Pferdewagen. Dann wieder schrauben sie einfach an Maschinen herum oder widmen sich gemeinsam der landwirtschaftlichen Arbeit. Mittlerweile ist es bereits Tradition, dass Munar am 31. Dezember einen riesigen Berg Gartenschnitt nach Son Bauló karrt, um ihn anzuzünden. Zusammen mit den Gästen der Kulturfinca stehen die beiden dann da und freuen sich wie kleine Jungen über das große Feuer.